Rörig will Mahnmal für Missbrauchsopfer an Odenwaldschule

"Riesige Dimension des Unrechts"

Der Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Johannes-Wilhelm Rörig, plädiert für ein Mahnmal für die Opfer sexuellen Missbrauchs an der ehemaligen Odenwaldschule im hessischen Heppenheim.

Ein Mahnmal soll an das Leid der Opfer erinnern (dpa)
Ein Mahnmal soll an das Leid der Opfer erinnern / ( dpa )

"Die Errichtung eines angemessenen Mahnmals gegen sexuelle Gewalt an Kindern und Jugendlichen, das der riesigen Dimension des Unrechts entspricht, das den Odenwaldschülern dort durch Lehrkräfte angetan wurde, unterstütze ich sehr", sagte Rörig der "Frankfurter Rundschau" für ihre Mittwochsausgabe. Rörig, seit Dezember 2011 Missbrauchsbeauftragter, hatte schon vor längerer Zeit erklärt, sein Amt in dieser Legislaturperiode abzugeben, sobald ein Nachfolger für ihn gefunden ist.

Überlegungen für ein Mahnmal sind laut dem Zeitungsbericht weit gediehen, ein Entwurf sei bereits von einer Jury ausgewählt worden. Der hessische Grünen-Landtagsabgeordnete Marcus Bocklet sagte der Zeitung: "Mir geht es um ein Mahnmal, das den Schrecken dieses Ortes sichtbar macht."

Mauer des Schweigens musste gebrochen werden

Erst nachdem ehemalige Schüler des reformpädagogischen, privaten Elite-Internats die Mauer des Schweigens durchbrochen hatten, wurde an der Odenwaldschule die Dimension des Missbrauchs zumindest ansatzweise deutlich: Mindestens 132 Schüler waren zwischen 1965 und 1998 sexuellen Übergriffen durch Lehrer ausgesetzt, wie der im Dezember 2010 vorgelegte Abschlussbericht der Wiesbadener Rechtsanwältin Claudia Burgsmüller und der ehemaligen Präsidentin des Oberlandesgerichts Frankfurt, Brigitte Tilmann, ergab. Demnach waren 115 Jungen und 17 Mädchen betroffen.

Die Juristinnen gaben aber auch an, dass die Dokumentation unvollständig sei. Haupttäter war demnach der im Juli 2010 gestorbene renommierte Pädagoge Gerold Becker, der die Schule von 1972 bis 1985 leitete.

Odenwaldschule: Lange Vorzeigeprojekt

Auch Tilmann unterstützt ein solches Mahnmahl. Es gehe um ein "Zeichen der Gesellschaft für die Anerkennung des Leidens der Opfer", sagte sie der Zeitung.

Die Odenwaldschule galt lange als Vorzeigeprojekt der deutschen Reformpädagogik. Seit ihrer Insolvenz im Jahr 2015 gibt es sie heute nicht mehr. Im Januar 2019 veröffentlichte der Sozialpsychologe Heiner Keupp eine wissenschaftliche Studie dazu, wie sich dort ein System des Missbrauchs herausbilden konnte. Das Fazit: Verschweigen und Gutgläubigkeit machten systematischen Missbrauch erst möglich.


Johannes-Wilhelm Rörig / © Gregor Fischer (dpa)
Johannes-Wilhelm Rörig / © Gregor Fischer ( dpa )
Quelle:
KNA