"Als Aprilscherz bezeichnet man den Brauch, seine Mitmenschen am 1. April durch erfundene oder verfälschte, meist spektakuläre oder fantastische Geschichten, Erzählungen oder Informationen in die Irre zu führen (hereinzulegen) und so 'zum Narren zu halten'." So lautet die Definition jenes Frühjahrjuxes bei Wikipedia.
Wie wäre es damit? "Als 'Fake News' bezeichnet man einen Brauch in den sozialen Netzwerken, seine Mitmenschen das ganze Jahr über durch erfundene oder gefälschte, meist spektakuläre und fantastische Geschichten, Erzählungen oder Informationen in die Irre zu führen (hereinzulegen) und so zum Narren zu halten."
"Es wird von Jahr zu Jahr schwieriger unter all den absurden Nachrichten, die uns erreichen, die echten Aprilscherze herauszufinden", heißt es in einem Twitter-Post im Netz. Wo liegt also der Unterschied? In den unschuldigen Zeiten, als die Menschen Familie und Freunde noch wohlmeinend "in den April schickten" und Regionalzeitungen mit grotesken Meldungen ihre Leser amüsierten, stand am Ende des Tages immer ein befreiendes Lachen, in das die Genarrten miteinstimmten. Schließlich waren sie vorbereitet, dass sie an diesem Tag in eine Falle gelockt werden könnten.
Der Spaghetti-Baum
Da die Glaubwürdigkeit der Medien noch nicht in Frage gestellt wurde, hatten die Journalisten leichtes Spiel, eine Ente zu produzieren, wie es in dieser Zunft heißt. Der britische Fernsehsender BBC stellte 1957 seinen Zuschauern in einem aufwendig gestalteten Dokumentarfilm den "Spaghetti-Baum" vor und zeigte Pflückerinnen bei der Nudelernte im schweizerischen Tessin.
Ein bekannter Fernsehsprecher - per se Garant für Glaubwürdigkeit - berichtete mit ernster Stimme von der florierenden Spaghetti-Industrie in der Schweiz und Italien, aber auch von den Sorgen der Bauern über eventuell eintretenden Spätfrost im März.
Freude herrschte über die besonders gute Ernte wegen des milden Winters, die durch das Verschwinden des Spaghetti-Rüsselkäfers noch besser ausfiel. Die Sendung wurde damals von etwa acht Millionen Zuschauern gesehen, von denen Hunderte anschließend bei der BBC anriefen, um sich zu vergewissern, ob Spaghetti wirklich auf Bäumen wachsen. Einige Hundert wollten wissen, wie sie diese selbst anbauen könnten.
Das Internet ist mitverantwortlich
Inzwischen haben sich die Zeiten ins Gegenteil verkehrt: Im Internet grassieren Verschwörungstheorien und "alternative Fakten", die nicht etwa dem Gehirn eines Spaßvogels oder eines Wirrkopfes entspringen, sondern oft Teil geschickt lancierter politischer Kampagnen sind. Medien, die den Wahrheitsgehalt solcher fingierten Meldungen recherchieren, werden als "Lügenpresse" diffamiert.
Wie kann das funktionieren? Das Internet zerlegt die Öffentlichkeit in viele kleine Gruppen, die alle ihre eigenen Wahrheits- und Wertvorstellungen hegen und sich darin gegenseitig bestätigen. Diese Wahrheiten beglaubigen sich allein durch die Anzahl der Menschen, die sie miteinander teilen. Je mehr es sind, desto "wahrer" wird die Wahrheit.
In diesem Pluralismus der miteinander konkurrierenden Wahrheiten wird es immer schwerer, sie von den Fake News zu unterscheiden. Der Scherz lässt dagegen noch durchscheinen, dass die vermeintlichen Tatsachenbehauptungen fragwürdig sind und lediglich Möglichkeiten durchspielt, die es hätte auch geben können.
Lügner oder Scherzkeks?
Im Aprilscherz geht es darum, Absurdes mit der höchstmöglichen Plausibilität zu präsentieren. Wer jedoch "Fake News" in die Welt setzt und sieht, dass sie für echt gehalten werden, hält sie am Ende selbst für echt. Es sei denn, er hat einen Job in der Desinformationsabteilung eines ausländischen Geheimdienstes, der ein westliches System destabilisieren will.
Wie also ließe sich, etwas scherzhaft gesagt, in einer Informationskultur der Aprilscherz retten? Vielleicht, indem wir Journalisten einen Tag lang wahre Meldungen als Ulk ausgeben? Das kann nicht funktionieren. Für Lügner ist die Wahrheit nämlich nur eine missratene Lüge. Für den Scherzkeks ist die Lüge dagegen eine nur leicht vom Wege abgekommene Wahrheit.