An Briefen aus Rom hatten die deutschen Bischöfe in den letzten Jahren keinen Mangel. Seit sie Ende 2019 mit dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK), dem höchsten repräsentativen Gremium des deutschen Laien-Katholizismus, das Reformprojekt "Synodaler Weg" starteten, gab es immer wieder warnende Wort aus dem Vatikan.
Papst schrieb zweimal persönlich
Der Papst persönlich schrieb zweimal. Einmal ganz zu Beginn in seinem "Brief an das pilgernde Volk Gottes in Deutschland" und noch einmal vor wenigen Monaten, als er sich wohlwollend an vier Frauen wandte, die den Synodalen Weg kritisiert hatten.
Franziskus blieb aber stets im Grundsätzlichen. Zwar machte er deutlich, dass er den Ansatz des Reformvorhabens kritisch sieht, nämlich der Kirche durch Veränderungen ihrer Struktur und ihrer Lehre aus der Krise zu helfen. Doch zog er keine "Roten Linien", so dass die Reformer in Deutschland auf dem eingeschlagenen Weg weitergehen konnten.
Beschlüsse als Bitte an den Papst
Die fünf großen Synodalversammlungen in Frankfurt in den Jahren 2020 bis 2023 fassten zahlreiche, oft weitreichende Beschlüsse - zur Änderung der Sexualmoral, für Öffnungen beim Priesterzölibat, zur Stellung der Frauen in der Kirche. Die meisten wurden in einer Form verabschiedet, die kirchenrechtlich unbedenklich war: als Bitte an den Papst, bei diesen Themen die kirchliche Lehre oder das kirchliche Recht zu ändern.
Hier zeigten die anderen Briefe aus dem Vatikan Wirkung, die den Synodalen Weg stets kritisch begleiteten. Sie wiesen darauf hin, dass die Kirche in einem Land keine Fragen entscheiden darf, die nur vom Papst oder von einem Konzil geklärt werden können.
Solche Schreiben kamen mal aus dem Staatssekretariat des Papstes, mal aus dem Glaubensdikasterium oder auch mal vom "Triumvirat" der drei zuständigen Kurienkardinäle Pietro Parolin (Staatssekretariat), Luis Ladaria (Glaubensbehörde) und Marc Ouellet (Bischofsbehörde). Sie waren in der Tendenz klar, aber Denkverbote enthielten auch sie nicht.
Entscheidungsgremium führt zum Knall
An einem Punkt waren die Briefe - und ebenso die mündlichen Vorträge bei einigen Begegnungen auf höchster Ebene im Vatikan - jedoch immer eindeutig: Die katholische Kirche in Deutschland sei "nicht befugt", ein Entscheidungsgremium zu gründen, in dem außer den Bischöfen auch Laien und Theologen mit über kirchliche Grundsatzfragen entscheiden. Genau an diesem Punkt kam es nun – unmittelbar vor der Frühjahrsvollversammlung der deutschen Bischöfe – zum Knall.
Da der Synodale Weg als zeitraubender und kostspieliger Dauer-Debattenmarathon nicht unbegrenzt fortgesetzt werden konnte, hatte die fünfte Synodalversammlung vor knapp einem Jahr beschlossen, ein Organ zu gründen, das den Reformdialog "verstetigen" soll. In diesem "Synodalen Rat" sollen künftig Laien und Theologen neben den Bischöfen volles Mitsprache- und Entscheidungsrecht haben.
Ein "Synodaler Ausschuss" sollte sich konstituieren, um die Gründung des Rates vorzubereiten. Dieser würde dann - strukturell ähnlich wie der protestantische "Rat der EKD" - künftig über die Geschicke der katholischen Kirche in Deutschland entscheiden.
Konsequenzen einer Verfassungsänderung wurden deutlich gemacht
In ihrem an diesem Wochenende bekannt gewordenen Brief an den Bischofskonferenzvorsitzenden Georg Bätzing hat das vatikanische "Triumvirat" (diesmal mit zwei neuen Kardinälen an der Spitze der Glaubens- und der Bischofsbehörde) die Konsequenzen einer solchen Verfassungsänderung deutlich gemacht.
Wörtlich heißt es da: "Ein solches Organ ist vom geltenden Kirchenrecht nicht vorgesehen und daher wäre ein diesbezüglicher Beschluss der DBK ungültig - mit den entsprechenden rechtlichen Folgen."
Beschlüsse könnten von Vatikan als nichtig erklärt werden
Im Klartext heißt das: Wenn ein solches Organ Beschlüsse fassen würde, sähe sich Rom gezwungen, diese für nichtig zu erklären. Ein solches Auseinanderklaffen im Kirchenrecht könnte ein Schritt zu einem formalen Schisma, also zum Ende der kirchlichen Gemeinschaft sein.
Zwar spricht die Warnung aus Rom diesmal nicht ausdrücklich davon. Doch eine andere Konsequenz wird unverhohlen angedroht: Der Abbruch der Gespräche mit den deutschen Bischöfen.
Diplomatisch kaum verklausuliert heißt es: "Wir haben gemeinsam vereinbart, die ekklesiologischen Fragen, mit denen sich der Synodale Weg befasst hat, einschließlich des Themas eines überdiözesanen Beratungs- und Entscheidungsgremiums, beim nächsten Treffen zwischen Vertretern der Römischen Kurie und der DBK zu vertiefen. Sollte das Statut des Synodalen Ausschusses vor diesem Treffen verabschiedet werden, stellt sich die Frage nach dem Sinn dieses Treffens und ganz allgemein des laufenden Dialogprozesses."
Auswirkungen auf Versammlung in Augsburg sind ungewiss
Noch ist ungewiss, wie sich der neue Brief aus Rom auf die Versammlung in Augsburg auswirken wird. Angesichts des großen öffentlichen Interesses ist es unwahrscheinlich, dass die Bischöfe nun einfach zur Tagesordnung übergehen. Der Brief aus dem Vatikan untersagt zwar eine Beschlussfassung zur Gründung eines Synodalen Ausschusses, nicht aber eine Debatte über das Thema.
Der Theologe und ZdK-Vize Thomas Söding sagte im Interview der KNA, der Brief sei "kein Verbot, sondern ein Tritt auf die Bremse". Zugleich warnte er davor auf Zeit zu spielen, denn "die Frustration wird immer größer werden, wenn die Reformen jetzt wieder auf die lange Bank geschoben werden".
Söding, der auch als Berater bei der Weltsynode dabei ist, sieht aber grundsätzlich keine großen Differenzen zwischen den deutschen Reformplänen und dem, was der Papst "mit seinem weltweiten synodalen Prozess im Blick hat".
Söding sei optimistisch
Daher sei er auf längere Sicht optimistisch, "dass wir unseren Synodalen Weg sehr gut in Einklang bringen können mit dem weltweiten synodalen Prozess - was ja auch nie anders beabsichtigt war".
Auf kurze Sicht aber stehen bei der Vollversammlung in Augsburg mit dem Bischofswort zu Krieg und Frieden sowie mit Äußerungen zur drohenden Krise der Demokratie in Deutschland noch ganz andere wichtige aktuelle Themen auf dem Programm. Viel hängt davon, ob es Bätzing gelingt, die interne Debatte so zu moderieren, dass die derzeitige Blockade-Situation überwunden wird und die Kirche sich wieder den wirklich brennenden Fragen dieser Tage zuwenden kann.