Rotes Kreuz sieht neue Blutspende-Richtlinie ambivalent

Frage zu Sexualpraktiken vielen "zu intim"

Es fehlt an Blutkonserven. Das könnte sich durch eine neue Blutspende-Richtlinie ändern. Künftig dürfen auch homosexuelle Männer und über 60-Jährige mit ihrer Spende Leben retten. Das freut David Küpper, er sieht aber auch Probleme.

Symbolbild Blutspende / © SeventyFour (shutterstock)

DOMRADIO.DE: Die Bundesregierung hat eine neue Blutspende-Richtlinie der Bundesärztekammer erlassen. Sie ist am Montag in Kraft getreten. Wie finden Sie das?

Pressesprecher des Deutschen Roten Kreuz-Blutspendedienstes West Stephan David Küpper  / © Stephan David Küpper (KNA)
Pressesprecher des Deutschen Roten Kreuz-Blutspendedienstes West Stephan David Küpper / © Stephan David Küpper ( KNA )

Stephan David Küpper (Pressesprecher des Deutschen Roten Kreuz-Blutspendedienstes West): Grundsätzlich ist es immer zu begrüßen, wenn es Regelungen gibt, die es mehr Menschen erlaubt, Blut zu spenden. Natürlich muss die Sicherheit immer gewährleistet sein. Davon gehen wir erstmal aus. Die Bundesärztekammer hat da genau hingeschaut.

Das heißt, künftig werden unter den neuen Bestimmungen weit mehr Menschen Blut spenden können. Das finden wir gut.

DOMRADIO.DE: Ist das alles im Zuge der Gender- und Gleichberechtigungsdebatte entstanden?

Stephan David Küpper

Änderung der Richtlinie kein medizinischer Anstoß der Ärzte über die Bundesärztekammer. Es war ein politischer Anstoß".

Küpper: Das muss man mit "Ja" beantworten. Denn es war über Jahrzehnte gelebte Praxis, dass die Regularien zur Zulassung zur Blutspende von der Bundesärztekammer und dem Paul-Ehrlich-Institut erlassen wurden. Das ist auch weiterhin so.

Allerdings war der Anstoß in diesem Jahr zu der Änderung der Richtlinie kein medizinischer Anstoß der Ärzte über die Bundesärztekammer. Es war ein politischer Anstoß über das Bundesgesundheitsministerium und den Bundesgesundheitsminister.

Das war vielleicht wirklich der Genderdebatte geschuldet, dass man eine nicht diskriminierende Ansprache in diesen Fragebögen haben wollte.

Symbolbild Blutkonserven / © Komsan Loonprom (shutterstock)
Symbolbild Blutkonserven / © Komsan Loonprom ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Es geht immer um die Sicherheit der Menschen, die Blutkonserven bekommen müssen. Haben sich mit Corona die Testmethoden verbessert, um das Blut zu prüfen?

Küpper: Nicht durch Corona, aber wir testen das gespendete Blut sehr genau und sensibel. Das ist wichtig für die Empfängerinnen und Empfänger der Blutpräparate. Wir testen seit vielen Jahren über das sogenannte PCR-Testverfahren, was man durch Corona nun besser kennt. Es gibt aber bei bestimmten Infektionen sogenannte diagnostische Fenster.

Das heißt, wenn ich mich zum Beispiel gestern oder vorgestern mit dem HI-Virus infiziert hätte, bestünde die Möglichkeit, dass wir es selbst mit sensiblen PCR-Testverfahren nicht sehen und entdecken. Das ist natürlich schlecht. Deshalb muss man die Sicherheitslinie ins persönliche ärztliche Gespräch, in die Anamnese vor der Blutspende ziehen. Das ist auch der Grund für die Aufregung.

DOMRADIO.DE: Bisher wurden nur Homosexuelle danach befragt. Jetzt bekommen alle, die Blut spenden wollen, intime Fragen gestellt. Welche Erfahrungen haben Sie damit gemacht?

Stephan David Küpper

"Da hat man uns sehr deutlich zurückgespiegelt, dass man das nicht gut findet, weil vielen Menschen die Fragestellung zu intim ist."

Küpper: Blutspenderinnen und Blutspender sind oftmals sehr tradierte Menschen, die das machen, um anderen Menschen zu helfen. Es gab vor mehreren Jahren ein Pilotprojekt, bei dem man die Art der Befragung testweise verändert hat, bei dem alle Menschen über ihre Sexualpraktiken befragt wurden.

Da hat man uns sehr deutlich zurückgespiegelt, dass man das nicht gut findet, weil vielen Menschen die Fragestellung zu intim ist. Daher darf man sehr gespannt sein, wie unsere Stammspenderinnen und -spender künftig auf so etwas reagieren werden.

DOMRADIO.DE: Glauben Sie, dass sich die Zahl der spendewilligen homosexuellen Männer mit dieser Änderung deutlich erhöhen wird?

Küpper: Das wäre grundsätzlich toll. Jeder Spender, jede Spenderin, die zusätzlich das System stärkt und stützt, ist erstmal herzlich willkommen. Ich gehe davon aus, dass in der Gruppe der homosexuellen Männer genauso viele Menschen Blut spenden, wie im Querschnitt der Bevölkerung. Damit wäre etwas geholfen.

Aber wir haben ein demographisches Problem im Blutspende-Wesen. Unsere Probleme werden dadurch nicht alle weggehen.

DOMRADIO.DE: Das ist aber nicht der Grund dafür, dass bisher ausgenommene über 60-Jährige jetzt auch spenden dürfen, oder?

Küpper: Doch vielleicht hat man genau deshalb diese Starre, strikte Altersgrenze aufgehoben, weil man sagt, ein 60 oder 67 Jahre alter Mensch, kann, wenn er keine Medikamente einnimmt und keine anderen Gebrechen hat, durchaus noch sehr gut Blut spenden.

Das Blut wird eigentlich auch nicht schlechter. Wir schauen künftig sehr genau darauf. Wer ein bisschen älter ist, wird noch genauer befragt. Der kann gut und gerne noch ein paar Jahre Blut spenden und das hilft dem ganzen System. Das war auch der Ansatz der Politik zu sagen, da wollen wir versuchen, treue Spender noch länger als Blutspender zu halten.

Infos des DRK zur Blutspende

Pro Tag werden in Deutschland 15.000 Blutspenden zur Behandlung der Patientinnen und Patienten in deutschen Kliniken benötigt.

Der hohe Bedarf an Blut ist in erster Linie eine Folge des medizinischen Fortschritts. Viele Operationen, Transplantationen und die Behandlung von Patienten mit bösartigen Tumoren sind nur dank moderner Transfusionsmedizin möglich geworden. Statistisch gesehen wird das meiste Blut inzwischen zur Behandlung von Krebspatienten benötigt. Es folgen Erkrankungen des Herzens, Magen- und Darmkrankheiten, Sport- und Verkehrsunfälle.

Mann bei einer Blutspende / © New Africa (shutterstock)
Mann bei einer Blutspende / © New Africa ( shutterstock )
Quelle:
DR