Rivlin würdigt Fortschritte im jüdisch-christlichen Dialog

"Brüder und Schwestern im Glauben"

Aus Sicht von Staatspräsident Rivlin sind aus Juden und Christen "Brüder und Schwestern im Glauben" geworden. Den Weg dorthin zeigt nun ein Buch auf, dass wichtige Kirchendokumente erstmals auf Hebräisch veröffentlicht.

Autor/in:
Johannes Schidelko
Israels Staatspräsident Reuven Rivlin / © Andrea Krogmann (KNA)
Israels Staatspräsident Reuven Rivlin / © Andrea Krogmann ( KNA )

Israels Staatspräsident Reuven Rivlin sprach von einer "revolutionären Wende", Erzbischof Pierbattista Pizzaballa, der Leiter der Lateinischen Patriarchats, von einem "totalen Wechsel", den die Kirche gegenüber dem Judentum vollzogen habe. Vor allem mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-1965) und seiner Erklärung "Nostra aetate" (In unserer Zeit) habe die Kirche eine jahrhundertealte, von Ablehnung und Vorurteilen bestimmte Sicht revidiert, hieß es.

In der Folge entwickelte sich ein vielversprechender Dialog. Die 25 wichtigsten Kirchendokumente dazu sind jetzt erstmals in hebräischer Übersetzung als Buchveröffentlicht: "In unserer Zeit: Dokumente und Artikel zu katholischer Kirche und jüdischem Volk in Folge des Holocaust".

"Nostra aetate" Kernstück des Buches

Kernstück und Titelinspiration des von der israelischen Historikerin Dina Porat herausgegebenen Buches ist "Nostra aetate" von 1965. In diesem Dokument, das der umstrittenste Text des Konzils war und zu seinem wichtigsten wurde, erkennt die Kirche an, dass es Wahres und Heiliges auch in anderen Religionen gibt. Sie betont das gemeinsame geistliche Erbe mit den Juden und die bleibende göttliche Erwählung des Judentums, in dem das Christentum wurzele. Damit markierte sie eine Abkehr von ihrem bisherigen auch antijüdisch definierten Absolutheitsanspruch. Sie wandte sich gegen den Vorwurf des "Gottesmordes" gegen alle damals lebenden und erst recht gegen die heutigen Juden. Mit Nachdruck beklagt das Konzil zudem Verfolgungen, Hass und jede Form von Antisemitismus.

"Nostra aetate" wurde als "Meilenstein" bezeichnet, als "Neuanfang", als "Magna Carta", als "Kopernikanische Wende" gefeiert. Besonders für die katholisch-jüdischen Beziehungen brachte das Papier eine Erfolgsgeschichte, wie auch am Donnerstag bei der Buchpräsentation im Jerusalemer Präsidentensitz hervorgehoben wurde. Dort waren neben Pizzaballa auch der Franziskaner-Kustos Francesco Patton und der Vatikanbotschafter in Israel Giuseppe Lazzarotto versammelt. Vom Jerusalemer Groß-Rabbinat kamen Oded Wiener und weitere Persönlichkeiten, zudem Diplomaten und Wissenschaftler.

Aus Widersachern Partner geworden

Präsident Rivlin griff in seiner Ansprache noch weiter zurück und erinnerte an die Audienz von Pius X. im Jahr 1904 für den jüdischen und israelischen Vordenker Theodor Herzl. "Die Juden haben unseren Herrn nicht anerkannt, und daher können wir das jüdische Volk nicht anerkennen", zitierte er die damalige Aussage des Papstes. Seither seien aus Widersachern Partner geworden, die von den Päpsten heute als "ältere Brüder" oder "Väter im Glauben" bezeichnet würden. Alle Päpste seither seien sich einig, dass die Aussöhnung mit dem Judentum "unwiderruflich" ist, der Dialog "Pflicht und nicht Kür". Denn Christen verbinde durch die Person Jesu mit den Juden mehr als mit allen anderen Religionen. Auch eine Judenmission wird von der Kirche abgelehnt. Auch wenn Katholiken im Dialog mit dem Judentum Zeugnis für ihren Glauben an Jesus Christus ablegten, sollten sie auf aktives Missionieren verzichten, hieß es jüngst in einem Vatikan-Dokument.

Das 300-seitige Buch beginnt mit Auszügen aus der Enzyklika "Mit brennender Sorge" von 1937, in dem Pius XI. die Schriften des Alten Testaments würdigt. Es folgen der Grundlagenvertrag zwischen dem Heiligen Stuhl und Israel (1993) und der Reflexionstext über die Schoah "Wir erinnern uns" (1998). Weiter finden sich Reden der letzten drei Päpste bei ihren Besuchen in der römischen Synagoge, bei ihren Reisen nach Jerusalem und nach Auschwitz, oder vor jüdischen Gästen. Aufgenommen sind aber auch der Text zur Karfreitagsfürbitte sowie der Brief von Benedikt XVI. nach der Kontroverse um die Teil-Rehabilitierung des Holocaust-Leugners Richard Williamson. Es folgen einige Studien von Historikern.

Die Kontakte zwischen dem Vatikan und seinen jüdischen Dialogpartnern gelten inzwischen als so stabil und belastbar, dass diese Kontroverse ihnen nicht ernsthaft schadete. Ähnliches galt für die Diskussion um eine (bislang ausgesetzte) Seligsprechung von Pius XII. oder um das Karmel-Kloster in Auschwitz. Das Buch soll diese "Erfolgsgeschichte" nun auch in Israel stärker publik machen. Dazu hat immerhin der Staatspräsident seine Unterstützung gegeben.


Quelle:
KNA