Römische Konferenz zu Herausforderungen kirchlicher Soziallehre

Patriarch und Papst üben Wirtschaftskritik

In der Stiftung "Centesimus Annus" engagieren sich katholische Unternehmer für die Soziallehre der Kirche. Bei deren Kongress üben Papst Franziskus und Patriarch Bartholomaios I. Kritik am globalen Wirtschaftsystem.

Papst Franziskus bei einer Konferenz der Päpstlichen Stiftung "Centesimus Annus - Pro Pontifice" / © Osservatore Romano (KNA)
Papst Franziskus bei einer Konferenz der Päpstlichen Stiftung "Centesimus Annus - Pro Pontifice" / © Osservatore Romano ( KNA )

In den prachtvollen Sälen des Palazzo della Cancelleria, wo verschiedene Institutionen der römischen Kurie ihren Sitz haben, tummeln sich elegante Herrschaften. Die päpstliche Stiftung "Centesimus Annus pro Pontifice" trifft sich zu ihrem jährlichen Kongress in Rom, um über "neue politische Strategien und Lebensstile im digitalen Zeitalter" zu sprechen. Es sind vor allem katholische Unternehmer und Wirtschaftsvertreter aus Italien, aber auch aus den USA, Spanien oder Deutschland, die sich in der Stiftung engagieren. Ihr Ziel: die katholische Soziallehre zu fördern und zu verbreiten sowie die "Aktivitäten des Heiligen Stuhles" finanziell zu unterstützen.

Vielfältige Themen auf der Agenda

So stellt der Heilige Stuhl vermutlich gerne eine seiner schönsten Immobilien für die Tagung zur Verfügung. Der Palazzo della Cancelleria wurde Ende des 15. Jahrhunderts als erster römischer Renaissancepalast vom steinreichen Kardinal Raffaele Riario errichtet. Heute sind Kurienkardinäle meist keine Millionäre mehr, und so baut die römische Kirche auch auf die Unterstützung von Mäzenen. Es war Papst Johannes Paul II., der vor 25 Jahren die Stiftung "Centesimus Annus" mit Hilfe der Union katholischer Unternehmer in Italien (UCID) ins Leben rief.

Die Stiftung organisiert Kurse zur katholischen Sozialehre für Unternehmer, veranstaltet regelmäßig Kongresse und vergibt einen Preis für herausragende Publikationen im Bereich Wirtschaft und Gesellschaft. Drei Tage lang beschäftigten sich nun Politiker, Wirtschaftswissenschaftler, Unternehmer und Diplomaten mit einer ganzen Bandbreite von Fragestellungen: Es geht um so Unterschiedliches wie den Umgang mit der "digitalen kulturellen Revolution" in der Erziehung, den Frauenanteil in Unternehmensvorständen, den Einfluss von Digitalisierung und Automatisierung auf die Arbeitswelt oder den Kampf gegen Lebensmittelverschwendung.

Herausforderung für die Soziallehre der Kirche

All das, so zeigt der Kongress, stellt auch eine Herausforderung für die Soziallehre der Kirche dar. Kaum ein Vortrag kommt ohne Verweis auf die päpstlichen Sozial- und Umweltenzyklika "Laudato si" von 2015 aus. Hochrangige italienische Kleriker sind anwesend. Auch Bartholomaios I., der griechisch-orthodoxe Patriarch von Konstantinopel, nimmt an der Konferenz teil. Er schlägt kritische, ja pessimistische Töne an. Beim abendlichen Empfang in der nicht minder prachtvollen Botschaft Spaniens beim Heiligen Stuhl wettert Bartholomaios I. gegen das "unverschämte Verlangen nach rücksichtslosem Konsum", das zur Ausbeutung der natürlich Umwelt führe.

"Kultur der Solidarität" in Gefahr

Ein zweites Mal äußert sich der Patriarch am letzten Tag der Konferenz in der Sala Regia des Apostolischen Palastes. Dabei klagt er den "Fundamentalismus des Marktes" an, die "Vergöttlichung des Profits". Auch den naturwissenschaftlichen und technischen Fortschritt sieht Bartholomaios I. kritisch: "Nie zuvor haben wir so viele wissenschaftliche Kenntnisse besessen und gleichzeitig so gewaltsam und zerstörerisch gegen die Natur und unsere Mitmenschen gehandelt."

Die Gesellschaft sei zunehmend von "Individualismus", "Selbstvergöttlichung" und "egoistischer Selbstgenügsamkeit" geprägt, so das Ehrenoberhaupt der Weltorthodoxie. Die "Kultur der Solidarität" sei in Gefahr. Hier seien die christlichen Kirchen gefragt. Bartholomaios I. schlägt das Modell einer "ökologischen Wirtschaft" vor, in dessen Zentrum die "wirklichen Interessen" des Menschen stehen müssten, denen nur "innerhalb einer intakten Umwelt" gedient werden könne.

Das Evangelium ruft uns zu einem Leben auf, das oft unbequem ist, denn Nachfolge Jesu bedeutet, die Armen und die Ausgegrenzten zu lieben.

— Papst Franziskus (@Pontifex_de) 26. Mai 2018

Am Schluss der Tagung grüßt Papst Franziskus die Teilnehmer. Auch er sieht "Schwierigkeiten und Krisen" des derzeitigen Wirtschaftsystems: "Sie stehen im Zusammenhang mit einer Mentalität des Egoismus und der Ausgrenzung, die eine Kultur der Verschwendung geschaffen hat, die für die Menschenwürde der Schwächsten blind ist", so der Papst. Die Stiftung "Centesimus Annus" lobt Franziskus für ihre Arbeit: Durch ihren Dialog mit Führungskräften aus Wirtschaft und Finanzwesen sorge sie dafür, dass "die intrinsische soziale Dimension aller wirtschaftlichen Aktivitäten angemessen geschützt und wirksam gefördert wird".

Benjamin Leven


Quelle:
KNA