Pilgerexpertin empfiehlt das Pilgern ohne Begleitung

"Einfach Ausprobieren"

Pilgern ist für viele Menschen ein guter Weg, um wieder zu sich, zu anderen und zu Gott zu finden. Dazu laufen sie viele Kilometer oft häufig in Gruppen. Pilgerexpertin Beate Steger rät Pilgern, ihre Reise bewusst alleine anzutreten.

Symbolbild Frau mit Rucksack im Wald / © Infinity Time (shutterstock)
Symbolbild Frau mit Rucksack im Wald / © Infinity Time ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Welche Erfahrungen haben Sie persönlich gemacht, als Sie alleine gepilgert sind? 

Beate Steger ist Pilgerexpertin und gibt auf DOMRADIO.DE regelmäßig Tipps zu Pilgern. / © privat
Beate Steger ist Pilgerexpertin und gibt auf DOMRADIO.DE regelmäßig Tipps zu Pilgern. / © privat

Beate Steger (Pilgerexpertin): Das erste Mal war ich 2007 auf dem Jakobsweg, auf dem Camino Frances in Spanien, alleine unterwegs. Da hatte ich schlechte Voraussetzungen, um glücklich alleine unterwegs zu sein. Ich war gerade frisch getrennt und habe ich mich ziemlich verloren gefühlt. Im Nachhinein war es eine Mischung aus Trennungsschmerz und dem Gefühl alleine zu sein.

Sonntags und abends war es am schlimmsten für mich. Da waren Familien in den Städten unterwegs, gingen miteinander essen. Am Anfang war ich auch nicht in den klassischen Pilgerherbergen, sondern eher in Pensionen.

Als ich aber in die Herbergen gegangen bin und mehr Pilger kennengelernt habe, ging es mir immer besser. Ich habe gemerkt, dass man als Alleinreisende mehr Begegnungen mit anderen Menschen hat, als wenn man in einer Gruppe oder zu zweit unterwegs ist.

DOMRADIO.DE: Wem würden Sie das Pilgern alleine empfehlen und wer ist dafür vielleicht eher nicht geeignet?

Steger: Für ängstliche Personen und gerade Frauen ist das Pilgern alleine vielleicht eher nicht so gut. Aber ich habe vor kurzem mit einer Frau gesprochen, für die das die größte Schwierigkeit war, aber woran sie unglaublich gewachsen ist. Sie sagte zu mir, sie werde nie wieder den Jakobsweg gehen müssen, weil sie das, was sie wollte, erledigt hat. Insofern ist es vielleicht doch für jeden geeignet. 

DOMRADIO.DE: Was sollten denn Frauen beachten, damit sie nicht in die Bredouille kommen? 

Beate Steger

"Das Pilgern alleine, auch als Frau, ist nicht gefährlicher als das normale Leben."

Steger: Das Pilgern alleine, auch als Frau, ist nicht gefährlicher als das normale Leben. 2015 ist eine amerikanische Pilgerin verloren gegangen. Da wurde monatelange nach ihr gesucht und alle Pilger waren in Aufruhr. Die Frau ist tatsächlich ermordet worden und der Täter wurde gefasst.

Aber ich würde nicht sagen, dass Pilgern gefährlicher als alles andere ist. In Spanien haben sie Vorkehrungen getroffen. Da sind jetzt viele Schilder mit Notfallnummern aufgestellt. Das Programm heißt "Du gehst nicht alleine." Man kann sich aber schützen, in dem man mit seinem Handy in Kontakt mit den Lieben zu Hause oder mit anderen Pilgern steht.

DOMRADIO.DE: Ist das alleine Pilgern besser als das Pilgern in der Gruppe?

Steger: Ich habe das lange Zeit gedacht. Ich habe auch viele getroffen, die zwar zu zweit unterwegs waren, sich dann aber für die Tagestouren getrennt haben und sich abends erst wieder in der nächsten Herberge getroffen haben. Ich dachte früher, mit dieser Lösung kriegen sie wenigstens ein bisschen was vom echten Pilgern mit.

Beate Steger

"Seitdem glaube ich hängt es nicht davon ab, ob man alleine pilgert oder seinen Rucksack selbst trägt oder in Spanien unterwegs ist."

Letztes Jahr war ich aber mit einer Gruppe auf dem Olafsweg unterwegs. Das war sogar eine Busreise. Das heißt, wir sind ganze Etappen gepilgert, hatten aber einen Gepäcktransport und hatten unsere Hotels vorgebucht. Es war also kein klassisches Pilgern.

Trotzdem habe ich diesen "Pilger-Spirit" erlebt . Seitdem, glaube ich, hängt es nicht davon ab, ob man alleine pilgert oder seinen Rucksack selbst trägt oder in Spanien unterwegs ist. Pilgern geht überall und in unterschiedlichen Formen. 

DOMRADIO.DE: Sie empfehlen also, mal alleine loszuziehen und sich selbst anders kennenzulernen?

Steger: Das würde ich jedem raten. Man sollte auch zumindest einmal in einer echten Pilgerherberge gewesen sein, auch wenn man davon nicht viel hält und normalerweise lieber in Hotels schläft. Es ist eine schöne Erfahrung, bei der man viel über sich selbst lernt.

Und so ist es auch mit dem alleine Pilgern. Man hat mehr Vertrauen in sich selbst und in das, was man alleine alles schaffen kann.

Das Interview führte Hilde Regeniter.

Jakobsweg

Der Jakobsweg ist ein europaweites Netz von Straßen und Wegen. Seit dem neunten Jahrhundert führt er Pilger vom Baltikum über Polen, Deutschland, die Schweiz und schließlich Frankreich zum angeblichen Grab des Apostels Jakobus ins spanische Santiago de Compostela. Im Mittelalter erstreckten sich die Tagesetappen meist von einem "heiligen Ort", an dem Reliquien verehrt wurden, zum nächsten.

 © Sonja Geus (DR)
© Sonja Geus ( DR )
Quelle:
DR