domradio.de: Die Aktion suggeriert, dass ein einheitliches Band durch Europa geht. Überall ist man gegen Masseneinwanderung und Islamisierung. Gibt es diese Einheitlichkeit tatsächlich?
Prof. Werner Patzelt (TU Dresden, Politikwissenschaftler, beschäftigt sich intensiv mit dem Pegida-Phänomen): Wir haben eine Einheitlichkeit bei der Ablehnung von Bürgerkriegsflüchtlingen und Asylbewerbern und diese in die europäische Gesellschaften zu integrieren. Es gibt überall in Europa Rechtspopulismus und auch rechtspopulistische Parteien, die im Parlament sind. In Polen und Ungarn haben die rechtspopulistischen Parteien sogar die Regierung übernommen. Sobald man begriffen hat, dass Pegida und AfD "Fleisch vom gleichen Fleisch" sind, erkennt man: Es ist ein Versuch zu zeigen, dass Pegida auch als wiederkehrende Demo auch in anderen Ländern Europa seine festen Punkte hätte. Ob das so sich zeigen wird, oder ob die Sache ein Flopp wird, das ist das, was wir mit einiger Neugier erwarten.
domradio.de: Von den 14 teilnehmenden Städten sind es allein drei in Polen - also in Warschau, Breslau und Krakau. Ist das Zufall?
Patzelt: Es ist offenkundig koordiniert worden bei dem Prager Treffen und aller möglichen Pegida und Pegida-ähnlichen Bewegungen. Es ist da kein Widerspruch zwischen parteilicher oder organisationaler Vorbereitung und der Tatsache, dass sich Leute zusammen finden, die etwas gegen weitere Zuwanderung oder überhaupt wie im Fall von Polen und Ungarn etwas gegen Zuwanderungen haben. Das ist kein Widerspruch. Pegida gibt einem unterschwellige Gefühl Ausdruck, dass etwas mit dem Land falsch läuft. Genauso geben rechtspopulistische Bewegungen in anderen europäischen Staaten dem Gefühl dortiger Bevölkerungsteile Ausdruck, dass auch in diesen Staaten etwas falsch liefe, wenn man von dem Kurs abwiche. Das ist also ein sehr wuchtiges Phänomen und es zeigt sich immer mehr, wie falsch es gewesen ist, Pegida als eine Dresdener Lokalposse wahrzunehmen.
domradio.de: Kommen auch noch neue Argumente und Ziele dazu, oder ist jede Veranstaltung nur eine Wiederholung der Vergangenen?
Patzelt: Die Kernthemen sind konstant geblieben. Es ist der Ärger über eine Zuwanderung, die im Grunde allenfalls geordnet, aber nicht unterbunden oder gar gesteuert wird. Es ist mehr als Sorge. Es ist eine Phobie vor dem Islam. So gut wie jeder Teilnehmer kann sich diesen in einer friedlichen Form nicht vorstellen und diese Phobie ist in den letzten Jahren gewachsen ist. Es ist nicht nur Empörung, sondern eine Verachtung. Es geht hier eine Spaltung durch die Gesellschaft. Der eine Teil will mit dem anderen Teil nichts mehr zu tun haben. Das ist jene bedrohliche Entwicklung, bei der uns der gesellschaftliche Zusammenhalt abhandenkommt und politische Konflikte nicht mehr lösbar werden, weil jede Kommunikation vergiftet ist.
domradio.de: Parteien, Gewerkschaften und Kirchen sind morgen auch wieder auf der Gegenseite aktiv. Wie stark ist diese Gegenbewegung?
Patzelt: Das ist unterschiedlich von Stadt zu Stadt und von Land zu Land. In allen deutschen Städten - mit Ausnahme von Dresden - sind die Gegenbewegungen quantitativ wesentlich stärker als Pegida oder Pegida-ähnliche Bewegungen. In Dresden war es immer umgekehrt und es dürfte bestenfalls zu einem Gleichstand am nächsten Samstag kommen, weil ja sehr sehr viele Gegenveranstaltungen angekündigt sind im Vergleich zu ein bis zwei, die ja Pegida selber angekündigt hat.
domradio.de: Antje Feiks, die Landesgeschäftsführerin der Partei Die Linke in Sachsen rechnet mit "ziemlich übersichtlichen Versammlungen", wenn man von Dresden absieht. Welche Erwartungen haben Sie, wie sich dieses Bündnis noch entwickelt?
Patzelt: Das Gegenbündnis zu Pegida lebt davon, dass die öffentliche Erregungskultur über Pegida bestehen bleibt. An dieser Stelle haben die Pegida-Gegener mehr und mehr Mobilisierungsmängel, da die Bevölkerungsstimmung schon im letzten Oktober zu kippen begann. Nach den Kölner Ereignissen ist die Stimmung erst recht gekippt. Vieles an den Pegida Positionen erscheint nun mehr und mehr Leuten plausibel. Das führt zu einer gewissen Entmotivierung bei den Pegida-Gegenern. In Dresden war vor einigen Wochen ein Kongress der entschiedensten Pegida-Gegnern mit der simplen Frage, "Warum funktioniert das nicht, was wir die ganze Zeit versuchen?"
Das Interview führte Daniel Hauser.