Provokantes Plädoyer gegen das "beliebte Katholiken-Bashing"

Wie katholisch ist Deutschland - und was hat es davon?

Im Jahr, in dem "wir alle Luther sein sollen", präsentiert Autor Andreas Püttmann eine katholische Leistungsschau. Auch um zu zeigen, dass die Kirche besser ist als ihr schlechter Ruf - den sie selbst mit verschuldet hat.

Autor/in:
Gottfried Bohl
 (DR)

"Viel Feind, viel Ehr!" Ob dieses Sprichwort noch gilt - das will der katholische Publizist und Politikwissenschaftler Andreas Püttmann offenbar mit seinem neuen Buch testen. In "Wie katholisch ist Deutschland ... und was hat es davon?" bekommen alle ihr Fett weg, wie er augenzwinkernd einräumt: "Konservative Katholiken können sich aufregen über manche Verbindung zum Rechtspopulismus, die ich belege, liberalere Katholiken über mein Lob für Benedikt XVI. und seine Freiburger Rede - und Protestanten nicht nur darüber, dass ich ihre größere Nähe zu den Diktaturen des 20. Jahrhunderts aufzeige. Aber: Wenn sich alle irgendwie getroffen fühlen, kann das ja auch dafür sprechen, dass viele Analysen ins Schwarze treffen.

Dass das provokante Plädoyer mitten im Reformationsgedenkjahr erscheint, ist kein Zufall. Püttmann will - "bei aller Liebe zur Ökumene" - die Flut an Lutherbüchern um eine "kleine katholische Leistungsschau" ergänzen. Um eine "Ehrenrettung für den skandalgeschüttelten Underdog" in der öffentlichen Meinung - gegen das "beliebte Katholiken-Bashing".

Kritik an der eigenen Kirche

Von katholischem Triumphalismus ist er dabei aber weit entfernt. Überaus kritisch geht er auch mit der eigenen Kirche ins Gericht. Etwa mit dem Missbrauchsskandal, der "Limburger Geisterfahrt" und manch unheiliger Allianz zwischen katholischem und politischem Rechtspopulismus, die er anhand aktueller Studien aufdeckt: "Ein Potenzial von rund zwei Millionen Katholiken für die AfD trotz bischöflicher Warnungen ist beunruhigend groß. Dass es unter Konfessionslosen fast doppelt so hoch liegt, ist da kein Trost."

Ebenfalls mit Zahlen aus aktuellen Studien belegt der Publizist aber auch ganz andere, zum Teil kaum bekannte Spezifika der katholischen Kirche in Deutschland: Demnach ist sie nicht nur eine "starke Bastion für den Lebensschutz - von der Embryonenforschung bis zur Sterbehilfe", sondern "hat sich in beiden deutschen Diktaturen weniger stark auf die herrschende Ideologie eingelassen als die evangelische Kirche".

Evangelische Kirche mit deutlich mehr Vertrauen

Darüber hinaus, so Püttmann, hätten Katholiken klarere Maßstäbe in Moralfragen ("ohne sich selbst immer daran zu halten"), seien stärker sozial engagiert und weniger skeptisch gegenüber Muslimen, Moscheebau und islamischem Religionsunterricht als Protestanten. Unabhängig von allem katholischen Engagement für Demokratie und Gesellschaft genieße die evangelische Kirche aber deutlich mehr Vertrauen.

Der Politik-Experte sieht ein massives Imageproblem, das nicht immer rational begründet sei: "Das hängt auch damit zusammen, dass die katholische Kirche eine strengere Moral vertritt und mit Zölibat und ähnlichem unbequemer ist". Verstärkend hinzu komme eine "größere moralische Fallhöhe", die angesichts der Skandale der letzten Jahre das Vertrauensproblem verschärft habe.

"Wut- und Krawallkatholiken" im Internet

Zusammenfassend sieht Püttmann Grund zum Selbstbewusstsein und zur Demut für die Katholiken im Land. Zugleich erlebt er Kirche und Demokratie vor gewaltigen Herausforderungen - nicht nur durch einen zunehmenden Populismus von links und rechts. Kritisch geht er mit den "Wut- und Krawallkatholiken" im Internet ins Gericht, warnt aber ebenfalls vor einer Anbiederung an den Zeitgeist. Die Kirche müsse unbequem bleiben - auch mit "dem Zölibat und anderen Stacheln im Fleisch der Gesellschaft".

Für gefährlich hält er Tendenzen hin zu einer "Wagenburg-Mentalität" mit einem Rückzug auf die 100- bis 150-prozentigen Katholiken: "Jesus ist an die Ränder gegangen und hat sich nicht mit den religiös-moralischen Kraftprotzen verbündet." Der missionarische Aspekt ginge zudem verloren, und es drohten "Krankschrumpfung und Versektung".

Am Schluss wagt Püttmann den Blick nach vorne und hofft auf eine katholische Kirche, die «in Würde schrumpft und dabei demütig, aber selbstbewusst ihre wichtige Rolle ausfüllt». Große Chancen sieht er dabei für Klöster und andere geistliche Zentren mit ihrer spirituellen Anziehungskraft auch über die ohnehin schon frommen Menschen hinaus. Denn bei allem Engagement für die Gesellschaft bleibe natürlich der Glaube der eigentliche Markenkern.


Dr. Andreas Püttmann (privat)
Dr. Andreas Püttmann / ( privat )
Quelle:
KNA