Zehntausende pilgern zu einer schwarzen Ordensgründerin

Das Wunder von Missouri

Schwester Wilhelmina Lancaster führte ein zurückgezogenes Leben im Kloster in Missouri. Vier Jahre nach ihrem Tod macht die schwarze Gründerin des Ordens der "Benedictines of Mary, Queen of the Apostles" Schlagzeilen.

Autor/in:
Thomas Spang
Abtei Unserer Lieben Frau von Ephesus, Missouri (Benedictines of Mary, Queen of Apostles)
Abtei Unserer Lieben Frau von Ephesus, Missouri / ( )

Die Schwestern erinnern sich an einen friedlichen Abschied. Sie hatten sich um das Bett ihrer Ordensgründerin Wilhelmina Lancaster versammelt und "Salve Regina" gesungen; wie so oft in der Abtei unweit der Kleinstadt Gower. Die Augen der kleinen Nonne waren geschlossen, aber es schien, als wollte sie noch einmal einstimmen, beschreibt Priorin Scholastica Radel die "heilige" Atmosphäre im Raum. 

Schwester Wilhelmina Lancaster ist die Gründerin des Ordens der Benedictines of Mary, Queen of the Apostles.  (Benedictines of Mary, Queen of Apostles)
Schwester Wilhelmina Lancaster ist die Gründerin des Ordens der Benedictines of Mary, Queen of the Apostles. / ( )

Schwester Scholastik war auch dabei, als die Gemeinschaft die Ordensgründerin in diesem Frühjahr aus der bescheidenen Grabstelle in die Abteikirche umbetten wollte. "Alle Schwestern schrien auf", berichtet die Priorin dem "Our Sunday Visitor" (OSV) über den Moment, als der vollständig erhaltene Leichnam ans Tageslicht kam. "Selbst die Blumen, die sie gehalten hatte, steckten noch getrocknet in ihrer Hand."

Der örtliche Bestatter Jack Kline, der den Totenschein für Wilhelmina ausgestellt hatte, teilt die Verwunderung. Ihr Leichnam habe nach vier Jahren besser ausgesehen als viele andere nach drei Tagen, sagte er dem "National Public Radio". Die Schwester sei weder einbalsamiert worden, noch habe sie in einem besonderen Sarg gelegen.

Zustand des Leichnams habe "wichtige Fragen" aufgeworfen

Der zuständige Ortsbischof James V. Johnston kündigte im Mai eine "gründliche Untersuchung" an. Der Zustand des Leichnams habe "wichtige Fragen" aufgeworfen. Gleichzeitig forderte er die Gläubigen auf, den Körper der Verstorbenen nicht anzufassen oder als Reliquie zu behandeln. Er äußerte Verständnis für die Neugier einer wachsenden Zahl an Katholiken, die aus allen Teilen der USA nach Missouri pilgerten, um das mutmaßliche Wunder mit eigenen Augen zu sehen.

Ende Mai haben die Benediktinerinnen ihre verstorbene Gründerin in der Abteikirche aufgebahrt, ein Feld in einen Parkplatz umgewandelt und Schilder aufgestellt, die zu dem leeren Grab führen. Auf ihrer Webseite posteten die traditionalistischen Schwestern Verhaltensregeln für den Besuch und rieten den Pilgern, wegen der Wartezeiten Klappstühle mitzubringen.

Strom zu dem Kloster reißt nicht mehr ab

Seitdem reißt der Strom zu dem Kloster nicht mehr ab. Über das "Memorial-Day"-Wochenende Ende Mai kamen allein mehr als 25.000 Menschen, derzeit sind es weniger. Aber immer noch genug, um Spekulationen über ein mögliches Seligsprechungsverfahren anzuheizen.

Die Ordensschwestern in der Abtei Unserer Lieben Frau von Ephesus (Benedictines of Mary, Queen of Apostles)
Die Ordensschwestern in der Abtei Unserer Lieben Frau von Ephesus / ( )

Schwester Scholastica interpretiert den Pilgerstrom als Zeichen, "dass ihre Heiligkeit außerhalb unserer kleinen Sphäre hier anerkannt wird". Früher sei an gewöhnlichen Tagen "kein einziger Besucher" gekommen, während nun Hunderte kämen.

Michael O'Neill, der auf dem konservativ-katholischen Kanal EWTN die Sendung "The Miracle Hunter" betreut, betont, es habe nie zuvor einen unversehrten Leichnam in den USA gegeben. "Das sind wichtige Nachrichten". Kritiker fragen, warum ausgerechnet weiße Traditionalisten die Geschichte vom Wilhelmina-Wunder befeuern. Der Verdacht steht im Raum, die schwarze Ordensgründerin werde gebraucht, eine konservative Agenda in der Kirche zu fördern.

"Sie wird benutzt, um eine Gegenwirklichkeit zu schaffen"

Schwester Wilhelmina Lancaster ist die Gründerin des Ordens der Benedictines of Mary, Queen of the Apostles. (Benedictines of Mary, Queen of Apostles)
Schwester Wilhelmina Lancaster ist die Gründerin des Ordens der Benedictines of Mary, Queen of the Apostles. / ( )

Das vermutet jedenfalls der Historiker Shannen Dee Williams von der University of Dayton in der "New York Times". Der Autor eines Buchs über schwarze Nonnen meint, die Ordensgründerin sei alles andere als repräsentativ für die afroamerikanischen Schwestern in den USA. "Sie wird benutzt, um eine Gegenwirklichkeit zu schaffen."

Dan Stockman vom "Global Sisters Report" geht nicht ganz so weit, erinnert aber auch an die schlechte Behandlung schwarzer Nonnen durch weiße Mitschwestern. "Und trotzdem hielten sie an ihrem Glauben fest und sind in der Kirche geblieben."

Für mutmaßliches Wunder gibt es auch ganz weltliche Erklärungen

Was das mutmaßliche Wunder des nicht verwesten Leichnams angeht, gibt es auch ganz weltliche Erklärungen. Nach Ansicht von Experten ist denkbar, dass der Körper der Verstorbenen "natürlich" mumifiziert worden ist. Der Forensiker Nicholas Passalacqua erinnert an Körper, die in Nordeuropa und auf den britischen Inseln nach mehr als 4.000 Jahren in erstaunlich gutem Zustanden gefunden worden waren.

Um dem Wunsch des Bischofs im Umgang mit der Toten zu entsprechen, haben die Schwestern ihre Ordensgründerin unter Glas gelegt. Besucher können sie während des Gottesdienstes von der Kirchenbank aus sehen und dürfen weiterhin an die Verstorbene herantreten. 

Die katholische Kirche in den USA

Die römisch-katholische Kirche ist die größte Glaubensgemeinschaft der USA, denn die Protestanten teilen sich in verschiedene Konfessionen. Ein knappes Viertel der US-Amerikaner ist katholisch, die meisten Katholiken leben im Nordosten und im Südwesten. Genaue Zahlen sind schwierig, weil in den USA der Wechsel einer Konfession sehr häufig vorkommt.

Die katholische Kirche in den USA / © rawf8 (shutterstock)
Die katholische Kirche in den USA / © rawf8 ( shutterstock )
Quelle:
KNA