DOMRADIO.DE: Sie haben auf Disney+ den Film "Amen: Ein Gespräch mit Papst Franziskus" gesehen. Wie haben Sie diesen Film erlebt?
Pfarrer Dr. Tobias Schwaderlapp (Diözesanjugendseelsorger im Erzbistum Köln): Ich bin überraschend beeindruckt. Bei einem Interviewfilm war ich erst unsicher, was uns da erwarten wird? Aber ich muss sagen: Der Film ist gut inszeniert. Das Setting ist stimmig. Ich hatte ehrlich gesagt gedacht, dass man da eine kleine Gruppe jugendlicher Hurra-Patrioten zusammengetrommelt hat, die einen Werbefilm für den Papst ermöglichen. Aber der Film ging schon ans Eingemachte. Es waren taffe Fragen, taffe Leute, die den Papst nicht so einfach davonkommen lassen, wenn sie die Antwort als unbefriedigend empfunden haben. Das war für mich ein beeindruckender Film.
DOMRADIO.DE: Es sind Jugendliche aus vier Kontinenten: Nordamerika, Südamerika, Europa, Afrika. Es sind alles spanischsprachige junge Menschen, die sehr verschiedene Lebensgeschichten mitbringen. Hat Sie das berührt?
Schwaderlapp: Total. Es fließen auch Tränen in dem Film. In 80 Minuten kommen so viele Erfahrungen hoch. Da geht es um Abtreibung, um Missbrauch - eine ganz harte Geschichte -, um Pornografie und viel Weiteres. Das alles ereignet sich in einem sehr persönlichen Tonfall, in persönlichen Geschichten. Aber auch das Suchen und Ringen um den Glauben und das Abarbeiten an der Kirche bekommt Raum. In 80 Minuten können all diese Dinge nur angerissen werden. Aber die Erfahrungen, die geschildert werden, die bleiben eben dann doch haften und berühren die Zuschauer.
Was aber auch berührt, ist die Art und Weise, wie der Papst auf die Erfahrungen der jungen Menschen eingeht. Das ganze Setting stellt den Papst ein wenig als Großvater dar, der so seine Weisheit teilt. Aber es ist ja nicht irgendein alter Mann, dem die jungen Leute begegnen, sondern es ist auch das Amt. Und der Papst gibt der Kirche in diesem Film ein sehr zuhörendes und lernen-wollendes Gesicht. Das hat mich am meisten beeindruckt.
DOMRADIO.DE: Nehmen Sie für Ihre Arbeit als Jugendseelsorger aus dieser Dokumentation auch neue Themen und Impulse mit?
Schwaderlapp: Was ich am meisten mitnehme, sind diese einzelnen Geschichten. Ein Satz, der noch in mir arbeitet und den der Papst dann zum Schluss gesagt hat, ist in meinen eigenen Worten: "Freunde, ich danke euch sehr. Ich habe viel von euch gelernt, weil ihr bereit wart, eure Erfahrungen zu teilen. Weil ihr bereit wart, eure Erfahrungen zu teilen und kein Stammtischgespräch geführt habt, als ginge es beim Glauben um etwas, was euch persönlich gar nicht berührt." Es ging darum, die Dinge, die uns berühren, beschäftigen, bewegen, umtreiben, ins Gespräch zu bringen. Ich glaube auch, dass das auch der Weg der Kirche ist. Das fand ich irgendwie einen anrührenden Gedanken.
Es wurde also gar nicht so sehr in die sachliche Einzeldiskussion der Fragen eingestiegen - da hätte die Zeit auch nicht gereicht -, sondern es wurden Erfahrungen geteilt. Auch die jungen Leute haben in dem Film untereinander darüber diskutiert, was sie erfahren haben. Warum passen ihre Erfahrungen zum Teil auch gar nicht so sehr zu denen der anderen? Was steckt eigentlich an Tiefe und Halt in unseren Erfahrungen, die wir im Leben, in der natürlichen und übernatürlichen Welt suchen? Und wo finden wir den? Wo finden wir auf den Eisschollen dieses Lebens festen Halt? Der Film war trotz der Kürze der Zeit ein sehr authentisches Zeugnis für diese Suche.
DOMRADIO.DE: Es ist ungewöhnlich, dass ein Papst so ein Format bei einem Streaminganbieter mitmacht und ein offenes Gespräch auf Augenhöhe gibt. Ist das eine Marketingstrategie oder eine neue Art der Transparenz?
Schwaderlapp: Der Film hat sicherlich auch Marketingelemente. Aber ich habe mich gefragt: Was will der Papst eigentlich vermarkten? Man könnte jetzt unfair sein und sagen: Er vermarktet sich selbst. Das ist aber nicht der Grund für den Film, denke ich. Was er vermarkten will, ist eine Form der Kommunikation. Die hat dann auch etwas von dem, was der Papst unter Synodalität versteht: Erfahrung ins Gespräch bringen und sie im Licht des Glaubens zu deuten. Das miteinander zu teilen und nach dem Boden zu suchen, der uns trägt. Deshalb denke ich nicht, dass es ein Zufall ist, dass dieser Film in der Zeit der Weltsynode veröffentlicht wurde. Da gibt es einen Zusammenhang.
Das Interview führte Alexander Foxius.