Stattdessen seien je nach Zielgruppe die argumentative Überzeugungskraft, die Kenntnis religiöser Quellen oder die Glaubwürdigkeit wichtiger, sagte Neumaier im Interview mit der Katholischen Nachrichtenagentur.
Diese Entwicklung ermögliche es Frauen und Minderheiten-Gruppen, stärker in den Vordergrund zu treten, gerade in der katholischen Kirche. Neumaier ergänzte aber, dass man im Netz ebenso beispielsweise Pfarrer oder andere Menschen finde, denen traditionell religiöse Expertise zugesprochen wird.
Große konfessionelle Ähnlichkeiten
Neumaier bezog sich im Interview vor allem auf religiöse Kanäle und christliche Angebote bei Plattformen wie Instagram, Twitter, Facebook oder TikTok. Dort würden seltenener als auf anderen Internet-Kanälen traditionelle Offline-Formate kopiert, so die Leiterin des Kompetenzzentrums Digitale Religiöse Kommunikation der Universität Bochum.
Sie sieht bei diesen innovativen digitalen Kanälen große konfessionelle Ähnlichkeiten. "Bei vielen Angeboten online kann man beobachten, dass deren Formsprache religionsunabhängig geprägt ist, nämlich von der üblichen Ästhetik der Plattformen", erklärte Neumaier. "Dazu kommt: Influencerinnen und Influencer bezeichnen sich teilweise selbst einfach als Christen." Die Konfessionszugehörigkeit spiele gerade für die junge Generation keine große Rolle.
"Die Hemmschwelle sinkt"
Neumaier sieht Anzeichen dafür, dass religiöse Praxis sich durch das Internet verändert. Ähnliches sei vor Jahrzehnten bei Fernseh- oder Radiogottesdiensten zu beobachten gewesen. Ein Beispiel aus ihrer Forschung: Menschen, die an Online-Gottesdiensten teilnehmen verhalten sich anders als in analogen Gottesdiensten: "Die Hemmschwelle sinkt, sich in die Gottesdienstgestaltung einzubringen, zum Beispiel Fürbitten zu verlesen, wenn man nicht aufstehen und nach vorne gehen muss, sondern in seinem Wohnzimmer sitzt", erklärte die Expertin.