In den Archiven des Instituts des nationalen Gedenkens (IPN) solle etwa geprüft werden, was der kommunistische Geheimdienst in diesen Fällen jeweils wusste, berichtet die Tageszeitung "Rzeczpospolita" (Dienstag). Ob sich die Bischofskonferenz an der Untersuchung beteiligen wird, ist demnach noch unklar.
Das IPN ist in Polen für die Aufarbeitung der kommunistischen Ära von 1945 bis 1989 zuständig. Es verfügt über die Akten des ehemaligen Geheimdienstes SB. Die Kirche gab bisher ihre Akten nicht frei.
Erneute Vorwürfe sorgen für Aufsehen
Zuletzt sorgten in Polen erneute Vorwürfe für Aufsehen, der spätere Papst Johannes Paul II. (1978-2005) habe als Erzbischof von Krakau sexuellen Missbrauch in den Reihen der Kirche vertuscht. Er gilt bis heute als wichtige Autorität im Land und wurde 2014 von der Kirche heiliggesprochen. Laut "Rzeczpospolita" wünscht sich die Vatikanbotschaft in Polen, dass das Erzbistum Krakau die Karol Wojtyla betreffenden Fälle prüfe.
Am Wochenende hatte der Journalist Marcin Gutowski im polnischen Fernsehen ähnliche Vorwürfe erhoben wie bereits vor einigen Wochen der niederländische Autor Ekke Overbeek in einem Enthüllungsbuch.
Gutowski zufolge soll Wojtyla Priester seiner Diözese, über deren Taten er informiert war, in andere Gemeinden versetzt haben, um Skandale zu vermeiden. Einer der Priester sei vom späteren Kirchenoberhaupt nach Österreich geschickt worden. Kardinal Wojtyla habe für ihn ein Empfehlungsschreiben an den damaligen Wiener Erzbischof Kardinal Franz König geschrieben, ohne ihn über die Vorwürfe gegen den Priester zu informieren.
Der Wiener Diözesansprecher Michael Prüller bestätigte gegenüber der Presseagentur Kathpress, dass es zu dem betreffenden Geistlichen keinen Hinweis aus Krakau in Sachen Missbrauch gegeben habe. "Wir haben das untersucht, als wir Anfang Jänner dieses Jahres eine Anfrage aus Polen erhielten. In unseren Akten gibt es auch keine Hinweise auf mögliche Taten während der Zeit in Österreich."
Postulator nimmt Johannes Paul II. in Schutz
Auch bei der Unabhängigen Opferschutzkommission sei keine Anschuldigung gegen ihn bekannt, so Prüller. Ein polnisches Fernsehteam, das kürzlich zu Recherchen in der Erzdiözese Wien gewesen sei, habe von der Bevölkerung offenbar nichts Negatives über den Mann erfahren.
Knapp zwei Drittel der Polen hatten sich Ende Dezember in einer Umfrage dafür ausgesprochen, den Umgang von Johannes Paul II. mit Missbrauchsfällen zu untersuchen. Wojtyla war von 1964 bis zu seiner Wahl zum Papst 1978 Erzbischof im südpolnischen Krakau. Zuvor war er dort seit 1958 Weihbischof.
Der frühere Anwalt ("Postulator") im Heiligsprechungsprozess von Johannes Paul II. und jetzige Bischof von Gliwice (Gleiwitz), Slawomir Oder, bezeichnete es jüngst erneut als absurd, Johannes Paul II. zu beschuldigen, er habe Kindesmissbrauch unter den Teppich gekehrt. Niemand habe in der damaligen Zeit in der Kirche Sexualverbrechen klarer verurteilt als der polnische Papst, sagte er der polnischen katholischen Nachrichtenagentur KAI.