domradio.de: Dieser Kardinalsrat ist ja sozusagen das Vertrauensgremium des Papstes, was sagt das denn jetzt aus, dass diese Kardinäle sich offiziell hinter den Papst stellen, ihren Rückhalt zusagen - eigentlich ist das doch klar, oder?
Bernd Hagenkord (Leiter der deutschsprachigen Abteilung von Radio Vatikan): Ich würde sagen, eine Nachricht wäre es, wenn es andersherum wäre. Wenn sie sagen würden, wir stehen da nicht hinter. Jetzt mal ganz im Ernst, dass es Widerstände gibt, ist seit 2000 Jahren nichts Ungewöhnliches. Es gibt jetzt ein paar stärkere Anfragen, auch über die Weltkirche verteilte Fragen. Die vier Kardinäle mit ihrem Brief zum Beispiel war eine sehr ernsthafte Sache. Da sammeln sich sehr viele Zweifler und auch sehr viele Kritiker hinter. Da kann man schon mal deutlich sagen: "Wir stehen für die Reform, wir stehen dafür, was der Papst den missionarischen Einsatz der Kirche nennt." Ich würde es aber nicht all zu hoch hängen. Es ist gut, es ist wichtig, ein Signal, aber mehr auch nicht.
domradio.de: Das Gremium an sich ist ja auch neu - von Papst Franziskus einberufen, um Reformen auf den Weg zu bringen. Das wird nicht von jedem so gerne gesehen, oder?
Hagenkord: Natürlich. Keine einzige Organisation der Welt kann sich selbst reformieren und mag es, wenn sie reformiert wird. Es gibt so eine Apparatslethargie, würde ich sagen, die nicht bösartig ist, die es aber nun mal überall gibt. Das ist das Eine. Dann gibt es Leute, die sicherlich mit der inhaltlichen Ausrichtung unzufrieden sind. Dann gibt es Leute, die ein bisschen nostalgisch sind. Was ich damit sagen will: Es gibt ganz viele verschiedene Motivationen, aus denen heraus Widerstand, Kritik, Zögern oder Hinhalten oder was auch immer passiert. Das jetzt über einen Kamm zu scheren, finde ich schwierig. Da gibt es eben ganz, ganz verschiedene Sachen. Da kann man jetzt sagen: "Wir stehen hinter dem Papst, wir sind für die Reform." Aber ich glaube, wenn es an die konkreten Widerstände geht, da muss man nochmal genauer hingucken, wer sagt hier eigentlich was zu wem. Dann kann man da besser mit umgehen.
domradio.de: Um welche Reformen geht es da konkret?
Hagenkord: Also, der große Aufhänger ist natürlich "Amores laetitia" und die Frage nach der Zulassung von wiederverheirateten Geschiedenen zur Kommunion und zur Beichte. Das ist sozusagen der Aufhänger. Aber, wenn man zurückblicken würde, findet man in den letzten Jahren auch genug Aufhänger, etwa die Ansprache an die Kurie, die Stilfragen des Papstes und solche Sachen. Also, man findet immer Punkte an denen man seine Kritik aufhängen kann.
domradio.de: Der Kardinalsrat hat dem Papst jetzt nochmal ganz ausdrücklich für die Weihnachtsansprache gedankt. Darin hat er gesagt, ihm gehe es um einen "Prozess des Wachstums und vor allem der Bekehrung". Das empfindet dieses Gremium als großen Rückenwind. Bedeutet also: Reformen stehen weiter ganz oben und man lässt sich da nicht beirren.
Hagenkord: Das ist das Eine, aber, es sind eben zwei Dimensionen von Reformen, die der Papst genannt hat. Das Eine ist im Prozess, das geht nicht durch Schalter umlegen, es ist nichts, was ich von heute auf morgen dekretieren kann. Daher kommt ja auch sehr viel von der Unsicherheit. Ich weiß eben nicht, wie es morgen und übermorgen aussieht, sondern muss eben diese Spannung aushalten. Und das Zweite ist eben, das sehr geistliche Wort der Bekehrung. Das ist nicht nur ein Spruch, das meint er wirklich so. Das ist wirklich etwas, wo wir uns bekehren müssen, in unserem Lebensstil, was die Umwelt angeht und so weiter und so weiter. Es geht nicht nur um Strukturreform im Vatikan oder der deutschen Kirche oder wo auch immer, sondern auch um eine geistliche Grundhaltung.
domradio.de: Hat der Papst auf diese Erklärung der Kardinäle reagiert?
Hagenkord: Vielleicht hinter verschlossenen Türen, aber jedenfalls nicht nach draußen.
Das Interview führte Verena Tröster.