DOMRADIO.DE: Es ist ein kurzer Spot von nur 80 Sekunden, aber seine Botschaft ist zeitlos. Das Motto der Caritas "Not sehen und handeln" soll mit dem Film, den der Diözesan-Caritasverband im Erzbistum Köln veröffentlicht hat, einen neuen Anstrich bekommen und auf die Arbeit der Caritas aufmerksam machen. Der Film ist nur mit Musik und ohne Dialog. Was ist da los? Und warum sagt da keiner was?
Markus Harmann (Pressesprecher beim Diözesan-Caritasverband Köln): Das ist Caritas mal ein bisschen anders. Caritas steht eigentlich für Altenheime, für Kindergärten, für Beratungsstellen. Was wir mit dem Film zeigen wollen, ist die Idee dahinter, die ein Gefühl für die Caritas und auch ein Wertekanon bilden, den wir im Grunde auch über unsere Arbeit immer wieder darstellen. Der Film soll keine Leistungsschau sein. Wir zeigen bewusst nicht, was wir in unseren Einrichtungen und Diensten machen, sondern wir wollen eine Botschaft vermitteln: "Platz für alle!".
DOMRADIO.DE: Da sind wir schon wieder beim Thema. Da sagt ja keiner was. Wie vermitteln Sie denn da die Botschaft? Erzählen Sie mal, was da passiert.
Harmann: Ja, über die Musik, über gute Darsteller und über eine Rundfahrt durch Köln. Wir haben den Film letztes Jahr im November innerhalb von zwei Tagen in Köln produziert. Die Geschichte geht so: Ein etwas bieder anmutender Geschäftsmann hat es eilig, ist auf dem Weg zur Arbeit oder zu einem Geschäftstermin und plötzlich sieht er eine ältere Frau mit einem Rollator über die Straße gehen. Er überlegt kurz und entscheidet sich dann, diese Frau mitzunehmen, die irgendwo hin will und relativ schlecht vorankommt und so nimmt dieser Film seinen Lauf.
Am Ende des Filmes sitzen eben noch fünf andere Personen im Auto, unter anderem ein junger Mann mit Down-Syndrom, eine Punkerin, ein Mensch mit Migrationshintergrund. Alle nehmen in diesem eigentlich viel zu kleinen Auto Platz und steigen dann am Ende vor der Kölner Kulisse, das ist unser Bezug zum Erzbistum Köln, wieder aus.
DOMRADIO.DE: Sie haben schon gesagt, das soll jetzt mal keine Leistungsschau sein, sondern Sie wollen was vermitteln.
Harmann: Wir wollen vermitteln, dass wir, obwohl wir ein katholischer Wohlfahrtsverband sind, für alle Menschen da sind. Also für alle die, die im Auto sitzen, aber sonst auch für jeden. Man denkt immer noch viel zu oft, dass wir uns um diejenigen kümmern, die zur katholischen Kirche gehören oder die mit uns besonders verbunden sind. Das ist nirgendwo so. Das ist auch immer schon so gewesen. Das ursprüngliche Motto der Caritas ist: "Not sehen und handeln". Das gilt auch immer noch. Es ist ein bisschen in die Jahre gekommen und wir haben versucht, mit diesem Film und auch mit der Botschaft "Platz für alle" das ein bisschen zu entstauben.
DOMRADIO.DE: Wen wollen Sie damit erreichen?
Harmann: Die breite Öffentlichkeit. Der Film lief im Vorprogramm im Kino, der Film wurde über Blogs gestreut, der ist natürlich über unseren YouTube-Kanal oder über unsere Website www.caritasnet.de zu sehen.
DOMRADIO.DE: Wissen Sie schon, ob sich der Film im Internet durchzusetzen konnte? Das ist ja wirklich nicht einfach gegen all die Katzenvideos und andere lustige Filmchen. Läuft der Film einigermaßen?
Harmann: Der läuft. Das sehen wir an den Klickzahlen. Wir bekommen ganz unterschiedliche Reaktionen auf den Film. Jemand meldete sich bei uns und dachte, das sei eine Autowerbung, weil dieses Auto natürlich immer wieder im Bild ist und am Ende eben auch vor dem Rhein parkt. Dann kommt ein bisschen überraschend das Flammenkreuz der Caritas und man weiß, es geht hier auch ums Auto irgendwie, aber es geht vor allen Dingen um die Menschen, die in diesem Film mitspielen. Die Botschaft ist: Wir sind vielleicht gar nicht so, wie viele denken. Wir sind ein alter, ein ehrwürdiger Verband, aber wir gehen trotzdem mit der Zeit und öffnen uns für verschiedene Menschen, die zu uns kommen.
DOMRADIO.DE: Die wichtige Botschaft dahinter ist ja eigentlich auch, dass es letztendlich um Leistungen geht, wenn man möchte, auch wenn es keine Leistungsschau ist.
Harmann: Genau. Die Einrichtungen und Dienste der Caritas im ganzen Erzbistum Köln, aber auch deutschlandweit, sind natürlich offen für jeden. Das haben wir in den letzten Jahren, als sehr viele Menschen aus Kriegs- und Krisenländern nach Deutschland kamen, gemerkt. Es gibt immer wieder Phasen und Epochen, die uns zeigen, was gerade die sozialen Probleme dieses Landes sind. Das spüren wir in unseren Einrichtungen sehr gut.
DOMRADIO.DE: Das ist wirklich ein lustiger Film. Da quetschen sich alle in das Auto rein. Wie dreht man so was? Ist da eine Kamera in der Windschutzscheibe oder hat das Auto gar keine Windschutzscheibe?
Harmann: Das war ein ganz normales Auto, das Platz für sieben Personen bietet. Am Ende waren das zeitweise mit dem Kameramann neun oder zehn Personen im Auto. Wir haben vorne vor der Windschutzscheibe eine Kamera, die den Fahrer und die Personen hinter ihm und neben ihm immer groß im Bild hatten. Das war schon eine relativ aufwendige Produktion mit zwei guten und auch bekannten Regisseuren: Sinan Akkus und Stojan Petrov.
Auch die Darsteller im Film waren professionelle Schauspieler. Die Darsteller waren keine Mitarbeitenden der Caritas. Der eine oder andere ist auch bekannt. Einer hat in einer Netflix-Serie mitgespielt. Ein anderer war Darsteller in der Serie "Babylon Berlin". Und der junge Mann mit Down-Syndrom, das hat mich ganz besonders gefreut, ist ebenfalls Schauspieler aus Köln und spielt jetzt in dem Film "Extraklasse" mit Axel Prahl.
Das Interview führte Heike Sicconi.