Hoffnungen, dass es während der Vollversammlung des Weltkirchenrats (ÖRK) in Karlsruhe zu einem echten Dialog zwischen Vertretern der Kirchen aus Russland und der Ukraine kommen könnte, waren sicher von vornherein überzogen. Immerhin waren neben der starken Delegation der russisch-orthodoxen Kirche (ROK), die größtes Einzelmitglied im ÖRK ist, auch Gäste aus der Ukraine eingeladen und mit drei kleinen Gruppen präsent.
Sie vertraten die seit 2018 bestehende eigenständige Orthodoxe Kirche der Ukraine (OKU), die bisher zum Moskauer Patriarchat gehörende Ukrainische Orthodoxe Kirche (UOK) sowie weitere Kirchen.
Die ROK-Delegation präsentierte sich in Karlsruhe meist als geschlossene Gruppe, während die Ukrainer das Gespräch suchten.
Man ging sich aus dem Weg
Gegenseitig gingen sie sich aus dem Weg. "Es ist nicht leicht, einen Dialog zu etablieren mit jemandem, der dir das Existenzrecht abspricht", sagte der zu OKU gehörende Erzbischof von Tschernihiw, Yevstratiy, vor Journalisten. Auch die konkurrierenden ukrainischen Kirchen machen sich gegenseitig Vorwürfe - und wollen beide Mitglied im ÖRK werden.
Mit einer gewissen Spannung wurde die Resolution der Vollversammlung zum Ukraine-Krieg erwartet. Der erste Entwurf bekräftigte vor allem die Linie, die der ÖRK-Zentralausschuss mit seiner Erklärung vom Juni vorgegeben hatte: Darin wurde der "illegale und nicht zu rechtfertigende Krieg" verurteilt und der Ruf nach einem sofortigen Waffenstillstand erneuert. An "alle Konfliktbeteiligten" sollte der Appell gehen, die Grundsätze des internationalen Völkerrechts insbesondere im Hinblick auf den Schutz der Zivilbevölkerung und der zivilen Infrastruktur sowie die humane Behandlung von Kriegsgefangenen zu respektieren.
Bei der Diskussion im Plenum über den Entwurf, mit dem beide Seiten nicht zufrieden waren, kam es dann zu einem kurzen Schlagabtausch.
Roman Sigov von der UOK äußerte sich befremdet, dass "das Opfer und der Angreifer in gleicher Weise behandelt" würden: "Vor zwei Wochen hat ein russischer Bischof ein Video von ukrainischen Gefangenen gepostet und sich über sie lustig gemacht. Er sitzt hier und stimmt mit orangefarbenen und blauen Karten für die Erklärungen. Ich spreche von Metropolit Leonid von Klin", sagte Sigov. Mindestens 16 russische Bischöfe, darunter Patriarch Kyrill I., unterstützten den Krieg, fügte er hinzu.
Von der ROK-Delegation meldete sich der stellvertretende Leiter des Außenamts des Patriarchats, Archimandrit Philaret Bulekov, zu Wort.
Bedeutung wie Erklärung von McDonalds
Er meinte ironisch, der Text sei besser ausgefallen als erwartet, bescheinigte ihm aber zugleich dieselbe Bedeutung wie die einer Erklärung "von Starbucks oder McDonald's". Er sei ein Beispiel für einen Informationskrieg, der wesentliche Fakten nicht benenne. Die Kirchen des ÖRK versuchten nicht wirklich zu verstehen, was die wahren Ursachen des Konflikts seien. Erneut griff Bulekow Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier an, der in seinem Grußwort einseitig gesprochen und seine eigene politische Mitverantwortung für die Situation in der Ukraine verschwiegen habe.
Einen Gefallen hat sich Bulekow mit diesem Auftritt nicht getan: Die schließlich - gegen die Stimmen der ROK - verabschiedete Fassung der Resolution spricht deutlicher von einer "russischen Invasion" und fordert nicht einfach einen Waffenstillstand, sondern betont, die russischen Truppen müssten sich zurückziehen. Der Text verzichtet aber auf Kritik an der ROK. Zugleich räumt der ÖRK ein, dass die Begegnungen von russischen und ukrainischen Christen während der Vollversammlung keine echten Fortschritte brachten. Die ursprünglich in der Resolution geplante Formulierung über einen "ergebnisorientierten Dialog" zwischen Russen und Ukrainern wurde in der Endfassung gestrichen. Dennoch drückten die ÖRK-Verantwortlichen bei der Abschluss-Pressekonferenz die vorsichtige Hoffnung aus, dass es zu weiteren Gesprächen mit Ukrainern und Russen kommen könnte.
Der Ukraine-Krieg ist dabei nicht die einzige Konfliktlinie innerhalb der orthodoxen Kirche. Angesichts dessen zeigte sich der Vertreter des Ökumenischen Patriarchats von Konstantinopel beim ÖRK, Metropolit Job von Pisidien, erfreut über die Anwesenheit von Delegationen der verschiedenen Kirchen in Karlsruhe. Auch für diese sei der ÖRK ein "wichtiger Ort für Begegnung und Dialog".