DOMRADIO.DE: "Gegen den Strom". Das klingt ein bisschen nach Protest oder danach, kritisch zu bleiben. Warum haben Sie sich für dieses Motto entschieden?
Dr. Udo Wallraf (Mitorganisator der Radwallfahrt): In der Tat hat das diesen Hintergrund. Es ist ein Aspekt dieser Tour. Zunächst muss man aber auch ganz klar sagen, dass unsere Strecke rheinaufwärts führt, also gegen den Rheinstrom. Aber natürlich ist das Thema letztendlich im übertragenen Sinne zu verstehen und soll zeigen, dass wir – wir als Christen, aber auch wir als Menschen und als Gesellschaft – Dinge kritisch hinterfragen sollten.
Auch in der Kirchengeschichte stoßen wir immer wieder auf Personen, die in irgendeiner Weise gegen den Strom gearbeitet, gedacht oder gehandelt haben. Das beginnt bei den Heiligen Drei Königen, die sich auf den Weg gemacht haben, ohne genau zu wissen, wohin sie geführt werden. Es endet bei der heiligen Adelheid in Vilich, wo wir Radpilger später ankommen werden. Sie hat sich durch ihr für die damalige Zeit ungewöhnliches Verhalten, das von großer Menschlichkeit und Mitgefühl geprägt war, ebenfalls gegen den Strom gestellt oder zumindest dem Zeitgeist widersprochen.
DOMRADIO.DE: Sie pilgern mit dem Rad stromaufwärts von Köln bis nach Bonn. Wasser spielt da zwangsläufig eine große Rolle. Der Rhein führt jede Menge Wasser, und Sie beziehen sich auch auf Psalm 21, "Wasser des Lebens". Wie kam es dazu?
Wallraf: Das ist natürlich ein ganz wichtiger Punkt. Wasser ist ein Grundelement des Lebens . Ohne Wasser gäbe es kein Leben. Auch das ist wieder im übertragenen Sinne zu verstehen, denn das Wasser des Lebens ist das, was wir als Christen mit unserer Religion verbinden und was unserem Leben einen Sinn gibt.
Wir starten hier in Köln, im Hohen Dom, wo sich das älteste Baptisterium des Rheinlandes befindet. Es liegt an der Chorseite des Doms und ist die Taufstelle, an der Menschen durch das Wasser zum geistigen und spirituellen Leben geführt wurden. Wasser ist also ein Grundelement, mit dem wir nicht nur physisch, sondern auch geistig leben. Insofern haben wir hier ein sehr zentrales Thema für unsere diesjährige Radwallfahrt.
DOMRADIO.DE: Sie haben auch verschiedene Stationen. Was sind das für besondere Stationen, die Sie sich in diesem Jahr ausgesucht haben?
Wallraf: Es sind verschiedene Kirchen und Kapellen, aber nicht nur. Es geht auch um historische und gesellschaftlich relevante Themen, die wir ansprechen. Wir haben insgesamt vier Referenten dabei. Es geht aber nicht nur um Historisches.
Zum Beispiel fahren wir zu einem Krankenhaus in Ensen. Dort erinnern wir uns an die Zeitgeschichte, insbesondere an das, was in der Nazizeit passiert ist, etwa die Euthanasie. Das ist ein schwieriges, aber wichtiges Thema. Hier geht es darum, die Erinnerung wachzuhalten und ins Gespräch zu bringen, um nicht nur das "Fromme" zu pflegen.
Eine weitere Station findet in der Nähe von Mondorf auf freier Fläche statt. Das Gebiet ist eine Naturschutzregion, doch es gibt Planungen für den Bau einer Autobahn und möglicherweise einer Autobahnbrücke. Das würde dieses unberührte Gebiet zerstören. An dieser Station sprechen wir über das Thema Schöpfung und erinnern an die Enzyklika „Laudato Si“ von Papst Franziskus, in der 2015 klar gesagt wurde, dass wir uns stärker um die Bewahrung der Schöpfung, unserer Welt und Umwelt kümmern müssen.
Das Interview führte Oliver Kelch.