Polizei-Gewerkschafter fordert Ausbau der Seelsorge-Angebote

Gute Beratung an der Seite nötiger denn je

Polizistinnen und Polizisten machen während ihrer Dienste belastende Erfahrungen, Seelsorgerinnen und Seelsorger helfen dabei sie zu verarbeiten. Michael Mertens von der Polizeigewerkschaft sieht Bedarf, das Angebot weiter auszubauen.

Symbolbild Polizei / © Andreas Trojak/ wirSiegen.de (dpa)
Symbolbild Polizei / © Andreas Trojak/ wirSiegen.de ( dpa )

DOMRADIO.DE: Wir lesen täglich von schlimmen Unfällen oder gar Verbrechen. Was macht das mit den Polizistinnen und Polizisten? Für solche Situationen gibt es Psychologen und Seelsorgerinnen, die zum Einsatz kommen. Wie genau läuft das ab? 

Michael Mertens (Stellvertretender Bundesvorsitzender der Polizeigewerkschaft): Erst einmal gilt es, den Einsatz technisch gesehen abzuarbeiten. Aber die Eindrücke, die meine Kolleginnen und Kollegen da machen müssen, die legt man ja nicht ab mit der Uniform, die man am Dienstende auszieht. Diese Eindrücke, die teilweise sehr belastend sind, muss man verarbeiten und da gilt es, Profis an der Seite zu haben. 

Michael Mertens (Stellvertretender Bundesvorsitzender der Polizeigewerkschaft)

"Aber die Eindrücke, die meine Kolleginnen und Kollegen da machen müssen, die legt man ja nicht ab mit der Uniform, die man am Dienstende auszieht."

DOMRADIO.DE: Die polizeipsychologischen Dienste und die seelsorgerischen Angebote sind in den letzten Jahren bundesweit ausgebaut worden. Reicht das noch nicht aus? 

Mertens: Erst einmal ist es gut, dass es ausgebaut worden ist. Man hat den Bedarf erkannt und der Standard von heute sollte mindestens gehalten werden. Allein in Nordrhein-Westfalen reden wir von gut 9.000 Übergriffen jährlich auf Polizistinnen und Polizisten im Dienst. Diese Gewalterfahrung macht ja auch was mit meinen Kolleginnen und Kollegen. Auch die Dinge muss man abarbeiten. Dafür braucht man Profis und gute Gesprächspartnerinnen an der Seite, um das mit sich und anderen auszumachen. 

DOMRADIO.DE: Sie selbst waren ja auch einige Zeit zu Beginn Ihrer beruflichen Laufbahn im Streifendienst. Ist der Ton auf der Straße und im Einsatz rauer geworden? Wie erleben Sie das, wenn Sie das vergleichen mit früher? 

Mertens: Ich kann das immer ganz gut mit einem Bild zeichnen. Ich konnte früher im Sommer mit Kurzarm-Hemd meinen Dienst versehen. Die Uniform hat mich früher geschützt. Heute sehen meine Kolleginnen und Kollegen ganz anders aus. Sie haben eine Schutzweste an, eine sogenannte Außentragehülle, das sieht eher ein bisschen martialisch aus. Das tragen wir aber nicht für ein gewisses abschreckendes Erscheinungsbild sondern als Arbeitsschutz, weil wir jederzeit mit irgendwelchen Dingen und Angriffen auf uns rechnen müssen. Und das ist der Grund, warum wir so gekleidet sind. Auch das erhöht den Druck im Dienst. 

DOMRADIO.DE: Würden Sie sagen, die Einsatzkräfte nehmen die Seelsorgeangebote, die es gibt, wahr? Oder schämen sich manche auch, wenn sie Probleme mit der Verarbeitung haben? 

Michael Mertens (Stellvertretender Bundesvorsitzender der Polizeigewerkschaft)

"Ein solcher sympathischer und empathischer Mensch innerhalb der Polizei öffnet die Türen, um sich selber in solchen Situationen zu öffnen. "

Mertens: Ich habe das zuletzt in Lützerath rund um die Räumung und die Demonstrationen erlebt. Da war ein katholische Seelsorger vor Ort und ich sah, dass er ein gern gesehener Gast oder Mitstreiter war. Die Kolleginnen und Kollegen haben das Gespräch mit ihm gesucht, auch angenommen. Ein solch sympathischer und empathischer Mensch innerhalb der Polizei öffnet die Türen, um sich selber in solchen Situationen öffnen zu können. 

DOMRADIO.DE: Sowohl die evangelische Kirche als auch die katholische Kirche stellt die Seelsorger in den Landespolizeien. Sehen Sie die Kirchen noch mehr in Verantwortung, das Angebot weiter auszubauen?

Michael Mertens (Stellvertretender Bundesvorsitzender der Polizeigewerkschaft)

"Es macht Sinn einen neutralen Seelsorger einzusetzen, der zwar die Polizei kennt, aber nicht im Apparat der Polizei verhaftet ist."

Mertens: Ja, der Bedarf ist da. Und in Lützerath habe ich ja gesehen, dass das Angebot angenommen wird. Es geht ja nicht nur um die Betreuung solcher Einsätze, sondern der Dienst macht generell was mit den Polizisten und mit den Familien. Es gibt Konflikte im Dienst und dann braucht man immer wieder gute Beratung. Es macht Sinn, einen neutralen Seelsorger einzusetzen, der zwar die Polizei kennt, aber nicht im Apparat der Polizei verhaftet ist. Also das Angebot sollte mindestens gehalten werden, bestenfalls sogar ausgebaut werden.

Das Interview führte Verena Tröster.

Polizeiseelsorge

Die christlichen Kirchen bieten mit ihren Polizeiseelsorgerinnen und Polizeiseelsorgern Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Polizei bei der Bewältigung ihrer Aufgaben Rat, Unterstützung und Begleitung an. Sie tun dies zwar auf dem Hintergrund ihres Glaubens, aber unabhängig von konfessioneller oder religiöser Bindung der Angehörigen der Polizei.

Die Polizeiseelsorge gilt also den Frauen und Männern, die in den Polizei-Organisationen Dienst leisten. Die pastorale Sorge der Kirche gilt damit den Menschen, nicht der Organisation. (Polizeiseelsorge)

Polizeiseelsorge / © Caroline Seidel (dpa)
Polizeiseelsorge / © Caroline Seidel ( dpa )
Quelle:
DR