Politikwissenschaftler Andreas Püttmann über den CDU-Wahlkampf

"Je politischer der Wahlkampf, desto weniger Stimmen für die CDU"

Warum die CDU sich nicht traut, einen konservativen Wahlkampf zu führen. Der Politikwissenschaftler Dr. Andreas Püttmann im domradio.de-Interview.

Angela Merkels Hände (dpa)
Angela Merkels Hände / ( dpa )

domradio.de: Die Union setzt ja ein bisschen auf einen einschläfernden Wahlkampf, zentriert sich auf die Person von Angela Merkel. Setzt die Union da also zu wenig auf Inhalte?

Püttmann: Es kommt darauf an, aus welcher Perspektive man das betrachtet. Wenn es um Parteiinteresse geht, dann hat es eine gewisse Rationalität, wenn man eine beliebte Spitzenpolitikerin hat, eine Kanzlerin, dass man dann den Wahlkampf auch mehr personalisiert. Insofern entspricht es etwas dem Kalkül. Aber das Grundgesetz fordert natürlich, dass die Parteien an der Willensbildung des Volkes mitwirken. Und an der Willensbildung wirkt man natürlich nicht mit, wenn man also Kult betreibt um Kanzlerketten, Kanzlerinnenketten muss man ja sagen, oder die Raute. Und wenn man den Wahlkampf so entertainisiert, da muss man jetzt sagen, liegt die Ursache nicht alleine in der CDU, sondern das ist insgesamt der Trend im Wahlkampf, dass man von den Inhalten wegkommt. Aber unter demokratietheoretischen Gesichtspunkten ist diese asymmetrische Demobilisierung natürlich nicht so erfreulich. Man versucht damit, um den Begriff kurz zu erklären, ja die Wähler der Gegenseite so ein bisschen einzuschläfern, nicht zu provozieren, und geht davon aus, dass man die eigenen Wähler ja sowieso sicher hat. Und für die Union spricht dafür natürlich, dass die älteren Menschen und übrigens auch die christlichen Mitbürger sowieso aus Pflichtbewusstsein etwas zuverlässiger zur Wahl zu gehen als die Anderen.

domradio.de: Man hat ja auch so ein bisschen das Gefühl, dass die Union Angst hat, offensiv mit konservativen Werten in einen Wahlkampf zu gehen. Sehen Sie das ähnlich?

Püttmann: Das ist tatsächlich so. Denn diese asymmetrische Demobilisierung hängt sicher auch damit zusammen, dass man meint, wenn die Bevölkerung stark politisiert würde, dass man dann nicht so gute Karten hat. Und dem entspricht auch der Trend, zum Wahltag hin, auch bei den letzten Wahlen. Wir haben es meistens erlebt, dass die Union von höheren Umfragewerten am Wahltag auf einem niedrigeren Sockel landete. Und parallel dazu ist natürlich während des Wahlkampfs die Politisierung der Bevölkerung stärker geworden. Das heißt also, je mehr es um Inhalt geht zum Ende hin, desto mehr hat die Union abgebaut. Und es ist ja in der Tat so, dass also, was den Gleichheitsimpuls angeht, soziale Gerechtigkeit, das wird sehr in den Vordergrund gespielt. Und da wird ja automatisch, auch wenn die Union inzwischen die Mietpreisbremse hat, den Mindestlohn hat, da wird automatisch die Kompetenz mehr der SPD zugeschrieben. Ein bisschen mag das auch damit zusammenhängen, dass die Journalisten, die zu zwei Dritteln sich links positionieren, für solche Themen auch besonders sensibel sind. Ich will nicht unterstellen, dass die direkt Wahlkampf für die SPD machen wollen, aber durch ihre eigene Wertestruktur tendieren sie natürlich dazu, solche Themen auch im Wahlkampf in den Vordergrund zu stellen. Und nicht in den Vordergrund zu stellen, dass 75 Prozent der Menschen in Deutschland sagen, es geht mir gut.

domradio.de: Hat es vielleicht auch damit zu tun, dass die konservativen Werte bei der CDU im Wahlkampf ein bisschen zu kurz kommen, dass so wenige Katholiken wie fast noch nie in der CDU-Spitze im Bund sich befinden?

Püttmann: Das ist in der Tat auffällig, übrigens bei beiden Parteien. Steinbrücks Kompetenzteam ist völlig katholikenfrei und die CDU-Spitzenpolitiker im Bund, also die Minister, die Kanzlerin, der Fraktionschef und der Generalsekretär, die also exekutive Macht haben, da haben wir neun Protestanten und einen Katholiken, nämlich Peter Altmaier. Das fällt schon etwas auf. Im Vordergrund steht natürlich für Christen, dass es christlich gesinnte Menschen sind. Da muss man also nicht kleinkariert aufrechnen. Aber als Politologe und als Zeithistoriker muss ich schon sagen, dass, wenn es umgekehrt wäre, also neun Katholiken und ein Protestant, dann wäre großes Geschrei. Das hängt schon ein bisschen zusammen, dass die katholische Kirche gesellschaftlich, obwohl sie die Mehrheitskonfession ist, zum Underdog geworden ist. Man sieht das auch an den Vertrauenswerten für die katholische und die evangelische Kirche. Das hängt aber auch damit zusammen, dass die Katholiken, die früher fast einhellig zur CDU gegangen sind aus der katholischen Jugendarbeit. Nachdem man die neue Dreifaltigkeit von Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung gepflegt hat im kirchlichen Milieu, natürlich mehr zu den Grünen und zur SPD gegangen sind. Das heißt, der Katholizismus ist nicht mehr so geschlossen, übrigens auch innerkirchlich nicht mehr so geschlossen und das trägt natürlich auch zur Schwächung bei.

domradio.de: Es gibt ja aber auch nach wie vor Menschen in Deutschland, die konservativ sind, denken und auch gerne so wählen würden. Wenn man sich jetzt Merkels Positionen so anschaut, dann könnten das ja auch vielfach Positionen der SPD sein, zum Beispiel die Mietpreisbremse, die Sie schon angesprochen haben. Das Thema Mindestlohn, auch wenn natürlich das ein bisschen anders ausgestaltet ist als bei der SPD. Ist das eher ein Problem der SPD oder der CDU?

Püttmann: Also, die SPD setzt natürlich schon darauf, dass die Leute lieber das Original als die Kopie wählen werden. Die Union hat einiges in der Tat von der SPD übernommen, sich auf sie zubewegt. Atomkraft, Wehrpflichtabschaffung, wobei sie sich da auf die Grünen und die Liberalen auch zubewegt hat, und die sozialpolitischjen Themen, die sie aufgezählt haben. Aber die meisten Leute schauen ja nicht genau auf die politische Bilanz und rechnen die verschiedenen Themen durch, sondern gehen von ihrem Bild aus, was sie von der Kompetenz einer Partei haben. Und ich denke, da kann die Union eigentlich der SPD gar nicht den Rang ablaufen. Es gibt allerdings eine Position, wo die CDU sich deutlich von der SPD unterscheidet, und zwar bei der Euro-Rettung. Zumindest in der Wahrnehmung der Leute, es hat ja diesen Krach gegeben, als Frau Merkel sagte, die SPD sei nicht zuverlässig. Und die SPD hat dann beleidigt aufgeschrien und gesagt, sie hätte doch im Bundestag immer dafür gestimmt. Aber entscheidend ist nicht, was die SPD in der Vergangenheit machte, sondern was sie in der Zukunft macht. Und da ist es doch so, dass sie im Bundestag natürlich zugestimmt hat für das Geben. Und gleichzeitig in ihren Reihen, aber auch wenn mal die Möglichkeit wäre, dass man die Politik bestimmt, doch bestimmte Kräfte sind, die die zugeknöpfte Handtasche von Frau Merkel doch eher öffnen würden und über Eurobonds reden und über Gemeinschaftung von Schulden. Und ich glaube, dass das das Geheimnis der Stärke der CDU im Moment ist, dass die Leute spüren, formal gibt es zwar Einigkeit der Parteien vom Abstimmungsverhalten, aber im Zweifel, wenn es darauf ankommt, würde Frau Merkel da mehr Widerstand leisten.


Dr. Andreas Püttmann / © privat
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Quelle:
DR