Ditib "stellt sich selbst mit dieser Haltung noch weiter ins Abseits und droht vollends seine Glaubwürdigkeit zu verspielen", sagte Özoguz den Zeitungen der Funke Mediengruppe.
Die türkisch-islamische Union Ditib hatte am Mittwoch entschieden, sich nicht an dem in Köln geplanten Friedensmarsch von Muslimen gegen islamistischen Terror zu beteiligen. Solche Demonstrationen "stigmatisieren die Muslime und verengen den internationalen Terrorismus auf sie, ihre Gemeinden und Moscheen", hatte der größte Islam-Dachverband in Deutschland mitgeteilt. Unter dem Motto "Nicht mit uns" wollen Muslime aus ganz Deutschland am Samstag in Köln mit dem Friedensmarsch ein Zeichen setzen.
"Traurige" Sache
Initiatoren sind die Islamwissenschaftlerin Lamya Kaddor und der Friedensaktivist Tarek Mohamad. Die Organisatoren rechnen mit bis zu 10.000 Teilnehmern. Auch der Zentralrat der Muslime hat zur Teilnahme aufgerufen.
Mitinitiator Mohamad, bedauerte die Ditib-Absage im ARD-Morgenmagazin: "Wenn man in einer gewaltfreien Demonstration, die sich ganz explizit gegen den Terror richtet, 'keinen Sinn sieht', ist es schon mehr oder weniger ein Armutszeugnis. Wir sind recht enttäuscht über die Entscheidung der Ditib und hätten es natürlich auch sehr begrüßt, wenn sie dort aufgekreuzt wären", so Mohamad. Die Angelegenheit sei sehr sehr traurig.
Per Twitter wartnten die Initiatoren vor Pauschalisierung: "Wir wissen, dass viele DITIB-Anhänger trotzdem kommen wollen", twitterten sie am Freitag.
Warum Ditib nicht dabei ist
Die Ditib warf den Initiatoren inde "Effekthascherei" vor. Forderungen nach "'muslimischen' Anti-Terror-Demos" griffen zudem zu kurz, kritisierte Ditib am Mittwoch. Diese würden die Muslime stigmatisieren und den internationalen Terrorismus auf sie verengen. "Das ist der falsche Weg und das falsche Zeichen, denn diese Form der Schuldzuweisung spaltet die Gesellschaft", erklärte der Verband, der eng mit der türkischen Religionsbehörde verbunden ist.
Der deutsch-türkische Kabarettist Fatih Çevikkollu erklärte dazu: "Im Kern mag da was dran sein, dass man sagt, sie werden stigmatisiert." Gleichzeitig sei es aber wichtiger, ein Zeichen gegen den Islamismus und Terror zu setzen, sagte der Schauspieler dem SWR. Die Aufforderung zur Distanzierung impliziere nicht "die Nähe zur Situation", sondern es reiche schon aus, sich zu distanzieren, wenn man die Empörung empfinde.
"Kein sachlicher Grund"
Die Integrationsbeauftragte der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Cemile Giousouf, erklärte, es gebe "keinen sachlichen Grund, die Teilnahme an der geplanten Demonstration gegen den islamistischen Terrorismus abzulehnen". Der innenpolitische Sprecher der Fraktion, Stephan Mayer, sagte der in Halle erscheinenden "Mitteldeutschen Zeitung": "Ich halte das für höchst bedauerlich und sehr kontraproduktiv."
Der innenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Burkhard Lischka, nannte die Absage eine verpasste Chance. "Ditib und der Islamrat hätten gemeinsam mit vielen anderen Muslimen, Christen, Juden und Konfessionslosen in Deutschland ein Zeichen gegen Terror und Hass und für Weltoffenheit und Toleranz setzen können", sagte er der "Mitteldeutschen Zeitung" (Freitag).
Ditib jetzt im politischen Abseits?
Dass der türkische Verband nicht an der Kundgebung teilnehmen wolle, "spricht leider für sich", erklärte der Kölner CDU-Bundestagsabgeordnete Heribert Hirte. Der Kirchenbeauftragte der Unionsfraktion, Franz-Josef Jung (CDU), verwies auf die Spionage-Vorwürfe gegen Imame des Verbands, die mutmaßliche Gegner des türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan bespitzelt haben sollen. Das Vertrauensverhältnis zu Ditib werde nun einmal mehr erschüttert. "Mit der Nichtteilnahme an der Demonstration stellt sich Ditib ins politische Abseits", sagte Jung dem Evangelischen Pressedienst (epd).
Sie finde es schade, dass Ditib die Chance nicht nutze, die Demonstration zu unterstützten, sagte die Kirchenbeauftragte der SPD-Fraktion, Kerstin Griese, dem epd. Sie gehört zu den Erstunterzeichnern des Aufrufs. Christine Buchholz von der Linksfraktion sagte dagegen auf Anfrage, ob Ditib oder andere sich dem Aufruf anschließen, sei deren Entscheidung. Sie könne nachvollziehen, warum ein Teil der Muslime und muslimischen Verbände einem Aufruf nicht folgen wolle, wenn sie sich an anderer Stelle bereits klar gegen den Terror im Namen des Islams ausgesprochen haben, sagte Buchholz, die ebenfalls den Aufruf mit unterzeichnet hat.
Auch der Deutsche Islamrat wil nicht dabei sein
Neben der Ditib will auch der Deutsche Islamrat die Aktion nicht unterstützen. Eine Demonstration sei zwar öffentlichkeitswirksam, doch werde sie das Problem nicht in seinem Kern lösen, sagte der Vorsitzende des Islamrats, Burhan Kesici, gegenüber dem Internetportal "Islamiq". In den vergangenen Jahren habe es immer wieder Veranstaltungen gegen Gewalt, Unrecht und Rassismus gegeben.
"Es dauert jedoch keine zwei Wochen, bis es dann wieder hieß: Die Muslime müssen sich noch entschlossener gegen den Terror äußern", so Kesici.
"Einfach schade"
Die Bundesregierung bedauert die Absage des Islamverbandes Ditib an die Organisatoren der für diesen Samstag in Köln geplanten Anti-Terror-Demonstration. Dass Ditib an der Kundgebung nicht teilnehmen wolle, sei "einfach schade", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Freitag in Berlin. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) begrüße es sehr, dass "Muslime und ihre Freunde ein klares Zeichen gegen Gewalt und Terrorismus jeder Art setzen" wollten.
Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) bedauerte die Ditib-Absage ebenfalls. Er hätte sich gewünscht, dass alle muslimischen Verbände zu der Demonstration aufrufen und "im großen Stil" daran teilnehmen. Die Demonstration bezeichnete der Innenminister als "wichtiges Zeichen von Muslimen in unsere Gesellschaft hinein", dass sie dem Terror und dem Missbrauch ihrer Religion durch den Terrorismus eine Absage erteilen.
"Gesellschaftliche Verantwortung wahrnehmen"
Auch der Vorsitzende der Grünen, Cem Özdemir, übte Kritik. "Ich bedauere sehr, dass der größte Islamverband Deutschlands sich nicht an den Friedensmärschen beteiligt", sagte er der "Berliner Zeitung". "Das ist eine vertane Chance für die Türkisch-Islamische Union: Ramadan ist der Monat des Friedens, eine Zeit der Solidarität. Es ist mir schleierhaft, dass Ditib diese Möglichkeit nicht nutzt, um ein klares Signal des Zusammenhalts zu senden."
Auch der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Thomas Sternberg, kritisierte die Entscheidung der Ditib: "Auch wenn es stimmt, dass sich die Ditib immer wieder von Terrortaten distanziert und diese verurteilt hat, ist die Absage gerade in der aktuellen gesellschaftlichen Situation ein verheerendes Zeichen", so Sternberg.
Der religionspolitische Sprecher der Grünen, Volker Beck, sagte, wer als Religionsgemeinschaft die Millionen Muslime in Deutschland repräsentieren will, müsse auch seine gesellschaftliche Verantwortung wahrnehmen.
"Dankbar für klares Zeichen"
Der Zentralrat der Muslime in Deutschland bekräftigte seinen Willen zur Teilnahme an der Demonstration. Öffentliche Demonstrationen seien ein geeignetes Mittel, um für den Zusammenhalt in der Gesellschaft und den Frieden zu kämpfen und den Extremismus zu verurteilen, sagte der Vorsitzende Aiman Mazyek, der derzeit auch Sprecher des Koordinationsrates der Muslime ist. Dem Koordinationsrat gehört auch Ditib an.
Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken unterstützt die Demonstration. Es gelte für das friedliche Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher Religionen, gegen Rassismus und Diskriminierung und für die Demokratie gemeinsam einzustehen, hieß es vom ZdK.
Auch der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, begrüßte die Veranstaltung. "Ich bin dankbar für dieses klare Zeichen von Muslimen gegen eine Instrumentalisierung von Religion für die Rechtfertigung von Gewalt", schrieb Bedford-Strohm am Donnerstag auf Facebook. Auch der hannoversche Landesbischof Ralf Meister begrüßt die von Muslimen geplante Anti-Terror-Demo. "Dieser Aufruf ist ein starkes Zeichen gegen jeden Generalverdacht, der Muslime in die Nähe von Gewalt und Terror rückt", sagte er am Donnerstag dem Online-Portal ndr.de.