Regensburg feiert sein Wahrzeichen, die Domtürme

150 Jahre wie zwei Fingerzeige gen Himmel

Wer nach Regensburg kommt, sieht sie schon von weitem: die beiden Domtürme. Gotische Baukunst, auf die Spitze getrieben, tatsächlich aber nur jugendliche 150 Jahre alt. Für Stadt und Kirche dennoch ein Grund zum Feiern.

Autor/in:
Christoph Renzikowski
Regensburger Dom bei Nacht / © Armin Weigel (dpa)
Regensburger Dom bei Nacht / © Armin Weigel ( dpa )

Wer historische Fotografien aus Regensburg zu Gesicht bekommt, wird sie vermissen: Anstelle der alles überragenden, stolzen gotischen Türme finden sich am Dom Sankt Peter nur zwei Stummel mit Notdach, die den First des Hauptschiffs kaum überragen. Tatsächlich sehen die 105 Meter hohen Giganten alt aus, sind aber erst 150 Jahre jung. Dass sie überhaupt errichtet wurden, hat viel mit Mittelalterromantik zu tun – und mit Köln.

Zweifellos ist die Regensburger Bischofskirche eines der wenigen hochgotischen Baudenkmäler in Süddeutschland, das nach französischem Vorbild errichtet wurde. Ab etwa 1275 entstand sie auf und neben dem teils abgebrannten Vorgängerbau aus der Romanik. Doch der Elan des Anfangs hielt nicht. Bei den beiden Türmen reichte das Geld nur noch für drei Geschosse. Damit nurmehr halbfertig wurden sie 1525 provisorisch abgedeckt. Dieser Zustand prägte das Erscheinungsbild des Doms bis zum 19. Jahrhundert, als er im Zuge der Säkularisierung ans neue Königreich Bayern fiel.

Verehrer des Mittelalters

König Ludwig I., ein großer Verehrer des Mittelalters, setzte den ersten Impuls. In seiner heute kurios anmutenden Begeisterung für die nun nicht mehr französische, sondern angeblich "teutsche" Gotik ließ er in den 1830er Jahren die barocke Innenausstattung komplett entfernen. Ein erstes Gutachten zum Ausbau der Türme fiel hinsichtlich der Statik ungünstig aus. 1858, inzwischen als König im Ruhestand, unternahm er mit dem neu ernannten Bischof Ignatius von Senestrey einen zweiten Anlauf. Der beklagte in einem Hirtenbrief: "Wie ein riesiger Leib ohne Haupt scheint der Dom in stummer Trauer gebeugt zu stehen."

Wie im Mittelalter sollten alle zusammenhelfen, um das Werk der Vorfahren endlich zum Abschluss zu bringen. Auftrieb erhielt das Vorhaben nicht zuletzt durch die wiederbelebte Kölner Dombaustelle. Wie am Rhein wurde auch an der Donau ein Dombauverein ins Leben gerufen. Der emeritierte Monarch versprach großzügige Spenden, die Katholiken des Bistums wurden angehalten, einen "Peterspfennig" zu entrichten. Und ein zweites Gutachten zu den Fundamenten fiel diesmal positiv aus.

"Wie zwei Pfeile"

1860 beginnt die Erweiterung nach dem Vorbild des Freiburger Münsters unter Dombaumeister Josef Ritter von Denzinger. Die beiden Türme erhalten ein verjüngtes Geschoss auf achteckigem Grundriss. Je elf Heiligenfiguren umkränzen sie, einige werden aus einer Werkstatt aus München mit der Eisenbahn herantransportiert. Die beiden Helme, mit Krabben verziert, das Maßwerk vielfach durchbrochen, werden an ihrer Spitze mit einer monumentalen Kreuzblume abgeschlossen. "Wie zwei Pfeile, wie zwei spitze Zeigefinger weisen sie den Blick in den Himmel", sagt der Regensburger Bischof Rudolf Voderholzer heute.

Der 29. Juni, das Weihefest der Kathedrale, fällt 1869 auf einen Dienstag. Es gibt schulfrei. In luftiger Höhe tut der Dombaumeister einen letzten symbolischen Hammerschlag. Er bringt ein Hoch auf König, Bischof und Stadt aus. Kanonendonner. Die Bürger feiern bis in die Nacht. Ludwig I. erlebt die Vollendung nicht mehr. Und in Köln brauchen sie noch ein paar Jahre, bis auch sie 1880 mit ihrem Dom fertig sind. Indes beginnt schon bald der Zahn der Zeit an den Türmen zu nagen.

Zwischen den Weltkriegen

Die mit der Verfeuerung von Kohle einsetzende Luftverschmutzung macht dem verbauten Grünsandstein zu schaffen. Schon 1914 zeigt er sich bedrohlich verwittert. Erste Erhaltungsmaßnahmen werden erforderlich, bald nimmt der Aufwand zu. Zwischen den Weltkriegen wird die Forderung laut, die Aufbauten wieder abzureißen.

Trotz ständiger Reparaturen stürzt Anfang Mai 1953 ein Stück Maßwerk vom Nordhelm auf den Domplatz. Niemand kommt zu Schaden, aber schlagartig wird den Regensburgern klar: Ihre schönen Türme sind ein Sicherheitsrisiko. Gerettet werden sie schließlich durch ein neues Restaurationsverfahren mit Hilfe von Splittbeton. Dennoch sieht man sie bis heute selten ganz ohne Gerüst. Für kurze Zeit war das zuletzt rund um den Besuch von Papst Benedikt XVI. 2006 möglich. 


Die Türme des Regensburger Doms / © Maria Irl (KNA)
Die Türme des Regensburger Doms / © Maria Irl ( KNA )
Quelle:
KNA