80 Jahre, nachdem deutsche Bomber die englische Stadt Coventry dem Erdboden gleichmachten, steht der Volkstrauertag am Sonntag ganz im Zeichen der Versöhnung mit Großbritannien. Bei der traditionellen Gedenkstunde im Bundestag wird der britische Thronfolger, Prinz Charles, auf Einladung des Bundespräsidenten die Rede halten. Von 13.30 Uhr an übertragen das ZDF und Phoenix live aus dem Plenarsaal.
Wegen Corona werden die Reihen im Reichstag weit dünner besetzt sein als in den vergangenen Jahren. Auch vielerorts in Deutschland sind Gedenkveranstaltungen abgesagt worden, oder es finden "stille" Kranzniederlegungen an Denkmälern oder auf Friedhöfen statt. Vertreter von Parlamenten, Landesregierungen und Verbänden stellen Video-Botschaften ins Internet.
Prinz Charles mit beim Gedenken dabei
Es ist das erste Mal, dass mit Prinz Charles ein Mitglied der Königlichen Familie an der zentralen Gedenkveranstaltung zum Volkstrauertag in Deutschland teilnimmt, wie der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge als Ausrichter des Volkstrauertages mitteilte. In der Gedenkstunde soll das alliierte Engagement gewürdigt werden: bei der Befreiung Europas sowie beim Wiederaufbau, der Re-Demokratisierung und späteren Wiedervereinigung Deutschlands.
Die englische Industriestadt Coventry gilt als Symbol für die brutale deutsche Kriegsführung gegen feindliche Städte und die Zivilbevölkerung. Beim folgenreichsten Luftangriff am 14. November 1940 wurden mindestens 568 Menschen getötet und 1.000 verletzt. Im Stadtzentrum blieb kaum ein Gebäude unbeschädigt. Die Kathedrale wurde zerstört.
An diese Ereignisse erinnert am Sonntagmorgen auch ein Gottesdienst in der Berliner Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche, die ebenfalls ein Mahnmal des Zweiten Weltkriegs ist. Bei der Gestaltung des Gottesdienstes spielen eine Videobotschaft aus Coventry und ein Kranz mit 1.000 metallenen Blüten eine zentrale Rolle. Die blauen und roten Blüten sollen an Vergissmeinnicht und Klatschmohn erinnern - in Großbritannien und dem Commonwealth die wichtigsten Gedenksymbole an die Kriegstoten, weil deren Saat auf Soldatengräbern des Ersten Weltkrieges als erste aufging.
Zeichen unmittelbar nach Zerstörung
Vor 80 Jahren hatte der Domprobst von Coventry unmittelbar nach der Zerstörung der Kathedrale ein Zeichen gesetzt: "Father forgive" ("Herr vergib") ließ er an eine Wand der zerbombten Kirche schreiben.
Aus Zimmermannsnägeln des Dachstuhls ließ er Kreuze anfertigen und ein großes Holzkreuz aus verkohlten Balken aufstellen. Davon ausgehend, ist später ein weltweites Netzwerk von Nagelkreuzzentren entstanden. Die Gedächtniskirche gehört dazu. Am Sonntag erinnert der heutige Dean der Coventry Cathedral, John Witcombe, in einer Videobotschaft an die Kraft der Versöhnung.