Rheinischer Präses fordert Missbrauchsaufarbeitung

"Zu oft wurde weggesehen" 

Der Präses der evangelischen rheinischen Landeskirche, Thorsten Latzel, fordert mehr Fortschritt bei der Aufarbeitung von sexuellem Missbrauch in seiner Kirche. Für den Herbst kündigte er Ergebnisse einer Aufarbeitungsstudie an.

Präses Thorsten Latzel während der Präsentation eines Jahresberichts. / © Rolf Vennenbernd (dpa)
Präses Thorsten Latzel während der Präsentation eines Jahresberichts. / © Rolf Vennenbernd ( dpa )

"Zu oft wurde weggesehen, geschwiegen oder versucht, die Institution zu schützen", sagte der leitende Geistliche am Dienstag in seinem jährlichen Bericht vor der in Düsseldorf tagenden Landessynode. "Es ist beschämend, was die Betroffenen erleiden mussten, auch im Umgang mit ihnen nach den Taten." Die Kirche könne hier nur um Entschuldigung bitten.

Zwar unterscheide sich die Situation in der evangelischen Kirche von jener in der katholischen, sagte Latzel weiter: "Wir haben kein Zölibat, kein Weiheamt, eine andere Sexualmoral, Frauen in Leitungsämtern." Dennoch habe es auch in der evangelischen Kirche Missbrauch gegeben - "ganz besonders früher in Heimen". Der Präses kündigte an, dass im Herbst eine von der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) initiierte Aufarbeitungsstudie erste Ergebnisse vorlegen werde.

Einsatz für die Stärkung der Institution Kirche

In seinem Bericht vor dem höchsten Entscheidungsorgan seiner Landeskirche benannte Latzel zudem einen wachsenden Bedeutungsverlust: "Die Rede von Gott ist für immer mehr Menschen schlicht fremd, teils unverständlich." Er forderte weiterhin Einsatz, um Gemeinschaften, Gemeinden und auch die Institution Kirche zu stärken. "Glaube braucht Gemeinschaft - und es hilft sehr, wenn wir Menschen, Gebäude, Ressourcen dafür haben."

Mit Blick auf den Ukraine-Krieg forderte Latzel, der dem russisch-orthodoxen Patriarchen Kyrill Gotteslästerung vorwarf, eine neue friedensethische Debatte zusammen mit den Menschen aus der Ukraine. Zudem rief der Präses zu einem nachhaltigeren Lebensstil auf.

"Wir brauchen einen anderen Lebensstil"

"Es stirbt die Selbstverständlichkeit, mit der wir Müll produzieren, Energie verbrauchen, weltweit in den Urlaub fliegen, Tiere als Massenware behandeln, dem Artensterben zusehen", sagte er. "Das funktioniert mit acht Milliarden Menschen nicht: Wir brauchen schlicht einen anderen Lebensstil." Die rheinische Landeskirche werde Gebäude ertüchtigen, ihr Mobilitätsverhalten verändern und nachhaltig einkaufen.

Die Evangelische Kirche im Rheinland (EKiR) erstreckt sich über Teile von Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Hessen und des Saarlands. Mit rund 2,2 Millionen Mitgliedern zählt sie zu den größten Gliedkirchen der EKD.

Evangelische Kirche im Rheinland

Die Evangelische Kirche im Rheinland ist mit rund 2,34 Millionen Protestanten die zweitgrößte der 20 evangelischen Landeskirchen in Deutschland. Sie erstreckt sich zwischen Niederrhein und Saar über das Gebiet der ehemaligen preußischen Kirchenprovinz Rheinland. Die 643 Gemeinden, die in 37 Kirchenkreisen zusammengeschlossen sind, liegen in den vier Bundesländern Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland und Hessen. Präses und damit oberster Repräsentant ist seit März 2021 der 51-jährige Theologe Thorsten Latzel. 

Symbolbild: Ein Holzkreuz / © enterlinedesign (shutterstock)
Symbolbild: Ein Holzkreuz / © enterlinedesign ( shutterstock )
Quelle:
KNA