Publizistin Bednarz kritisiert rechte Christen in der Kirche

"Beim Marsch für das Leben schaut die Kirche nicht so genau hin"

Das bayrische Kompetenzzentrum Demokratie und Menschenwürde veranstaltet eine Tagung zur katholischen Kirche und der radikalen Rechten. Liane Bednarz sieht verbindende Themen zwischen Rechtspopulisten und rechten Christen.

Marsch für das Leben / © Gordon Welters (KNA)
Marsch für das Leben / © Gordon Welters ( KNA )

KNA: Frau Bednarz, warum braucht die Kirche eine eigene Initiative gegen Rechtsextremismus und für Demokratie, die jetzt die Tagung in Nürnberg veranstaltet?

Dr. Liane Bednarz (Publizistin und Expertin für rechte Christen): Ich würde nicht von Rechtsextremismus sprechen, sondern von einer Abgrenzung zwischen gut-katholischem konservativen Gedankengut und jener kleinen, aber nicht unbedeutenden Teilmenge konservativer Katholiken, die die Grenze zum Rechtspopulismus überschreiten und rechtspopulistische Positionen übernehmen. Dass die katholische Kirche das benennt und sich abgrenzt, ist wichtig.

Liane Bednarz (privat)

KNA: Was sind denn die Themen, die anschlussfähig sind?

Bednarz: Ein großes Thema ist Abtreibung. Das sage ich als jemand, der selbst kritisch zu Abtreibungen steht. Es sind gerade rechte Parteien wie die AfD, die sehr auf dieses Thema setzen. Was aber viele konservative Christen übersehen: Bei der AfD wird Abtreibung im Grundsatzprogramm aus dem Jahr 2016 unter dem Stichwort "Mehr Kinder statt Masseneinwanderung" mit dem Thema Migration verknüpft. Da geht es dann um Familienpolitik für Deutsche, weil Migranten mehr Kinder als "deutschstämmige Frauen" zur Welt brächten. Das passt natürlich gar nicht zum christlichen Menschenbild.

KNA: Gibt es noch weitere Themen?

Bednarz: Es gibt vor allem noch zwei: Gender und Islamisierung. Man kann bei Gender manche Übertreibung kritisch sehen, aber die Christen mit Rechtsdrall greifen sich besonders schrille Stimmen der Genderforschung heraus, die aber nicht maßgeblich sind für die Forschung. Sie nutzen diese, um zu polemisieren. Es gibt einen Hirtenbrief des früheren Salzburger Weihbischofs Andreas Laun aus dem Jahr 2017. Darin sagt er, dass Nationalsozialismus und Kommunismus unendlich viel Leid über die Menschen brachten und gewaltige Lügen.

Das stimmt. Aber dann sagt Laun im nächsten Satz, dass "wieder eine grauenhafte Lüge groß und mächtig geworden" sei. Ihm zufolge nennt sie sich "Gender, sie greift die Menschen in ihrer Intimsphäre an". Damit stellt er Gender de facto auf eine Stufe mit dem Holocaust und dem Gulag.

KNA: Und wie wird beim Islamismus argumentiert?

Bednarz: Gewiss gibt es problematische Tendenzen im Islam, und es ist falsch, wenn man sagt, islamistische Anschläge hätten gar nichts mit dem Islam zu tun. Aber es wird nicht differenziert, unterschlagen, dass ein Gros der Muslime in Deutschland nicht so denkt. So wird jeder konstruktive Dialog unmöglich. Man verteufelt den Islam in toto, spricht ihm sogar teilweise ab, Religion zu sein.

KNA: Zurück zum Thema Abtreibung: Die katholische Kirche zählt zu den letzten großen Institutionen in Deutschland, die kritisch bis ablehnend dazu steht. Achtet sie genug drauf, sich da nach rechts abzugrenzen?

Bednarz: Im Grunde schon. Nur beim "Marsch für das Leben" schaut die Kirche nicht so genau hin. Stattdessen schickt sie in Person des Vorsitzenden der Bischofskonferenz sogar Grußworte. Beim "Marsch für das Leben" werden zwar nicht per se rechte Parolen verbreitet, aber es gibt personelle Verflechtungen. Alexandra Maria Linder etwa vom "Bundesverband Lebensrecht", der den Marsch organisiert, hat schon in der "Bibliothek des Konservatismus" gesprochen, die zum Umfeld der "Jungen Freiheit" gehört. Außerdem hat einer der Trägervereine des Bundesverbands der Bibliothek einen Bücherbestand zum Lebensrecht spendiert. Die AfD-Politikerin Beatrix von Storch war beim diesjährigen "Marsch für das Leben" auch wieder mit dabei. Wenn man schon Grußworte schickt, dann sollte man diese kritischen Punkte auch ansprechen.

Dr. Liane Bednarz, Publizistin und Expertin für recht Christen

"Wenn man schon Grußworte schickt, dann sollte man diese kritischen Punkte auch ansprechen"

KNA: Es heißt oft, Katholiken seien besonders immun gegen rechtes Gedankengut. Stimmt das?

Bednarz: Es gibt leider Leute, die sich als sehr fromm erachten – auch unter den Evangelikalen – denen aber nicht ganz klar ist, mit wem sie da sympathisieren und was für Feindbilder sie adaptieren. Sie halten sowohl den "gemäßigteren" Teil der AfD oder die am rechten Rand der Unionsparteien angesiedelte "Werteunion" für ganz normal konservativ. Nicht selten ist es schlichte Unkenntnis. Wenn man dann sagt, dass da Grenzen überschritten werden, sind sie sehr gekränkt.

KNA: Sie haben es schon angesprochen: Auch Bischöfe sind nicht gefeit vor Hinweisen auf die NS-Zeit im Zusammenhang mit aktuellen Debatten. Jüngstes Beispiel war Kurienkardinal Kurt Koch. Ist die Aufregung berechtigt?

Bednarz: Auf jeden Fall. Der Fall zeigt, welches Dilemma Benedikt XVI. mit seiner Aussage von der "Diktatur des Relativismus" angerichtet hat. In dem Interview redet Kardinal Koch mehrfach von dieser angeblichen Diktatur. Aber das ist maßlos überzogen. Es gibt ein Spannungsverhältnis zwischen dem Wahrheitsanspruch des Christentums, der unterschiedlich interpretiert wird, und der vorsichtigen Anpassung an das Fortschreiten der Zeit. Das Problem ist, dass manche Leute, die sich für sehr konservativ und fromm halten, glauben, dass ihre eigene Haltung die einzig wahre sei. Und anstatt zu streiten, steigern sie sich in diese Vorstellung hinein, dass es eine Diktatur des Relativismus gebe. So kann es dann zu solchen nicht akzeptablen Äußerungen wie der von Kardinal Koch kommen mit einer Bezugnahme zur NS-Diktatur kommen. Das sage ich ausdrücklich als jemand, der den Synodalen Weg in vielfacher Hinsicht durchaus kritisch sieht.

KNA: Als einen Verbündeten in Sachen Abtreibung und Gender haben rechte Christen lange Wladimir Putin angesehen. Ist das noch so?

Bednarz: Hier hat eine Spaltung in dem Milieu stattgefunden. Die einen verbreiten weiter Putin-Propaganda, die anderen wenden sich von ihm ab. Aber letztere lügen sich in die Tasche, weil sie teilweise weiter die gleichen Feindbilder pflegen wie Putin und Patriarch Kyrill, besonders beim Thema Homosexualität. Leider sorgt der Papst hier auch für Verwirrung statt Klarheit.

KNA: Warum?

Bednarz: Franziskus hat lange den völkischen Aggressor in diesem Krieg nicht klar benannt. Das Verhältnis zu Kyrill wollte er nicht aufs Spiel setzen. Er ist sogar trotz vielfacher Kritik im Vorfeld im September nach Kasachstan zum "Weltkongress der Religionen" gereist, um auch Kyrill zu treffen. Doch Kyrill hat den Papst dann gedemütigt, indem er seine Teilnahme absagte. Das ist problematisch. Inzwischen ist Franziskus zwar deutlich kritischer gegenüber Russland geworden, aber der Schaden ist angerichtet.

Das Interview führte Christian Wölfel.

Quelle:
KNA