Rechtsanwalt rät Erzbistum Köln zu Gründlichkeit

"Recht ist einklagbar, Moral ist es nicht"

Viel ist in den vergangenen Wochen über die angekündigte Missbrauchsstudie im Erzbistum Köln diskutiert worden. Nun meldet sich der Vorsitzende des Bundes Katholischer Rechtsanwälte, Roger Zörb, zu Wort und macht seinem Ärger Luft.

Symbolbild Anwälte im Gespräch / © Korawat photo shoot (shutterstock)
Symbolbild Anwälte im Gespräch / © Korawat photo shoot ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Das Gutachten zur Aufklärung sexualisierter Gewalt, das das Erzbistum Köln bei einer Münchner Anwaltskanzlei in Auftrag gegeben hat, soll massive methodische Mängel enthalten. Deshalb wird es erst im März zusammen mit einem zweiten Gutachten öffentlich gemacht. Worum geht es bei den methodischen Mängeln?

Roger Zörb (Bund Katholischer Rechtsanwälte): Die methodischen Mängel scheinen aus einer Verletzung der Persönlichkeitsrechte zu resultieren. Das Stichwort gab Professor Thomas Fischer in seinem Aufsatz im Magazin "Der Spiegel" am 5. Februar, als er da auch sehr ausführlich auf die Äußerungsrechte eingegangen ist. Das ist ein Aspekt, der mir in dieser Angelegenheit doch wichtig erscheint. Diese Äußerungsrechte sind keine Spiegelfechtereien, sondern gehören zu den Kernelementen des Rechtsstaates.

DOMRADIO.DE: Aber es ist doch auch so, dass Thomas Fischer dieses Münchner Gutachten nicht kennt. Wie kann man da urteilen?

Zörb: Kardinal Woelki selber ist kein Jurist und hat das Gutachten nach dem, was bekannt ist, durch eine wirklich renommierte Kanzlei prüfen lassen. Die sind zu dem Ergebnis und zu dem Rat an den Kardinal gekommen, es nicht zu veröffentlichen. Das hat er getan und damit hat er richtig gehandelt - im Vertrauen auf die Ratschläge seiner Experten.

DOMRADIO.DE: Es heißt nun, dass das Münchener Gutachten Persönlichkeitsrechte verletze, ist das richtig?

Zörb: Möglicherweise. Wir kennen das Gutachten alle nicht. Deswegen plädiere ich dafür, auf die Veröffentlichung des neuen, umfangreichen Gutachtens zu warten, das dann hoffentlich den Anforderungen genügt.

DOMRADIO.DE: Was muss man sich denn unter dem angeführten Äußerungsrecht vorstellen?

Zörb: Das Äußerungsrecht ist das Recht, welches sich mit unwahren oder auch verleumderischen Aussagen beschäftigt. Der Schwerpunkt da sind möglicherweise unwahre Tatsachenbehauptungen. Jeder hat einen Anspruch darauf, dass die rechtliche Prozedur sauber und fair verläuft. Deswegen plädiere ich sehr entschieden für die Einhaltung aller relevanten rechtsstaatlichen Grundsätze.

DOMRADIO.DE: Es geht ja um die persönlichen Grundrechte der in dem Gutachten erwähnten Kleriker, denen Vertuschung von sexualisierter Gewalt gegen Kinder beschuldigt werden. Ist es nicht viel wichtiger, auf die Opfer zu blicken?

Zörb: Ja, selbstverständlich. Die Opferperspektive ist ganz wesentlich. Deswegen plädiere ich auch entschieden für Aufklärung. Da stehe ich selbstverständlich auf der Seite der betroffenen Opfer. Gerade zur Aufklärung ist es aber wichtig, die Grundsätze einzuhalten.

Dafür ist es wichtig, an der Stelle so sauber zu arbeiten, auch mit einer Gründlichkeit, dass es den Opfern zur Gerechtigkeit genügt. Die Gerechtigkeit besteht natürlich im Wesentlichen in der Anerkennung des Unrechts, das ihnen geschehen ist. Und zwar nicht nur in einzelnen Fällen, sondern so, wie das jetzt Kardinal Woelki angekündigt hat, in einer lückenlosen Aufklärung aller Umstände. So wie ich das erfahren habe, geht es ja um 236 bislang bekannt gewordene Fälle, die durch die neue Kanzlei untersucht werden. Das dann gebündelt zu präsentieren und zu bewerten, das wird den Opfern gerecht.

DOMRADIO.DE: Warum ist es für die Opfer denn so wichtig, dass hier ein solides Gutachten vorliegt?

Zörb: Es geht am Ende immer um die Wahrheit, darum, sich der Wahrheit zu nähern und auch darum, daraus Konsequenzen zu ziehen.

DOMRADIO.DE: Bei der Aufklärung muss man zwischen der moralischen Verantwortung, der strafrechtlichen und der kirchenrechtlichen Verantwortung trennen. Dem Münchener Gutachten wird vorgeworfen, dass es diese Trennlinie nicht sauber einhält. Warum ist diese Trennung denn unbedingt geboten?

Zörb: Recht ist einklagbar, Moral ist es nicht.

DOMRADIO.DE: Am 18. März soll das neue, rechtssichere Gutachten vorgestellt werden. Danach gibt es auch eine Einsicht in das Münchner Gutachten. Ist es Ihrer Ansicht nach sinnvoll, das Münchener Gutachten nicht jetzt schon zu veröffentlichen?

Zörb: Es ist wichtig, das umfängliche Gutachten abzuwarten und das alte Gutachten zurückzuhalten und damit die Rechtsordnung zu beachten. Gerade durch die Präsentation des neuen Gutachtens von der Kanzlei von Professor Gerke wird auch klar werden, warum das ältere Gutachten ungeeignet ist.

DOMRADIO.DE: Sie sitzen als Rechtsanwalt in Hamburg und haben damit durchaus eine gute Außenperspektive hier auf das Erzbistum Köln. Wie erleben Sie die aufgeladene Stimmung in Köln?

Zörb: In Hamburg erlebe ich das so nicht. Wir sitzen aber mit unserer Geschäftsstelle des Bundes katholischer Rechtsanwälte quasi im Schatten des Doms in Köln in der Georgstraße. Durch den Austausch mit den Kollegen vor Ort bekomme ich natürlich viel mit und stelle in der Tat fest, dass die Stimmung brodelt.

Ich persönlich habe den Eindruck, dass es hier darum geht, dass ein unliebsamer Kardinal zum sofortigen Rücktritt gedrängt werden soll. Er soll mürbe gemacht werden, noch bevor die Fakten auf dem Tisch sind. Das hat mich geärgert und deswegen habe ich auch diese Stellungnahme abgegeben.

Das Interview führte Johannes Schröer.


Quelle:
DR
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