Außerdem wird festgelegt, wie die Gewerkschaften künftig bei den Verhandlungen über kirchliche Arbeitsvertragsbedingungen beteiligt werden. Die katholischen Bischöfe veröffentlichten am Dienstag in Bonn eine entsprechend reformierte Fassung der so genannten kirchlichen Grundordnung. Sie hat allerdings nur empfehlenden Charakter.
Eine rechtswirksame Änderung des Gesetzes tritt erst ein, sobald der jeweilige Bischof die Neuerungen in seinem Bistum in Kraft setzt. Sollte dies in einem Bistum nicht geschehen, gilt dort die bisherige Rechtslage. In der vergangenen Woche hatte die Deutsche Bischofskonferenz mitgeteilt, dass "mehr als zwei Drittel der 27 Diözesanbischöfe" der Reform der Grundordnung zugestimmt hätten.
Kein Kündigungsautomatismus
Konkret sollen arbeitsrechtliche Folgen einer Wiederverheiratung oder einer eingetragenen Lebenspartnerschaft auf schwerwiegende Fälle beschränkt werden. Das sind Fälle, die geeignet sind, die Integrität und Glaubwürdigkeit der Kirche zu beeinträchtigen oder die "ein erhebliches Ärgernis in der Dienstgemeinschaft oder im beruflichen Wirkungskreis erregen". Kündigungen sollen nur das allerletzte Mittel sein; einen Kündigungsautomatismus gebe es nicht, stellt die Bischofskonferenz fest.
Für pastoral-katechetische und bischöflich besonders beauftragte Mitarbeiter bleibt die bisherige Rechtslage bestehen: Sie unterliegen erhöhten Loyalitätsbindungen, müssen also bei Wiederheirat oder Eingehen einer Lebenspartnerschaft mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen bis hin zu einer Kündigung rechnen. Bei den sonstigen Mitarbeitern wird ein schwerwiegender Loyalitätsverstoß nur bei Vorliegen besonderer Umstände angenommen.
Hier kommt eine arbeitsrechtliche Ahndung des Fehlverhaltens nur in Ausnahmefällen in Frage. Das hängt etwa davon ab, wie der Betroffene mit seinen Verpflichtungen aus der ersten Ehe umgeht und ob die neue Partnerschaft sich störend auf die Dienstgemeinschaft auswirkt. Die Eingehung einer Lebenspartnerschaft stellt in Zukunft weiterhin einen Loyalitätsverstoß dar, wird aber analog zur Wiederverheiratung nur in Ausnahmefällen geahndet.
Beteiligung von Gewerkschaften an Arbeitsvertragsbedingungen
Die Neuordnung legt darüber hinaus fest, dass in Zukunft Gewerkschaften am Zustandekommen kirchlicher Arbeitsvertragsbedingungen organisatorisch zu beteiligen sind. In welchem Umfang sie in den arbeitsrechtlichen Kommissionen zu beteiligen sind, hängt von ihrer Organisationsstärke ab. Allerdings sollen mindestens 10 bis 15 Prozent der Arbeitnehmersitze von Gewerkschaftsmitgliedern übernommen werden. Gewerkschaftsbeauftragte erhalten darüber hinaus ein Zutrittsrecht zu kirchlichen Einrichtungen, um für Mitgliedschaften zu werben oder Mitglieder zu betreuen.
Die deutschen Bischöfe beraten schon seit Jahren über eine Weiterentwicklung des kirchlichen Arbeitsrechts, das sich vom Betriebsverfassungsgesetz deutlich unterscheidet. So wird von Kirchenmitarbeitern eine Übereinstimmung mit den kirchlichen Glaubens- und Moralvorstellungen auch im Privatleben erwartet. 2012 setzte die Bischofskonferenz eine Arbeitsgruppe ein, die Reform-Vorschläge entwickelte.
Die katholische Kirche ist mit mehr als 700.000 hauptamtlichen Mitarbeitern einer der größten Arbeitgeber in Deutschland. Rund 590.000 von ihnen sind bei einem Unternehmen der Caritas tätig, also in Beratungsdiensten, Pflegeeinrichtungen, Kindergärten oder kirchlichen Krankenhäusern.
Zentralkomitee: Reform in den Diözesen umsetzen
Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) hat die Novellierung des kirchlichen Arbeitsrechts als grundlegenden Wandel begrüßt. ZdK-Präsident Alois Glück appellierte an alle 27 katholischen Bischöfe, die Reform jetzt auch rechtsverbindlich in ihren Diözesen umzusetzen. Es gehe um Verfahrenssicherheit für alle Beteiligten.
"Ein Kündigungsautomatismus darf damit zukünftig als ausgeschlossen gelten", sagte Glück mit Blick auf den Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen und Kirchenangestellten, die in Lebenspartnerschaften leben. Dass künftig jeder Loyalitätsverstoß individuell geprüft werden müsse, "bedeutet einen substanziellen Paradigmenwechsel in der Anwendung kirchlichen Rechts", so der ZdK-Präsident.
Er bewertete es zudem als positiv, dass die Bischöfe das Arbeitsrecht im Hinblick auf die unterschiedlichen Berufsgruppen und Aufgabenstellungen in der Kirche differenzierten. "Die neue Regelung öffnet den Weg für Entscheidungen, die der Situation der Menschen gerecht werden." Der oberste katholische Laienvertreter zeigte sich überzeugt, dass dieser Wandel ohne den 2010 gestarteten Dialogprozess der katholischen Kirche nicht möglich gewesen wäre.
Caritas: Mit Lebenswirklichkeit der Mitarbeiter auseinandergesetzt
Caritas-Präsident Peter Neher begrüßte, dass sich die Bischöfe intensiv mit der Lebenswirklichkeit der Mitarbeiter auseinander gesetzt hätten. "Auch das Scheitern gehört zum Leben. Und hier muss sich in besonderer Weise zeigen, wie die Kirche den Menschen beisteht, die mit Brüchen in der eigenen Biografie leben." Dies müsse auch im Arbeitsrecht der Kirche deutlich werden.
Neher schlug zugleich vor, weiter über die Loyalitätspflichten der Mitarbeiter nachzudenken. Loyalität dürfe nicht mehr nur an der Lebensführung des einzelnen Mitarbeiters festgemacht werden, "sondern auch an der Anforderung, sich klar zum Auftrag der Einrichtung in der Sendung der Kirche zu bekennen und diesen mit der entsprechenden Loyalität zu unterstützen", sagte er.
BDKJ: Nur ein kleiner Fortschritt
Für den Bund der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) ist die Lockerung des Arbeitsrechts nur ein kleiner Fortschritt. Die Neuregelung sei ein erster Schritt, aber kein großer Wurf, erklärte der BDKJ-Bundesvorsitzende Wolfgang Ehrenlechner am Dienstagabend in Köln. "Im Bereich des individuellen Arbeitsrechts haben sich neue Möglichkeiten für wiederverheiratete Geschiedene oder Menschen in eingetragenen Lebenspartnerschaften aufgetan, die sich aber erst noch als tragfähig erweisen müssen."
Der Dachverband von 17 katholischen Jugendverbänden begrüßte, dass nun verbindlich festgehalten sei, dass eine Kündigung von Mitarbeitern bei einem Verstoß gegen die katholische Sittenlehre immer nur das letzte Mittel sein dürfe. "Es gibt mehr Möglichkeiten für Einzelfall-Abwägungen, damit aber immer noch keine bundesweit einheitliche Rechtssicherheit", kritisierte Ehrenlechner. Zwischen den Bistümern könnten große Unterschiede bestehen.
"Es muss gewährleistet werden, dass eine katholische Erzieherin, die eine eingetragene Lebenspartnerschaft eingeht, in der Diözese Passau genauso behandelt wird wie im Bistum Essen", verlangte der BDKJ-Bundesvorsitzende. Die Einrichtung von zentralen Stellen in den Diözesen, die vor einer Entlassung aufgrund eines Loyalitätsverstoßes konsultiert werden sollen, sei ein erster Schritt in Richtung Rechtssicherheit. Nötig sei darüber hinaus aber eine bundesweit einheitliche Einführung der kirchlichen Grundordnung und Transparenz bei der Bewertung von Loyalitätspflichten.