Regensburger Domspatzen haben jetzt auch einen Mädchenchor

"Die Idee ist nicht ganz neu"

1000 Jahre waren die Regensburger Domspatzen nur Jungen vorbehalten. Mit dem neuen Schuljahr ist das anders, es gibt zum ersten Mal einen Mädchenchor samt Dirigentin. Die Schule ist gespannt, wie das Miteinander funktioniert.

Gelände der Regensburger Domspatzen / © Dieter Mayr (KNA)
Gelände der Regensburger Domspatzen / © Dieter Mayr ( KNA )

DOMRADIO.DE: 1000 Jahre sangen ausschließlich Jungs und nun auch Mädchen. Wie kam es zu dem Umschwung?

Dirigentin Elena Szuczies für den Mädchenchor der Regensburger Domspatzen / © Marcus Weigl/Regensburger Domspatzen (dpa)
Dirigentin Elena Szuczies für den Mädchenchor der Regensburger Domspatzen / © Marcus Weigl/Regensburger Domspatzen ( dpa )

Marcus Weigl (Leiter Kommunikation, Marketing und Chormanagement bei den Regensburger Domspatzen): Ich denke, wir hatten die letzten Jahre viele Baustellen. Dazu gehörten eine Generalsanierung und ein Umbau. Das Gymnasium ist neu aufgebaut worden. Die Kurse bekamen einen neuen Stimmbildungsbereich, einen Bildungsbereich, ein Musizierzimmer. Die Kapazitäten sind professioneller. Es ist schön und groß geworden durch die Generalsanierung.

Unser Vorstand hat sich überlegt, dass das die Gelegenheit wäre, Mädchen auch endlich diese tolle Ausbildung zukommen zu lassen. Wir haben die Kapazitäten, jetzt könnte man den Schritt doch mal wagen. Das war die Überlegung. Die Idee, Mädchen zu den Domspatzen zu holen, ist nicht ganz neu. Sie schwirrte immer wieder ein bisschen herum.

DOMRADIO.DE: Ist die Idee beim Umbau, beim Verschönern der Schule, im Vorfeld mitgedacht worden?

Weigl: Das kann ich nicht sagen. Aber ich denke mal, man plant ja auch für eine gewisse Anzahl von Schülern. Nachdem wir gesehen haben, dass da noch Platz ist, waren wir uns sicher: Wir wollen einfach den Mädels auch diese Ausbildung zukommen lassen. Es gibt genauso viele musikalische Mädchen wie Jungs.

DOMRADIO.DE: Bringen die Mädchen denn jetzt das wohlgeordnete Knabenbenimm durcheinander?

Chorknaben in einem Übungsraum im Gymnasium der Regensburger Domspatzen / © Armin Weigel (dpa)
Chorknaben in einem Übungsraum im Gymnasium der Regensburger Domspatzen / © Armin Weigel ( dpa )

Weigl: Das haben Sie zwar schön gesagt, ich glaube es aber nicht. Ich habe den ersten Tag erlebt, als die neuen Familien mit ihren Jungs und auch mit den Mädchen zu uns ins Haus gekommen sind, alle ganz aufgeregt. Kurz vor acht Uhr gab es eine große gemeinsame Begrüßung in unserem Innenhof, im Atrium. Ich habe mit vielen Familien reden können, ich habe ihnen in die Augen geblickt und habe gesehen, dass dort eine Anspannung ist und auch eine ganz freudige Aufregung.

Das war bei den Jungs, aber auch bei den Mädchen so. Die Mädchen sind wunderbar begrüßt worden, mit großem Applaus, von allen anderen Jungs natürlich auch. Ich glaube, die bringen da nichts durcheinander. Die Mädchen, was mir jetzt auch schon so erzählt worden ist, sind total organisiert. Ich vermute mal, dass die Mädchen jetzt die Jungs mehr organisieren werden.

DOMRADIO.DE: Es gibt drei Lehrerinnen als Welcome-Coaches für die Mädchen. Was haben die zu tun?

Weigl: Das sind zunächst einmal einfach vertrauensvolle Ansprechpartnerinnen für die Mädchen, aber auch für die Jungs. Denn es ist ja nach über 1000 Jahren eine neue Situation für unsere Schule. Auch für die Jungs ist es neu, dass da Mädchen im Klassenzimmer sitzen, im Gang herumlaufen, mit am Essenstisch sitzen und im Internat wohnen.

Es ist eigentlich etwas ganz Normales. Die meisten Schulen sind gemischte Schulen. Aber nachdem wir jahrelang nur eine Jungenschule waren, kann es sein, dass es vielleicht beim Zusammenwachsen der beiden Geschlechter das eine oder andere Wehwehchen gibt. Und genau für solche Fälle sind diese drei Frauen da. Sie sind die Ansprechpartnerinnen, an die man sich immer wenden kann, wo man hingehen kann und jederzeit seine Probleme offenbaren kann.

DOMRADIO.DE: Die höheren Klassen bestehen fast ausschließlich aus Jungs. Das ist vielleicht für die Fünftklässlerinnen erst einmal ein bisschen ungewöhnlich?

Weigl: Das ist richtig. Wobei man sagen muss, von den 33 Mädchen sind auch sehr, sehr viele Quereinsteigerinnen mit dabei. Wir haben in der fünften Klasse etwa 16 Mädchen und die anderen 18 steigen in die sechste bis elfte Klasse ein. Wir haben allein sechs junge Damen, die in die elfte Klasse einsteigen. Sie werden also in einem Jahr die ersten Abiturientinnen sein, die unser Haus verlassen.

DOMRADIO.DE: Müssen Sie sich noch ein neues Outfit für die Mädels überlegen?

Regensburger Domspatzen (dpa)
Regensburger Domspatzen / ( dpa )

Weigl: Ja, das kommt natürlich dazu. Da überlegen wir jetzt auch gerade. Die Mädchen werden auch im Dom regelmäßig singen, wie die Knabenchöre auch. Die nächsten Wochen und Monate werden sie zunächst proben.

Ich konnte schon ein bisschen in die erste Probe reinhören. Die 33 Mädchen waren schon sehr beeindruckend, was die für einen Sound zusammenbringen. Wenn die jetzt jeden Tag Probe haben, werden die sehr schnell fit werden, was wir hoffen. Dann kann man sie natürlich auf die Bühne bringen und in den Dom, in die Kirchen. Natürlich brauchen wir dann auch ein schönes Kleidchen dazu.

DOMRADIO.DE: Wie ist das Ganze musikalisch? Wer übernimmt da die Ausbildung? Da muss ja wahrscheinlich auch jetzt noch zusätzliches Personal her, weil die Chöre ja nicht zusammen singen?

Weigl: Nein, Mädchen und Jungen singen nicht zusammen. Wir haben einen Mädchenchor, der neu aufgebaut wird und neu gegründet wird und wir haben die drei Knabenchöre. Für den Mädchenchor haben wir eine Chorleiterin gefunden. Eine, wie ich finde, sehr gute Chorleiterin, die beim Mädchenchor am Kölner Dom gearbeitet hat. Die arbeitet jetzt regelmäßig mit dem Mädchen.

DOMRADIO.DE: Wie heißt der Chor dann? Gibt es dann die Domspätzinnen?

Weigl: Wie wir sagen nicht Spatz und Spätzin, weil Spatz ein geschlechtsneutraler Begriff ist. Also, das ist ein Mädchenchor bei den Regensburger Domspatzen.

Das Interview führte Dagmar Peters.

Regensburger Domspatzen

Die Regensburger Domspatzen sind Deutschlands ältester Knabenchor und einer der berühmtesten Chöre der Welt. Die reisefreudigen Singknaben der Kathedrale zu St. Peter feierten 1976 ihr 1000-jähriges Bestehen. Die Knaben und jungen Männer haben schon vor Papst Benedikt XVI. gesungen. Sein Bruder, Georg Ratzinger, leitete den Chor von 1964 bis 1994. Hinter dem traditionsreichen Namen verbirgt sich eine Institution aus drei Säulen: Chor, Schule und Internat.

Regensburger Domspatzen / © Armin Weigel (dpa)
Regensburger Domspatzen / © Armin Weigel ( dpa )
Quelle:
DR