Präsident Daniel Ortega kämpft um Einfluss auf die Kirche

Auf Kreuzzug in Nicaragua

Im November wird in Nicaragua gewählt. Laut Verfassung dürfte der amtierende Präsident und Sandinist Daniel Ortega eigentlich nicht mehr antreten, doch mit Hilfe der Gerichte setzte er am Parlament vorbei seine Kandidatur für eine Wiederwahl durch. Das kritisierten die katholischen Bischöfe, seither eskaliert der Streit.

Autor/in:
Tobias Käufer
 (DR)

So richtig in Rage, war Daniel Ortega nicht mehr zu stoppen. "Gott wird uns befreien", rief der nicaraguanische Staatspräsident. Wovon er Nicaragua befreien sollte: das war die katholische Bischofskonferenz. Der Sandinist Ortega legte noch eins drauf: Die Bischöfe, sagte er, seien doch alle Parteigänger des alten Diktators Anastasio Somoza.



Der jüngste verbale Angriff des Regierungschefs gegen die katholische Kirche ist der vorerst letzte Höhepunkt in einem Streit, der seit Wochen eskaliert. Laut Verfassung dürfte Ortega eigentlich nicht mehr antreten, doch mit Hilfe der Gerichte setzte er am Parlament vorbei seine Kandidatur für eine Wiederwahl durch.



Die Bischöfe des Landes kritisierten das Vorgehen Ortegas als illegal. Erzbischof Leopoldo Brenes, warf der Wahlkommission und dem Obersten Gericht am Montag vor, als Kontrollinstanz versagt zu haben. "Wenn die Institutionen sich an die Richtlinien der Verfassung hielten, würden sie diese illegale Kandidatur nicht decken."



"Gottesdienste der Revolution"

Als am 19. Juli die regierende linksgerichtete Sandinistische Befreiungsfront den Jahrestag der Revolution mit den üblichen Feierlichkeiten beging, ließen sich auch einige katholische Geistliche von der Begeisterung anstecken. Sie zelebrierten "Gottesdienste der Revolution". Die Bischofskonferenz in Managua sah das als allzu deutliche Politisierung und kündigte Untersuchungen an.



Die Oberhirten aus Nicaragua stören sich vor allem an der Wortwahl Ortegas im Wahlkampf. Er betrachtet die Revolution mittlerweile als Gottes Werk; die Sandinistische Befreiungsfront handelt für ihn im Auftrag des Herrn. Weihbischof Silvio Baez in Managua, einer der schärfsten Kritiker Ortegas, findet das nicht gut: "Religiöse Elemente dürfen nicht für Propagandazwecke missbraucht werden."



Aber die katholische Kirche in dem mittelamerikanischen Land zeigt sich gespalten: Wichtigster Unterstützer des Präsidenten ist Kardinal Miguel Obando Bravo. Der 85-jährige emeritierte Erzbischof der Hauptstadt lobte demonstrativ die Erfolge der Regierung im sozialen Bereich. Die Tageszeitung "La Prensa" vermutet hinter dem Streit eine gezielte Strategie. "Ortega will seine eigene Bischofskonferenz und seine eigene Religion", kommentierte der Journalist Mauricio Diaz in dem Blatt. Er glaubt, dass Ortega die Spaltung gezielt vorantreiben will.



Streit zwischen Kirche und Ortega ist Wahlkampfthema

Die beiden Lager positionieren sich. Jede Geste, jedes Wort wird von den Medien und der kircheninteressierten Öffentlichkeit genau registriert: Bischof Cesar Bosco Vivas Robelo aus der Diözese Leon lud Kardinal Bravo am Wochenende zu einem Gottesdienst aus Anlass der Aufnahme der historischen Kathedrale von Leon in die Weltkulturerbe-Liste ein. In anderen Ländern würde eine solche Geste keine besondere Aufmerksamkeit erfahren. In Nicaragua aber ist die Einladung ein Medienthema.



"Ich habe den Kardinal eingeladen, weil er mein Freund ist, und eine solche Feier muss man einfach mit seinen Freunden feiern", sagte Bischof Vivas Robelo "La Prensa". Die Bevölkerung nimmt an diesen feinsinnigen Allianz- und Frontbildungen regen Anteil; der Streit zwischen Kirche und Ortega ist zu einem Wahlkampfthema geworden. Allein deswegen dürfte sich der Clinch noch eine Weile hinziehen. Denn abgestimmt wird erst am 6. November.