DOMRADIO.DE: Wer pilgert, kann was erleben. Das ist unter Umständen auch ganz schön amüsant. Das war es auch, als Sie eine Gruppe frischgebackener Abiturienten und Abiturientinnen getroffen haben. Wieso?
Beate Steger (Pilgerexpertin): Ich hatte das Gefühl, dass die einfach nach Portugal geflogen sind und sich ohne Pilgerführer auf den portugiesischen Jakobsweg begeben haben, auch gar nicht so genau wissend, wo es langgeht. Nach dem Motto: Der wird schon ausgeschildert sein, es pilgern so viele.
Ich habe sie auch ein paar Mal auf der Strecke getroffen, wo sie nicht so genau wussten, wo es langgeht. Dann habe ich sie in der Herberge in Rates wieder gefunden. Dahin hatten sie den Weg tatsächlich auch geschafft.
Was ich da in der Küche einer Herberge erlebt habe, war das Beste. Die vier hatten die Idee, Milchreis zu kochen, so wie das wohl Mama zu Hause immer macht. Das ist ein bisschen schiefgegangen.
DOMRADIO.DE: Was kann man an Milchreis falsch machen?
Steger: Man kann einfach zu viel Milchreis nehmen. Sie hatten ein ganzes Kilo genommen und nur einen Liter Milch dazu einkalkuliert. Das Problem war, dass die Milch sofort aufgesogen war. Sie mussten zwei oder dreimal nachkaufen. Nun hatten sie nach einer Stunde immer noch nichts zu essen.
Zum Schluss hatten sie einen riesen Topf Milchreis. Damit hätte man den ganzen Ort gratis verköstigen können oder man hätte Häuser damit bauen können. Auf jeden Fall hatten sie sich von der Menge her völlig verschätzt.
DOMRADIO.DE: Sie haben sich nicht eingemischt und paar Tipps gegeben? Oder einen Kochtopf verliehen?
Steger: Ich hatte wirklich gedacht, dass ich das machen sollte. Andererseits wollte ich sie auch nicht stören. Die waren da in ihrem Vorhaben vertieft und haben gerührt und gerührt. Es waren vier Leute. Sie konnten sich also im Rühren abwechseln. Es ist keiner dabei müde geworden. Von daher hat es schon geklappt. Ich habe ihnen auch von meinem Essen angeboten, weil sie so lange warten mussten. Aber sie hatten auch ihren Stolz. Sie wollten ihren eigenen Milchreis essen.
DOMRADIO.DE: Das eine ist, dass da vielleicht noch ein bisschen Lebenserfahrung fehlt. Das andere ist, dass sie vor Ideen und Selbstbewusstsein oft nur so strotzen. War das bei den jungen Leuten, die Sie getroffen haben, auch so?
Steger: Ja. Eigentlich fand ich toll, dass sie ebenso unvorbereitet losgegangen sind. Ich habe das früher auch auf meiner Fahrrad-Weltreise gemacht. Wenn ich da vorher alles genau geplant hätte, wäre ich vielleicht gar nicht los geradelt. Das fand ich bei den jungen Leuten auch so toll.
Ich erlebe immer wieder, dass viele Erwachsene extrem vorplanen, alles kontrollieren wollen, sogar die Unterkünfte vorbuchen. Gerade das ist aber Pilgern, dass man mit dem, was einem begegnet, umgeht und dass man vielleicht auch Situationen hat, die nicht so angenehm sind. Man findet trotzdem den Weg raus. Oder man findet trotzdem eine Unterkunft, obwohl man nicht vorgebucht hat. Das finde ich das Spannende am Pilgern.
DOMRADIO.DE: Hatten die jungen Pilger, die sie da getroffen haben, die kurz nach dem Abi losgezogen sind, einen Bezug zum Glauben? Wussten sie, was Pilgern ist? Oder war das eher Wandern für die?
Steger: Das Gefühl hatte ich schon, dass sie wissen, was Pilgern ist und das auch deswegen bewusst gemacht haben. Aber sie haben sich natürlich mit dem portugiesischen Jakobsweg einen Weg ausgesucht, wo man relativ unvorbereitet losgehen kann, weil er gut beschildert ist.
Es gibt viele Unterkünfte in den verschiedenen Preisklassen. Es gibt auch viele Herbergen. Das kann man natürlich nicht überall machen. Wenn man zum Beispiel durch Lothringen läuft oder in Deutschland verschiedene Jakobswege oder andere Pilgerwege geht, muss man schon gucken, wo man unterkommen kann.
Aber dieses Unvorbereitete hat schon was. Ich habe mal eine ältere Dame getroffen, sie war keine Abiturientin. Sie hat so schön gesagt, sie sei fürs Pilgern zuständig. Aber dafür, dass sie abends eine Unterkunft findet, solle mal der Heilige Jakobus sorgen. Die hat vom Vorbuchen auch nichts gehalten.
DOMRADIO.DE: Ich komme noch mal auf die jungen Menschen zurück. Warum wollten die nach dem Abi eine Pilgerreise auf dem Jakobsweg machen?
Steger: Sie hatten einfach von Schule und Zwängen erstmal genug. Sie wollten frei sein und sich überlegen, wie es weitergeht im Leben. Diese Lebensumbrüche sind wunderbare Gelegenheiten, um sich auf eine Pilgerreise zu begeben.
Das kann man auch machen, wenn man eine Stelle wechselt oder wenn man in Rente geht. Die Kinder sind groß und brauchen einen nicht mehr. So war das bei diesen jungen Leuten auch. Die wollten sich einfach mal eine Auszeit gönnen und laufend überlegen, wie es weitergeht. Das ist doch viel besser, als dass man irgendwo einfach nur hinfliegt und am Strand liegt.
DOMRADIO.DE: Haben Sie denen vielleicht noch wertvolle Tipps gegeben oder was hätten Sie ihnen gerne mit auf den Weg gegeben?
Steger: Ich habe Ihnen gesagt, dass ein Pilgerführer, ein kleines Buch doch ganz hilfreich ist, weil man dann auch viele Sehenswürdigkeiten und Besonderheiten am Weg entdeckt, an denen man vielleicht vorbeiläuft. Das kann man auch, wenn man auf dem Weg ist, noch bekommen.
Manchmal liegt in den Herbergen noch ein ausrangierter Pilgerführer von Leuten, die den dort gelassen haben. Das habe ich ihnen noch mitgegeben. Denn zwischendrin war es doch ein bisschen schwierig, den Weg zu finden.
Das Interview führte Dagmar Peters.