"Ich wünschte, diese verdammten Olympischen Spiele würden ausfallen!" Wutentbrannt schimpfte ein "Carioca", ein Bewohner Rios, vergangene Woche in die TV-Kameras. Zuvor war ein 50 Meter langes Teilstück des Olympia-Küstenfahrradwegs unter einer starken Welle zusammengebrochen; zwei Menschen starben. Der Zusammenbruch des drei Monate alten Radwegs steht symbolisch für Rios desolate Lage.
Erbe für die Zeit nach Olympia droht teilweise auszufallen
Zwar sind, anders als bei der Fußball-WM 2014, die Sportstätten rechtzeitig fertig. Doch das "legado", das versprochene Erbe für die Zeit nach Olympia, droht teilweise auszufallen. Besonders Rios Gewässer, die Lagunen um das Olympische Dorf und die olympische Ruderstrecke, sind weiter verdreckt, genau wie die eigentlich malerische Guanabara-Bucht.
Die in sie fließenden Abwässer sollten zu 80 Prozent geklärt werden, statt der lediglich 20 Prozent zum Zeitpunkt der Olympiavergabe 2009. Das war Rios wichtigstes Olympia-Versprechen. Immerhin sei man nun bei 50 Prozent, so die Landesregierung. Doch kaum jemand glaubt das angesichts der vermüllten und stinkenden Gewässer. "Ich möchte nicht sagen, dass da eine Chance vertan wurde", so Bürgermeister Eduardo Paes - aber die Reinigung müsse bis nach Olympia warten.
Wirtschaftlicher Notstand
Die Landesregierung ist für die Reinigung der Bucht verantwortlich, genau wie für den U-Bahn-Bau hinaus zum Olympiapark. Doch wegen der Wirtschaftskrise sind die Kassen leer; rund fünf Milliarden Euro Steuern fehlen 2016. Rio lebt vom Öl- und Gasgeschäft, doch die Energiepreise sind abgestürzt. Dazu kommt noch der Korruptionsskandal um den halbstaatlichen Energieriesen Petrobras mit Sitz in Rio. In der Olympiastadt regiert der wirtschaftliche Notstand.
Viele Landeskrankenhäuser sind geschlossen, in vielen Schulen streiken die auf Bezahlung wartenden Lehrer. Pensionierte Beamte warten seit Monaten auf ihre Bezüge. Die letzten Reserven hat das Land nun in die Fertigstellung der U-Bahn gesteckt. Sie soll Mitte Juli, drei Wochen vor Olympia, fertig werden. Schon jetzt ist klar, dass die Strecke 54 Prozent teurer wird als geplant.
Teurer war auch der Fahrradweg, zudem voller Pfusch am Bau. Dass die Olympiabauten schon vor Olympia einstürzten, sei dann doch eine Überraschung, spottete eine Lokalzeitung. Die bereits eingeweihten Schnellbus-Trassen seien voller Schlaglöcher, die Busse zu klein.
Falsche Planung, schlechte Ausführung, überteuerte Projekte. Die "Cariocas" fluchen. Dabei hat Rio von den Fehlern der WM schon gelernt. Die Terminkontrolle der Projekte ist enger; man legt Wert auf eine nachhaltige Nutzung der Sportstätten. Leer stehende Stadien wie in manchen WM-Städten will man vermeiden. Das Organisationskomitee ist stolz, dass 70 Prozent der Investitionen aus privater Hand kämen. Bei der WM musste der Bund für die ausufernden Kosten aufkommen.
Olympia noch scheinbar skandalfrei
Und während immer mehr Einzelheiten über Korruption rund um die WM herauskommen, ist Olympia noch scheinbar skandalfrei. Zwar gibt es immer wieder Gerüchte über schwarze Kassen, über Schmiergelder von Immobilienfirmen an die Politik. Doch selbst Nichtregierungsorganisationen bescheinigen den Planern hohe Transparenz. Massenproteste gegen Olympia sind so bislang ausgeblieben - anders als vor der WM, als Proteste gegen Geldverschwendung für Mega-Events das Land erschütterten.
Selbst das autoritäre Auftreten von Sicherheitskräften, die Armutsviertel für Olympia-Projekte räumten, löste kaum Proteste aus, ebenso wie die oft ausbleibenden Entschädigungen für die Zwangsumsiedlungen. Derzeit haben die "Cariocas" offenbar keinen Kopf für olympische Probleme. Denn die Wirtschaft steckt in der tiefsten Rezession seit Jahrzehnten; Tausende Arbeitsplätze gehen verloren.
Zudem ist das Land durch immer neue politische Korruptionsskandale gelähmt. Präsidentin Dilma Rousseff steht am Abgrund. Bereits Mitte Mai könnte sie wegen angeblicher Haushaltsvergehen vom Senat ihres Amtes enthoben werden. Zwar erst mal nur für 180 Tage. Allerdings würde sie so die Eröffnungsfeier im Maracana-Stadion am 5. August verpassen. Das dürfte freilich derzeit eine der kleineren olympischen Sorgen sein. Dabei sein ist schließlich alles.