Mit Blick auf ein mögliches Ende der Staatsleistungen an die Kirchen plädiert der Prälat der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck, Burkhard zur Nieden, für rechtzeitige neue Strukturen. "Je später eine Ablösung kommt, desto schlechter werden vermutlich die Konditionen für die Kirchen sein. Und auf ein Ende des staatlichen Kirchensteuereinzugs wären wir gar nicht vorbereitet, sondern sofort finanziell überfordert", sagte zur Nieden der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" für deren Ausgabe am Mittwoch.
Daher brauche es parallel zum noch bestehenden System andere Modelle und Organisationsstrukturen, "bei denen wir nicht so abhängig sind". Dies gehe nur mit einem grundlegenden Umbau. "So werden wir auch besser! Jetzt zu handeln halte ich deshalb für unsere Pflicht", so zur Nieden. Die Kirchen müssten vorbereitet sein. Unabhängig vom Auftrag des Grundgesetzes, die Staatsleistungen abzulösen, schwinde auch die gesellschaftliche Akzeptanz für diese Leistungen.
Beamtenstatus von Pfarrern abschaffen
Nieden stellt dabei auch den Beamtenstatus von Pfarrerinnen und Pfarrern infrage. "Im Kern geht es um ein Kirchenbild: Wir wollen Leute anziehen, die Flexibilität nicht scheuen", sagte der Prälat: "Als angestellte Person kann man ohne Schwierigkeiten für einen anderen Arbeitgeber arbeiten und später wieder zurückkehren - das ist für die Kirche gut, weil ein Wechsel neue Horizonte eröffnet."
Angestellte könnten am Ende ihres Berufslebens auch einen Schritt auf der Karriereleiter zurückgehen, ohne wie Beamte die Höhe ihrer Pension zu gefährden, fügte Prälat zur Nieden hinzu. Zum Punkt Sicherheit sagte der Theologe: "Keine aktive Pfarrperson muss sich heute Sorgen um ihre Pension machen. Aber wer jetzt erst den Pfarrberuf ergreift, tritt nach 2060 in den Ruhestand. Bis dahin sinkt unsere Finanzkraft. Und die Beamtenpensionen sind auch nicht in vollem Umfang gegenfinanziert."
"Unabhängig von der kirchlichen Entwicklung"
Auch die Kosten der Beihilfe für Verbeamtete, also für deren medizinische Versorgung, seien nicht zu steuern, sagte der 61-Jährige: "Ich würde als Berufsanfänger im Angestelltenverhältnis daher ruhiger schlafen. So ist man gesetzlich rentenversichert und unabhängig von der kirchlichen Entwicklung."
Es müsse sich auch niemand Sorgen machen, als angestellter Pfarrer entlassen zu werden: "In unserer Landeskirche geht bis 2032 etwa die Hälfte aller Pfarrerinnen und Pfarrer in den Ruhestand. An vielen theologischen Fakultäten sehen wir zugleich sehr niedrige, sogar einstellige Anfängerzahlen. Selbst bei einer sehr schwierigen Entwicklung könnten wir die wenigen Pfarrpersonen, die nachkommen, immer noch bezahlen."
Jährlich mehr als 600 Millionen Euro
Man suche die enge Abstimmung mit der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und den anderen Landeskirchen, sagt der Prälat, der der theologische Stellvertreter von Bischöfin Beate Hofmann ist: "Wir möchten, dass ernsthaft und offen über die drängenden Zukunftsfragen gesprochen wird und wollen auch zu gemeinsamen Lösungen kommen."
Die Bundesländer zahlen der evangelischen und der katholischen Kirche jährlich sogenannte Staatsleistungen, zuletzt mehr als 600 Millionen Euro. Das sind Kompensationen für frühere Enteignungen von Kirchengütern während der Napoleon-Zeit. Viele Landesregierungen hatten ein Ablösen der Staatsleistungen wiederholt abgelehnt, unter anderem, weil den Kirchen Summen in Milliardenhöhe zustünden. Von diesen Zahlungen zu unterscheiden ist die Kirchensteuer als gesetzlich festgelegte Abgabe der Kirchenmitglieder. Sie wird über das staatliche Finanzamt eingezogen und an die Kirchen weitergegeben. Der Staat erhält dafür etwa drei Prozent des Steuereinkommens.