DOMRADIO.DE: Immer rund um den Gedenktag von Joachim und Anna am 26. Juli gibt es am vierten Sonntag in Juli den Welttag der Großeltern und Senioren, Papst Franziskus hat den 2021 eingeführt. Was ist denn eigentlich ein Senior, eine Seniorin?
Ingrid Rasch (Diplom-Psychologin und ehemalige Leiterin der katholischen Beratungsstelle für Eltern, Kinder und Jugendliche im Erzbistum Köln): Das ist eine schwierige Frage, in der Regel macht man das am Alter fest. Aber ist das jetzt jemand mit 60, 70 oder 100 Jahren? Wo fängt das an?
Das Rentenalter ist meistens ein Aspekt, den man einbringt und sagt, ab da fängt das an. Es ist auch eine Frage der persönlichen Einstellung.
DOMRADIO.DE: Sie sind ehrenamtlich stark in Ihrer Pfarrei aktiv. Ab wann bekommt man denn Geburtstagsbesuche von der Gemeinde?
Rasch: Wir besuchen einmal zum 75. Geburtstag und danach ab dem 80. Lebensjahr jedes Jahr.
DOMRADIO.DE: Das ist ein Beispiel für das Engagement für Seniorinnen und Senioren, dass sich jemand kümmert und zum Geburtstag vorbeikommt. Welche Rolle spielt denn das Pfarrbüro?
Rasch: Das spielt eine ganz wichtige Rolle. Deshalb liegt mir das sehr am Herzen. Es kommen viele Anrufe an das Pfarrbüro.
Bei den Geburtstagsbesuchen zum Beispiel nehmen wir eine schön gestaltete Karte mit guten Wünschen mit. Da steht natürlich die Telefonnummer des Pfarrbüros drauf. Dann rufen die Menschen schon mal an und sagen, sie bräuchten mal eine Begleitung zum Arzt oder bräuchten mal dieses oder jenes.
Es passiert eher nicht, dass jemand anruft und sagt, er oder sie sei einsam. Aber bei den Besuchen können wir schon wahrnehmen, ob jemand sehr allein ist oder ein breites soziales Umfeld hat.
DOMRADIO.DE: Zum Welttag der Großeltern fordern Bischöfe zum Engagement gegen Einsamkeit im Alter auf. Ist es denn Ihrer Erfahrung nach so, dass es daran fehlt?
Rasch: Ich habe keinen kompletten Überblick, aber ich nehme schon wahr, dass es viele Initiativen gibt, dieser Einsamkeit entgegenzuwirken. Aber ich nehme auch wahr, dass es für viele alte Menschen nicht so einfach ist, sich hinaus zu bewegen und sich auf was Neues einzulassen.
DOMRADIO.DE: Damit meinen Sie nicht jemanden, der körperlich nicht in der Lage ist, weil er zum Beispiel auf den Rollstuhl angewiesen ist?
Rasch: Das wäre zum Beispiel auch eine Möglichkeit, dass man sagt, dass man da jemanden braucht, der den Menschen unterstützt.
Aber es gibt Menschen, die sehr wohl mobil sind, für die es aber im Laufe ihres Lebens eine Schwierigkeit gewesen ist, sich auf neue Situationen einzulassen. Oder Menschen, die es gern perfekt haben möchten. Denn wenn man in einer Gruppierung von Menschen ist, sind einem selten immer alle super sympathisch.
Dann ist das Ganze für solche Menschen manchmal schon nichts. Das erlebe ich auch bei Besuchen im Altenheim, dann heißt es ja zum Beispiel, man komme mit Frau oder Herrn XY nicht so gut zurecht. Das muss man aber manchmal hinnehmen.
DOMRADIO.DE: Also manche ältere Menschen erleben durchaus Engagement und Entgegenkommen, wollen das aber nicht annehmen?
Rasch: Oder sie können es vielleicht auch nicht, weil in ihrer Lebensgeschichte wenig Möglichkeit da war, das einzuüben. Dann braucht es natürlich noch mal mehr Engagement und Einfühlsamkeit, um den Menschen zum Beispiel anzubieten, dass da jemand ist, der mit ihnen in den Seniorenclub geht, der sehr gut besucht wird. Die Menschen haben dort viel Freude miteinander. Aber bis man Fritz Meier oder Lieschen Müller bewogen hat, dahin zu gehen, braucht es meistens jemand, der sagt: Ich geh mit.
Das Interview führte Uta Vorbrodt.