Rheinische Kirche legt Schuldbekenntnis wegen Missbrauchsfällen ab

"Das ist unverzeihlich"

Die Evangelische Kirche im Rheinland hat wegen Missbrauchsfällen durch Amtsträger ein öffentliches Schuldbekenntnis abgelegt. In Gemeinden und Einrichtungen sei weggeschaut, Opfer von sexualisierter Gewalt nicht gehört worden.

Symbolbild Missbrauch in der Kirche / © Clearviewstock (shutterstock)
Symbolbild Missbrauch in der Kirche / © Clearviewstock ( shutterstock )

"Unter dem Dach der Kirche haben Menschen ihren Mitmenschen Gewalt angetan, sie missbraucht und in vielen Fällen so deren weiteres Leben bleibend zerstört", sagte der Vizepräses der zweitgrößten deutschen Landeskirche, Christoph Pistorius, am Sonntag in einem Radiogottesdienstes im niederrheinischen Kaarst. "Unsere Kirche ist schuldig geworden, weil in ihr Täter geschützt wurden."

"Es ist Zeit, das Schweigen zu brechen"

In Gemeinden und Einrichtungen sei weggeschaut worden, Opfer von sexualisierter Gewalt seien nicht gehört und Kinder und Jugendliche nicht geschützt worden, sagte Pistorius, der als Personalchef für alle Pfarrerinnen und Pfarrer der rheinischen Kirche verantwortlich ist. "Das ist unverzeihlich." Das Thema Missbrauch sei viel zu lange tabu gewesen: "Es ist Zeit, das Schweigen zu beenden und über Schuld offen zu sprechen."

Täter dürften auf keinen Fall durch ihr Amt in der Kirche vor Strafe und Konsequenzen geschützt, sondern müssten zur Rechenschaft gezogen werden, betonte Pistorius in dem Gottesdienst, der auf WDR 5 und auf NDR info übertragen wurde. Dafür stehe die rheinische Kirchenleitung. Er setze sich auch dafür ein, dass Schutz- und Präventionskonzepte gegen sexualisierte Gewalt konsequent und flächendeckend umgesetzt werden.

"Bis heute werden Kinder und Jugendliche, werden Frauen und Männer auch im Raum unserer Kirche Opfer von sexualisierter Gewalt", sagte Pistorius. "Wir müssen die Stimme erheben und klar einschreiten gegen jedes Verschweigen, jedes Verharmlosen, jedes bequeme Wegschauen, jedes falsche Verständnis und unbedingt und ohne Kompromiss gegen jede Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung vorgehen."

29 Missbrauchsfälle seit 2003 gemeldet

In der rheinischen Kirche mit ihren 2,5 Millionen Mitgliedern gelten seit 2003 verbindliche Verfahrensregeln für den Umgang mit Verdachtsfällen auf sexuellen Missbrauch durch kirchliche Mitarbeiter. Seither wurden nach Angaben eines Sprechers 29 Fälle gemeldet, in denen disziplinarrechtliche und teils auch strafrechtliche Ermittlungen aufgenommen wurden. Sechs Verfahren sind derzeit anhängig, darunter vier, in denen die Staatsanwaltschaft ermittelt.

Acht Verfahren wurden eingestellt, in den übrigen Fällen wurden disziplinarrechtliche Sanktionen bis hin zur Entfernung aus dem Dienst verhängt. Diese Zahlen beziehen sich ausschließlich auf Pfarrer. Verdachtsfälle auf sexualisierte Gewalt durch hauptamtliche oder ehrenamtliche Mitarbeiter in anderen Bereichen der rheinischen Kirche werden nicht auf der landeskirchlichen Ebene erfasst, sondern bei den einzelnen Gemeinden, Kirchenkreisen oder diakonischen Werken.

Die Predigt hielt Pistorius gemeinsam mit der Theologin und Therapeutin Ille Ochs, die als Kind in einer freien evangelischen Gemeinde von ihrem eigenen Vater missbraucht wurde. Im Anschluss an den Gottesdienst war für die Hörerinnen und Hörer eine Hotline der rheinischen Kirche geschaltet. Betroffene können sich an die unabhängige Ansprechstelle für den Umgang mit Verletzungen der sexuellen Selbstbestimmung in der rheinischen Kirche wenden.


Christoph Pistorius / © Norbert Neetz (epd)
Christoph Pistorius / © Norbert Neetz ( epd )
Quelle:
epd