Psychologen veröffentlichen Studie zu "spiritueller Langeweile"

Langeweile hält Menschen vom Gottesdienstbesuch ab

Wenn der Pfarrer Unverständliches predigt, hört ihm keiner mehr zu: Wiener Psychologen haben nachgewiesen, dass "spirituelle Langeweile" Menschen aus der Kirche fernhält. Forscher sehen dringenden Handlungsbedarf.

Symbolbild: Leere Kirchenbank / © Julia Steinbrecht (KNA)

Spirituelle Langeweile kann Menschen von religiösen Praktiken abhalten: Das zeigt eine aktuelle Studie der Universitäten Wien und Sussex, die (Link ist extern)am Mittwoch im Fachjournal "Communications Psychology" erschienen ist. Studienleiter Thomas Götz rät der Kirche dazu, diesem Phänomen mehr Aufmerksamkeit zu schenken und ihm durch ansprechendere Predigten entgegenzuwirken. "Die Kirche sollte das Thema Langeweile durchaus ernst nehmen", betonte der Wiener Bildungsforscher und Psychologe im Interview mit der Nachrichtenagentur Kathpress.

Götz und sein Team zeigten auf, dass Langeweile in Predigten die Motivation zur Teilnahme an Gottesdiensten erheblich senken kann. "Wenn Menschen sich langweilen, schweifen sie gedanklich ab, empfinden die Inhalte als irrelevant und kommen künftig seltener oder gar nicht mehr", so der Professor für Bildungspsychologie und gesellschaftliche Veränderungen. Die "spirituelle Entwicklung" der Menschen, die laut Götz gerade in Zeiten globaler Krisen wünschenswert wäre, könne dadurch erheblich gehemmt werden.

Predigten am wenigsten ansprechend

Untersucht wurde spirituelle Langeweile in verschiedenen Kontexten wie Gottesdiensten, Pilgerreisen, Schweigeexerzitien, Yoga und Meditation. Predigten wurden dabei als am wenigsten ansprechend wahrgenommen, mit einem Wert von 3,6 auf einer Notenskala von 1 bis 5, während Pilgern mit 1,3 das beste Ergebnis erzielte.

"Predigten sind oft zu abstrakt und wenig lebensnah. Viele Kirchenbesucher können keinen persönlichen Bezug zu den Inhalten herstellen", berichtete Götz über die Befragung von mehr als 1.200 Erwachsenen vor allem aus dem deutschsprachigen Raum. Probleme seien auch Über- oder Unterforderung, verbunden mit fehlender Möglichkeit zur Interaktion durch frontalen Vortragsstil - was in Summe Langweile entstehen lasse.

Zwar gehört laut den an Kirchenausgängen durchgeführten Fragebogen-Erhebungen für die meisten Menschen die Predigt nicht zu den Hauptgründen für einen Gottesdienstbesuch. Genannt wurde dabei viel eher, "dass man dort Ruhe erleben kann", oder der Verweis auf die Tradition der Sonntagsmesse in der Familie. 

Oft stünden auch andere Elemente des Gottesdienstes wie etwa die geistlichen Lieder oder das Miterleben der Eucharistiefeier im Vordergrund. Häufig sei dennoch eine als langweilig empfundene Predigt "ein Grund, nicht mehr regelmäßig zu kommen", so Götz.

Lebensrealitäten aufgreifen

Um Langeweile im Gottesdienst zu verringern, empfahl der Studienleiter den Predigern eine stärkere Orientierung an der Lebensrealität der Zuhörerschaft. Sie täten gut daran, aktuelle Themen aufzugreifen, Interaktion wie Diskussionsrunden oder Reflexionsphasen einzubauen und bei kleineren Gemeinden die Gläubigen einzubinden. 

Digitale und visuelle Elemente, ergänzende Materialien sowie Videos könnten zudem zu einer intensiveren Auseinandersetzung beitragen und die Aufmerksamkeit erhöhen. Für andere Elemente des Gottesdienstes riet Götz, immer wieder an deren Bedeutungsinhalt und Vorteile zu erinnern, "um deren positive Effekte zu maximieren".

Anders als die Predigt wird das Pilgern als attraktiv empfunden. Götz begründete dies vor allem durch die Abwechslung: "Man erlebt Natur, Bewegung und soziale Interaktion sowie Herausforderungen durch Wetter oder Streckenführung, was die Erfahrung dynamisch macht. Zudem kann jede und jeder seinen eigenen Rhythmus bestimmen, Pausen einlegen oder Gespräche führen." Diese Freiheit verhindere Langeweile, die in festgelegten Formaten wie etwa Predigten leichter entstehen könne.