Schon wieder hat Franziskus neue Kardinäle benannt, schon wieder ist kein Deutscher dabei. Am 30. September wird das katholische Kirchenoberhaupt bei einem Konsistorium den 21 neu berufenen Männern ihr purpurrotes Birett, die typische Kopfbedeckung der Kardinäle, überreichen.
Dann werden es insgesamt 142 Geistliche sein, denen der Papst seit Beginn seiner Amtszeit vor rund zehn Jahren die Kardinalswürde verliehen hat. Darunter sind nur zwei Deutsche: Der frühere Präfekt der vatikanischen Glaubensbehörde Kardinal Ludwig Müller erhielt sein Birett 2014 beim ersten Konsistorium nach Franziskus' Amtsantritt.
Wenige Jahre später fiel er in Ungnade und verlor sein Amt als oberster Glaubenshüter. 2015 folgte überraschend mit bereits über 80 Jahren der mittlerweile verstorbene Vatikandiplomat Karl-Josef Rauber.
Deutsche gehen wieder leer aus
Seitdem gehen die Deutschen leer aus. Würde es am Tag nach dem Konsistorium am 30. September eine Papstwahl geben, dürften neben Müller nur noch der Münchner Erzbischof Reinhard Marx sowie Rainer Maria Woelki aus Köln mit wählen.
Die Kardinäle Friedrich Wetter, Walter Brandmüller, Walter Kasper und Paul Josef Cordes haben die Altersgrenze von 80 Jahren schon lange überschritten. Noch bei den Papstwahlen der Jahre 2005 und 2013 waren jeweils sechs deutsche Kardinäle beteiligt. Gemessen an der Zahl seiner Katholiken war Deutschland damals deutlich überrepräsentiert - was auch an der Personalpolitik von Papst Paul VI. und Johannes Paul II. lag.
In diesem Sinne hat der Einfluss der Deutschen tatsächlich, weil zählbar, abgenommen. Werden sie also von Franziskus abgestraft? Die Frage berührt eine Angst, die sich hierzulande seit dem Amtsantritt des Argentiniers nach und nach festgesetzt hat: Dass der Papst, der eine "Kirche an den Rändern" fordert, die Deutschen mit ihrem verkopften Reformprojekt Synodaler Weg als elitär und besserwisserisch empfindet und sie nicht besonders mag.
Manches spricht dafür, dass Franziskus wirklich so über Deutschlands Bischöfe in ihrer Mehrheit denkt. Und dass ihm die "Kirche an den Rändern" wichtiger ist, kann man durchaus aus diesen und früheren Kardinalsernennungen ablesen. Die Europäer bilden mit 53 Wahlmännern nach dem kommenden Konsistorium zwar immer noch die größte Gruppe.
Franziskus hat aber nach und nach Kardinäle aus Lateinamerika, Afrika und Asien hinzugenommen, auch aus solchen Regionen, die bislang keine große Rolle spielten.
Nicht so wichtig waren für Franziskus hingegen klassische Kardinalssitze wie etwa Mailand. Die jetzige Nominierung von Jose Cobo Cano wirkt da schon wieder wie ein Ausreißer aus diesem Muster: Erst im Juni hat ihn der Papst zum Erzbischof der spanischen Hauptstadt-Diözese Madrid berufen. Bemerkenswert ist auch die Kardinalsernennung des italienischen Ordensmanns Pierbattista Pizzaballa, seit 2020 lateinischer Patriarch in Jerusalem. Er ist zuständig für die römisch-katholischen Christen in einer Region, die von interreligiösen und interkonfessionellen Spannungen geprägt ist.
Franziskus würdigt diese Arbeit nun mit der Verleihung des Kardinalsrangs und versucht, das Amt zu festigen.
Als Anerkennung für die Kirche vor Ort interpretiert auch der kolumbianische Erzbischof Luis Jose Rueda Aparicio seine Benennung zum Kardinal. Die Kirche in Kolumbien habe gelitten und sich für den Frieden eingesetzt, sagte er dem Online-Portal Vatican News. Der Besuch des Papstes 2017 in dem von bewaffneten Konflikten betroffenen Land sei ein starkes Zeichen gewesen. "Er hat uns gezeigt, dass es möglich ist, dass Opfer und Schlächter sich begegnen", sagte Rueda Aparicio. Diese Kultur der Geschwisterlichkeit und Vergebung führten alle Bischöfe in Kolumbien fort.
Mehr spanisch- und portugiesischsprachige Wahlmänner
Insgesamt ist die Zahl der spanisch- und portugiesischsprachigen Wahlmänner unter Franziskus deutlich angewachsen. Sie liegt ab dem 30. September bei über 50, wovon acht auf Spanien und vier auf das kleine Portugal entfallen. Aus dem Heimatland des Papstes, Argentinien, kommen unter den neu benannten Kardinälen gleich drei: der künftige Glaubenspräfekt Victor Fernandez sowie der Erzbischof von Cordoba, Angel Sixto Rossi. Und nicht zu vergessen der Älteste unter den Neuen: Der argentinische Kapuzinerpater Luis Pascual Dri (96), seines Zeichens Beichtvater von Papst Franziskus.
Zum Konsistorium werde er es aus gesundheitlichen Gründen vermutlich nicht schaffen, sagte Dri kürzlich der Tageszeitung "Avvenire". Er habe zuerst an einen Scherz geglaubt, als er von seiner Benennung erfahren habe. "Und dann musste ich weinen. Ich habe stundenlang geweint."
Freudentränen in Argentinien, Rätselraten in Deutschland. Für den Papst spielen offenbar auch sprachliche und kulturelle Nähe sowie persönliche Beziehungen eine Rolle bei den Kardinalsernennungen.
Vielleicht sind beim übernächsten Mal trotzdem wieder Deutsche mit dabei. Wirklich feste Muster sind nämlich nicht zu erkennen - und Franziskus bleibt für Überraschungen gut.