DOMRADIO.DE: Ihr Institut zertifiziert Hilfsorganisationen und berät Spender. Können Sie uns sagen, warum es solche Aktionsbündnisse überhaupt gibt? Welche Funktion haben sie?
Burkhard Wilke (Deutsches Zentralinstitut für soziale Fragen): Sie sind nicht nur in Deutschland, sondern auch in anderen Ländern in den vergangenen 20 bis 30 Jahren entstanden, vor allem aus dem Bedürfnis der Medien heraus, vor allem der großen Fernsehsender, der großen Rundfunksender, in Katastrophenfällen nicht zehn bis 20 einzelne Konten empfehlen und nennen zu müssen, sondern möglichst einfach ein Konto nennen zu können.
Schon lange vor der Situation in Deutschland gab es in der Schweiz etwa die Aktion "Die Glückskette", aber auch in Großbritannien gab es ähnliche Initiativen. Und vor rund 20 Jahren ist das Bündnis "Aktion Deutschland hilft" als erstes Spendenbündnis hier in Deutschland gegründet worden und zwei weitere sind gefolgt, "Bündnis Entwicklung hilft" und "Aktionsbündnis Katastrophenhilfe".
Vor allem ARD und ZDF ist es damit sehr viel leichter gefallen und fällt es seitdem sehr viel leichter, etwa im Anschluss an die Nachrichtensendungen, Kontonummern einzublenden. Und diese Bündnisse sorgen dann dafür, dass das Geld möglichst wirksam aufgeteilt wird.
DOMRADIO.DE: Also ganz pragmatische Gründe. Was sind denn sonst die Vor- und Nachteile? Wann macht es Sinn für ein Aktionsbündnis zu spenden? Wann wäre es besser, eine konkrete Hilfsorganisation zu unterstützen?
Wilke: Wichtig ist es aus unserer Sicht, dass gespendet wird und dass es Spenderinnen und Spendern leicht gemacht wird, den Spendenzugang zu finden und auch zu vertrauen. Und für die Menschen, die bisher keinen besonderen Kontakt zu einer speziellen Hilfsorganisation gehabt haben, die nicht Dauerspenderinnen und -spender sind, ist es dann wirklich leicht, eine solche Empfehlung der Rundfunksender anzunehmen und dem zu folgen.
Diese eine Kontonummer zu nennen, da ist das sicherlich ein guter Zugang. Wer schon erfahren ist beim Spenden, wer vielleicht auch ganz besondere Vorstellungen hat, welche Art von Hilfe, vielleicht eher langfristige Entwicklungshilfe oder sehr kurzfristige Katastrophenhilfe, ob es ihm oder ihr wichtig ist, dass die Hilfsorganisation vielleicht eine religiöse Bindung hat, aus dem katholischen oder evangelischen Bereich kommt oder genau das eben nicht aufweist - wenn man so genaue Vorstellungen hat, dann ist es besser, sich auf eine einzelne Organisation zu konzentrieren und zu der ein Vertrauensverhältnis aufzubauen.
DOMRADIO.DE: Aber wenn jetzt jemand denkt, dadurch könnte man Verwaltungskosten sparen, weil es eben gebündelt ist, weil alles über ein Konto läuft, dann liegt man richtig oder falsch?
Wilke: Zum einen liegt man richtig, wenn man weiß, dass Verwaltungskosten keine schlechten Kosten sind. In vernünftigem Umfang sind Verwaltungs- und auch Informations- oder auch Werbekosten erforderlich, um eine Hilfsorganisation wirklich zum Funktionieren zu bringen. Das heißt, gute Kontrollmaßnahmen, eine gute Übersicht über die eingehenden Gelder. Das ist ja erforderlich. Das verursacht gute und wichtige Verwaltung.
Natürlich ist es auf der anderen Seite auch ein ganz berechtigtes Anliegen, dass Verwaltungskosten nicht unangemessen hoch sind. Bei Bündnissen ist es so, dass durch die zusätzliche Ebene, die eingezogen wird, ein gewisser zusätzlicher Aufwand anfällt, der nicht anfallen würde, wenn es die Bündnisse nicht geben würde.
Aber es gibt ja auch Vorteile. Die haben wir gerade schon genannt, eben der bessere Informationszugang. Und manchen Menschen ist es auch einfacher, meinetwegen einen Jahresbericht eines Bündnisses dann zu lesen, als detaillierte Jahresberichte einzelner Organisationen zu lesen. Also diesen begrenzten zusätzlichen Kosten, die übrigens von den Bündnissen jeweils auch gedeckelt werden, bei in der Regel einstelligen Prozentsätzen, steht eben auch ein zusätzlicher Nutzen entgegen.
Wer aber besonders schlank und ganz gezielt spenden will, der kann und sollte an seriöse Organisationen zum Beispiel die, die in den Bündnissen zusammengeschlossen sind, eine einzelne dieser Mitgliedsorganisationen spenden, dann umgeht er die Bündnisebene.
DOMRADIO.DE: Jetzt prüfen Sie solche Hilfswerke, vergeben ein Spendensiegel. Wie wird denn sichergestellt, dass das Geld, was ich zum Beispiel jetzt für die Ukraine speziell spende, auch wirklich dort ankommt? Gibt es da bestimmte Kriterien, die die Organisationen auch erfüllen müssen?
Wilke: Das ist zum einen wichtig für die Zuerkennung des Spendensiegels - eine Organisation muss schon mal mindestens zwei Geschäftsjahre vollständig tätig gewesen sein. Das heißt, wir können hier einen Mindestzeitraum von Geschäftstätigkeit schon einmal überprüfen.
Wir achten darauf, dass die Organisation in ihrer Werbung wahrhaftig vorgeht. Das heißt, dass sie in dem Spendenaufruf jetzt zum Beispiel für die Ukraine auch konkret sagt, dass und für welche konkreten Zwecke in der Ukraine sie eben das Geld sammelt und was dann der gesicherte zweckgebundene Spendenweg ist, nämlich das entsprechende Kennwort ist.
Wir achten dann auch darauf, dass in den Jahresberichten dieser Organisationen diese Projekte und Programme anschließend auch transparent abgerechnet werden und dass in den Wirtschaftsfprüfungsberichten, also den geprüften Jahresabschlüssen, diese Einnahmen und auch die entsprechenden Ausgaben transparent aufgeführt werden.
Und schließlich, nicht nur die Zahlen sind wichtig, sondern auch die Wirkung des Geldes ist wichtig. Hier haben wir beim Spendensiegel die Vorgabe, dass eine Wirkungskontrolle stattfinden muss, das heißt eben auch Evaluierung stattfinden muss. Und auch dafür sorgen etwa die drei genannten großen Spendenbündniss auf ihrer Ebene, aber auch die einzelnen Mitgliedsorganisationen für sich nochmal.
DOMRADIO.DE: Jetzt überlegt sich vielleicht der ein oder andere. Wenn ich 100 Euro an ein Aktionsbündnis spende und überweise, wie wird das Geld dann auf die Organisationen aufgeteilt? Gibt es da einen Verteilungsschlüssel?
Wilke: Die Organisationen unterscheiden sich da ein wenig. "Aktion Deutschland hilft" und "Bündnis Entwicklung hilft" haben einen Verteilschlüssel, sie haben aber auch noch ein bedarfsbezogenes Antragsverfahren. Das heißt, sie haben eine gewisse Flexibilität, darauf zu reagieren, wie stark die einzelnen Mitgliedsorganisationen im jeweiligen Katastrophengebiet hier in der Ukraine tätig sind.
Das dritte Bündnis "Aktionsbündnis Katastrophenhilfe", was ja aus dem Deutschen Roten Kreuz, Caritas, Diakonie und UNICEF besteht, ist so relativ klein und überschaubar, dass die sagen können, dass sie grundsätzlich die Spenden zu einem Viertel aufteilen. Das heißt, sie werden gleichmäßig an die einzelnen Organisationen aufgeteilt.
Und wie gesagt, die einzelnen Bündnisebenen finanzieren sich durch relativ geringe Beträge jeweils dann einzeln. Das wird entweder von den Spenden abgezogen, das wird auch transparent gemacht in den Jahresberichten oder durch Beiträge aus den Mitgliedsorganisationen für die Bündnisse finanziert.
Das Interview führte Tobias Fricke.