epd: Herr Schuster, wie nachhaltig sind solche eintägigen Gedenken wie an diesem Sonntag?
Schuster: Solche regelmäßigen Gedenkfeiern zu bestimmten Jahrestagen sind durchaus sinnvoll. Denn auch mit zunehmendem Abstand zum Geschehen ist damit dafür gesorgt, dass die Verbrechen der Nationalsozialisten immer wieder in Erinnerung gerufen und die Opfer nicht vergessen werden. Daneben ehren wir bei den Gedenkfeiern auch stets die Menschen, die die Schoah überlebt haben und bei dem Festakt dabei sind. Diese Geste finde ich ebenfalls sehr wichtig. Wir dürfen es nur bei diesen Gedenkfeiern nicht belassen, sondern brauchen zusätzlich gute Bildungsarbeit.
epd: Die Generation der Zeitzeugen stirbt langsam aus. Wie muss sich die Gedenkarbeit entwickeln, um dem Rechnung zu tragen?
Schuster: Wir sollten dafür sorgen, so viele authentische Berichte wie nur möglich zu bewahren, etwa als Ton- oder Filmaufnahmen. Auch in den Gedenkstätten selbst kann sehr viel, sehr unmittelbar gezeigt werden. Eigentlich jeder Besucher verlässt eine KZ-Gedenkstätte in einer anderen Verfassung als beim Eintritt in das frühere Lager. Deshalb liegt es mir so am Herzen, dass ein KZ-Gedenkstättenbesuch verpflichtend für alle Schüler ab der neunten Klasse sein soll.
epd: Es gibt immer mehr, vor allem jüngere Menschen, die solchen Gedenkfeiern nichts abgewinnen können. Haben Sie Verständnis dafür?
Schuster: Ich denke, wer einer Gedenkfeier einmal selbst beiwohnen kann und in die Gesichter der Menschen blickt, die die Schoah überlebt haben oder die hier um ihre Angehörigen trauern, der wird dieses Urteil schnell revidieren. Es geht ja nicht nur um die Reden, die gehalten werden. Da nehme ich mich selbst nicht aus: Nicht jede Rede spricht jüngere Zuhörer an. Aber die Gefühle, die mitschwingen bei einer Gedenkfeier, die berühren auch junge Menschen.
Die Fragen stellte Daniel Staffen-Quandt.