Der Heiland weiß, wie der Hase läuft, er schaut ihm ja unentwegt von oben zu. Hoch am Haus der Familie Maier im bayerisch-schwäbischen Ziemetshausen hängt ein Kruzifix, von dem aus der Gekreuzigte in den Garten blickt, und damit mitten ins Gehoppel. Imelda, Mila, Filou und das Kasperle hüpfen über den Rasen, schnuppern am Löwenzahn und beißen ins Gras. Letzteres sollen sie bis auf Weiteres bitte wirklich nur buchstäblich tun, sind sich die Maiers einig, allen voran die Töchter Theresa (14), Luisa (12) und Annalena (8). Das Kreuz droben an der Wand mag ein Anfang sein - doch die Tiere sollen demnächst noch gesegnet werden.
Auf Bitten eines Hundezüchtervereins
Dazu wollen die Maiers ins nahe gelegene Maria Vesperbild fahren. Vater Josef (45) macht das eh schon regelmäßig, er engagiert sich in dem überregional bekannten Marienwallfahrtsort seit Jahrzehnten unter anderem als Messdiener. Doch das, was da an diesem Sonntag stattfindet, gibt's nur einmal im Jahr: die Kleintiersegnung. Seit 2015 existiert das Angebot, wie Wallfahrtsdirektor Erwin Reichart erzählt. Ein Hundezüchterverein habe einst darum gebeten, einen solchen Termin ins Programm zu nehmen.
"Tiere sind Geschöpfe Gottes, für die die Tierhalter Verantwortung übernehmen", sagt Reichart. "Die Menschen lieben ihre Tiere und möchten sie durch diesen Segen unter den Schutz Gottes stellen." Damit solle deutlich werden, dass der Segen Gottes den Menschen nicht nur an besonderen Festen, sondern gerade in seinem Alltag begleite. "Eine Kirche, die Haustiere segnet, ist wirklich nahe beim Menschen."
Die Segnung spende er draußen auf dem Platz vor der Kirche, erzählt Reichart, "zuerst allgemein, dann einzeln mit manchen persönlichen Gesprächen". Mithilfe eines sogenannten Borstenaspergills besprenge er die Anwesenden mit Weihwasser. Bis zu 40 Tiere und 50 Menschen erwarte er dazu. Was die Motivation der Leute sei, ihre Lieblinge herzubringen? Diese seien einfach ein fester Teil ihrer Familie und ihres Lebens, haben Pilger bei den vergangenen Segnungen berichtet. Man wolle die Tiere behütet wissen und geschützt vor Krankheiten und Unfällen - oder auch vor Beißattacken aggressiver Mitgeschöpfe beim Gassigehen.
Wirkt sich der Segen auf ein Tier aus?
Tatsächlich sind die meisten der Pilger-Tiere Hunde. Sie bestimmen traditionell auch die Geräuschkulisse bei der Segnung. Diese dürfte mithin die einzige Kirchen-Veranstaltung sein, die nicht etwa von harmonischen Orgelklängen geprägt ist, sondern von wildem Bellen, Kläffen, Wuffen. Trotzdem sind längst nicht alle Besucher Vierbeiner. Er habe auch schon Schlangen und Kanarienvögel dem Allmächtigen anempfohlen, berichtet Reichart. Er selbst hätte übrigens gern eine Katze, fügt der Kirchenmann hinzu. Aber das gehe leider aus praktischen Gründen nicht.
Ob er schon mal gehört habe, dass sein Segen bei einem Tier für oder gegen etwas tatsächlich gewirkt habe? "Uns geht es wie den Ärzten", antwortet Reichart. "Selten bekommen wir eine dankbare Rückmeldung." Immerhin gebe es in Maria Vesperbild ungefähr 1.000 anonyme Votivtafeln, die jedoch meist wenig konkret gehalten seien und sich längst nicht nur auf die Kleintiersegnung bezögen. Doch diese sei so oder so eine gute Sache: "Der Segen an Tieren bedeutet eine ganz große Wertschätzung und Aufwertung der Tiere als Mitgeschöpfe. Er bedeutet, andere Geschöpfe zu heiligen und sie aus dem Machtbereich des Bösen möglichst zu befreien."
Das Böse, das könnte in der naturbelassenen Umgebung des Gartens der Familie Maier schnell mal ein Fuchs oder ein Marder sein. "Vor denen sollen unsere Hasen sicher sein", sagt Luisa und wiegt ihre Imelda im Arm, die sich das friedlich mümmelnd gefallen lässt. Imelda dürfte in Maria Vesperbild also bella figura machen. Das Kasperle hingegen entkreucht den Armen von Luisas Schwester Theresa und hoppelt lieber an der Hecke entlang. "Da holt er sich sicher wieder lauter Zecken", stöhnt Theresa. Die werden dann wohl mitgesegnet. Sind ja auch Geschöpfe Gottes.