DOMRADIO.DE: Die Finanzierung der Kirchen ist ja ein Thema, das immer wieder in der Diskussion steht. Wie positioniert sich die Union dazu?
Thomas Rachel (ehemaliger Parlamentarischer Staatssekretär der CDU/CSU und aktueller Sprecher seiner Fraktion für Religionspolitik): Die Kirchenfinanzierung in Deutschland erfolgt im Wesentlichen über die Kirchensteuer. Dieses System hat sich über Jahrzehnte bewährt und wird von uns in der Union ausdrücklich unterstützt. Es stellt sicher, dass die Kirchen ihre wichtigen Aufgaben in den Bereichen Seelsorge, Bildung und Wohlfahrt weiterhin wahrnehmen können. Ohne die Kirchensteuer wäre es beispielsweise kaum möglich, die breite soziale Arbeit der Kirchen aufrechtzuerhalten, die von vielen Menschen geschätzt wird – unabhängig davon, ob sie selbst gläubig sind.
Die sogenannten Staatsleistungen hingegen spielen eine eher untergeordnete Rolle. Dabei handelt es sich um historische Zahlungen, die auf Enteignungen von Kirchengütern im 19. Jahrhundert zurückgehen. Sie sind im Vergleich zur Kirchensteuer finanziell unbedeutender, werden aber häufig medial stark thematisiert.
DOMRADIO.DE: Diese Staatsleistungen stehen allerdings seit Langem in der Kritik, da sie laut Verfassung abgelöst werden sollen. Wie plant die Union, mit diesem Verfassungsauftrag umzugehen?
Rachel: Das ist eine komplexe und zugleich sensible Angelegenheit, die nicht von heute auf morgen gelöst werden kann. Uns ist wichtig, dieses Thema gemeinsam mit den betroffenen Bundesländern und den Kirchen anzugehen. Leider hat die aktuelle Ampelregierung dieses Thema zwar groß angekündigt, aber in den letzten Jahren keine konkreten Fortschritte erzielt.
Wir in der Union nehmen das Thema sehr ernst, aber es muss mit der nötigen Sorgfalt und in einem breiten Dialog geschehen. Es geht hier um hohe Summen und darum, den Kirchen eine faire Kompensation anzubieten. Ein übereilter Schritt wäre kontraproduktiv und könnte die kirchliche Arbeit empfindlich beeinträchtigen.
DOMRADIO.DE: Verzeihen Sie, wenn ich da nachhake: Das Thema steht ja nicht erst seit gestern auf der Tagesordnung. Warum ist in den 16 Jahren unter Angela Merkel nichts geschehen?
Rachel: Das stimmt, und wir müssen uns dieser Kritik stellen. Das Thema ist nicht neu und erfordert intensive Verhandlungen zwischen Bund, Ländern und Kirchen. In der Vergangenheit war die politische Prioritätensetzung eine andere. Aber die Ampelregierung hat das Thema explizit in ihrem Koalitionsvertrag verankert – und ist dennoch gescheitert. Das zeigt, wie schwierig und sensibel diese Aufgabe ist. Unsere Position ist klar: Wir unterstützen die Ablösung der Staatsleistungen, aber nur auf eine Weise, die für alle Beteiligten tragfähig ist.
DOMRADIO.DE: Ein weiteres wichtiges Thema ist der Lebensschutz. Der Paragraph 218 StGB, der Schwangerschaftsabbrüche regelt, steht immer wieder in der Kritik. Wie steht die Union dazu?
Rachel: Der Paragraph 218 StGB stellt einen gesellschaftlich und rechtlich ausgewogenen Kompromiss dar. Er ermöglicht Frauen nach einer verpflichtenden Beratung, eigenverantwortlich zu entscheiden, während gleichzeitig das Schutzkonzept zugunsten des Kindes, das das Bundesverfassungsgericht aus dessen Lebensrecht abgeleitet hat, wirksam umgesetzt wird. Dieser Kompromiss ist das Ergebnis jahrzehntelanger gesellschaftlicher Debatten und hat sich bewährt.
DOMRADIO.DE: Kritiker sagen jedoch, dass der Paragraph 218 Frauen stigmatisiert, da er Abtreibung grundsätzlich als strafbar einordnet. Was entgegnen Sie dem?
Rachel: Der Begriff „Kriminalisierung“ ist in diesem Zusammenhang irreführend. Innerhalb der gesetzlichen Fristen und nach Beratung ist ein Schwangerschaftsabbruch ausdrücklich nicht strafbar. Die Regelung berücksichtigt sowohl die Rechte der Frau als auch den Schutz des ungeborenen Lebens. Unser Ziel ist es, diesen sensiblen Ausgleich zu bewahren und nicht durch populistische Forderungen aufs Spiel zu setzen.
DOMRADIO.DE: Warum bleibt die Union dennoch bei der Position, den Paragraphen 218 im Strafgesetzbuch zu belassen?
Rachel: Der Schutz des ungeborenen Lebens ist ein zentrales Gut unserer Verfassung. Gleichzeitig müssen Frauen in schwierigen Lebenslagen unterstützt und ihnen Hilfe angeboten werden. Das derzeitige System sorgt dafür, dass Beratung und Unterstützung im Vordergrund stehen. Es geht nicht darum, Frauen zu stigmatisieren, sondern eine bewusste Entscheidung auf der Grundlage umfassender Informationen zu ermöglichen.
DOMRADIO.DE: Seit dem 7. Oktober erleben wir verstärkt antisemitische Tendenzen in Deutschland, auch migrationsbedingt. Wie will die Union darauf reagieren?
Rachel: Der Schutz jüdischen Lebens ist für uns in der Union von höchster Priorität. Es ist absolut inakzeptabel, dass Jüdinnen und Juden in Deutschland Angst haben müssen. Unsere Aufgabe ist es, dafür zu sorgen, dass jüdisches Leben in unserem Land sicher und frei möglich ist. Wir wollen die Nationale Strategie gegen Antisemitismus weiterentwickeln und mit konkreten Maßnahmen unterlegen.
Dazu gehören stärkere Sicherheitskonzepte, gezielte Bildungsinitiativen und eine klare Haltung gegen jegliche Form von Antisemitismus. Auch die Zivilgesellschaft, insbesondere Schulen und Universitäten, müssen hier Verantwortung übernehmen. Es braucht eine gesamtgesellschaftliche Anstrengung, um diesem Problem entgegenzuwirken.
DOMRADIO.DE: Ein weiteres kontroverses Thema ist die Abgrenzung der Union zur AfD. Wie sieht die Union diese Herausforderung?
Rachel: Die AfD steht für eine menschenverachtende und ausgrenzende Ideologie, die mit unseren christlichen und demokratischen Grundwerten absolut unvereinbar ist. Die Kirchen haben hier eine wichtige Rolle gespielt, indem sie klar Position gegen die AfD bezogen haben. Sie setzen ein Zeichen für ein Gesellschaftsbild, das von Respekt und Menschenwürde geprägt ist.
DOMRADIO.DE: Es gibt jedoch Vorwürfe, dass auch innerhalb der Union gelegentlich populistische Töne angeschlagen werden. Wie reagieren Sie darauf?
Rachel: Es ist absurd, Äußerungen aus der Tagespolitik mit der menschenverachtenden Ideologie der AfD gleichzusetzen. Die Union steht für die Würde und Rechte aller Menschen, unabhängig von Herkunft oder Religion. Wir setzen uns für den gesellschaftlichen Zusammenhalt ein und grenzen uns klar gegen jede Form von Extremismus ab.
DOMRADIO.DE: Zum Abschluss: Welche Botschaft möchten Sie als christliche Partei in der Weihnachtszeit an die Menschen senden?
Rachel: Weihnachten ist das Fest der Hoffnung und der Nächstenliebe. Es erinnert uns daran, dass wir alle als Geschöpfe Gottes miteinander verbunden sind. In Zeiten von Unsicherheit und Polarisierung ist es wichtiger denn je, dass wir einander mit Respekt und Empathie begegnen. Wir sollten uns darauf besinnen, was uns verbindet, und die Werte der Nächstenliebe und des Miteinanders in den Mittelpunkt stellen.
Das Interview führte Moritz Dege.
Anmerkung der Redaktion: Dieses Interview wurde vor den Ereignissen des Anschlags auf den Weihnachtsmarkt in Magdeburg geführt und aus Gründen der Lesbarkeit leicht bearbeitet.