Katholische Nachrichten-Agentur (KNA): Herr Professor Biesinger, was gefällt Ihnen an der Figur des Heiligen Nikolaus?
Biesinger: Nikolaus ist die Solidaritätsfigur im Christentum. Er steht ebenso wie der Heilige Martin für den Kern des Christlichen, für Gottesliebe und Nächstenliebe.
KNA: Und wie erklären Sie das den Kindern?
Biesinger: Es gibt verschiedene Möglichkeiten: Ich komme immer in normaler Kleidung und erzähle den Kindern, dass heute der Geburtstag von Bischof Nikolaus gefeiert wird. Dann ziehe ich mich vor ihren Augen um, habe ein Gewand, Bischofsmütze und Bischofsstab dabei. Ich spreche über den Nikolaus und erzähle auch, wie er die Kinder beschenkt hat. Und ich ermuntere sie, sich ebenfalls gegenseitig zu helfen.
KNA: Für viele gehört Knecht Ruprecht zum Spiel.
Biesinger: Der hat bei mir Hausverbot. Eine Gestalt mit einer Rute hat für Kinder immer eine negative Wirkung. Kinder dürfen aber keine Angst vor Gott haben. Was ist es für ein Gottesbild zu denken, dass da oben einer sitzt, der schreibt alle Fehler auf und spuckt sie einmal im Jahr aus? Das ist ziemlich krank. Mein Nikolaus hat auch kein goldenes Buch, in dem angebliche Missetaten stehen.
KNA: Vielerorts steht der Nikolaus in Konkurrenz zum Weihnachtsmann.
Biesinger: Ja, leider. Aber inzwischen trauen sich auch immer mehr Menschen, das alte, solidarische Nikolausritual neu zu beleben. Der Weihnachtsmann ist eine reine Kommerzfigur ohne religiösen Bezug.
KNA: Sie halten es auch für unproblematisch, den Nikolaus vor muslimischen Kindern zu spielen.
Biesinger: Warum nicht? Erst einmal freuen sich viele, dass Nikolaus aus der heutigen Türkei kommt. Und das Geben von Almosen ist eine der fünf Säulen des Islam. Es ist gut, den Kindern zu zeigen, dass es dieses Ideal auch im Christentum gibt. Nikolaus verbindet die Religionen. Die werden aber nicht vermischt: Papst Franziskus ist ja auch kein Muslim, nur weil er jetzt in einer Moschee gebetet hat.
KNA: Dann dürfen Muslime auch beim Krippenspiel mitmachen?
Biesinger: Klar. Wenn aber Ayses Vater dagegen ist, dass seine Tochter die Maria spielt, muss man es lassen. Es geht ja nicht ums Provozieren.
Das Interview führte Michael Jacquemain.