"Samstagspilgern" wird zum Trend - auch für Kirchenferne

"Auch ein Tag tut gut"

Im Rheinland tun sie es, in Westfalen, Thüringen, in Bayern. "Samstagspilgern" ist ein neues Phänomen in der uralten Tradition des Pilgerns. "Pilgern liegt im Trend. Aber die wenigsten schaffen es, sich dafür gleich eine ganze Woche freizunehmen", sagt Petra-Maria Lemmen. Sie ist Pastoralreferentin im westfälischen Telgte und selbst seit kurzem Samstagspilgerin.

Autor/in:
Christoph Strack
 (DR)

Vielleicht denkt Lemmen da auch an die Leser von Hape Kerkelings Bestseller «Ich bin dann mal weg». Jene, die bei der Lektüre staunten über den mehr oder weniger frommen langen Marsch durch den Norden Spaniens. Und jetzt auf der Suche sind nach einem «Schnupper-Angebot».

Schon eine Auszeit von wenigen Stunden, so die 46-Jährige, sei für viele Menschen in der oft hektischen Gegenwart ein bisher unerfüllter Traum. «Auch ein Tag tut gut.» Sie beschreibt sich selbst als «begeisterte Pilgerin» und unterscheidet bewusst zwischen Wallfahren und Pilgern. Wallfahrer hätten meist ein bestimmtes Ziel vor Augen. Pilger sähen sich dagegen stets auf dem Weg und seien weniger straff organisiert. Zur ersten Samstags-Pilgertour, die Lemmen im Juni durchführte, kamen 15 Teilnehmer, die Hälfte von ihnen verfügte bereits über Pilger-Erfahrungen. Im Oktober steht der zweite Gang an. «Das Angebot kann die Leute an das Pilgern heranführen», hofft sie.

Die Internet-Suchmaschine Google kennt mittlerweile gut 13.000 Belege für «Samstagspilgern». Der Begriff kam laut Duden-Redaktion wohl aus der Schweiz nach Deutschland. In deren Register findet sich, wie Sprecherin Angelika Böhm erläutert, ein einziger Beleg für die Wortbildung - der stammt schon aus dem Jahr 2001. Die «Neuen Zürcher Zeitung» berichtete damals, dass sich in einem Zürcher Pilgerzentrum ein Samstagspilgern «eingebürgert» habe: «Der Pfarrer marschiert mit etwa 30 Interessierten in Etappen von Konstanz oder Rorschach bis nach Genf. Es werden unterwegs spirituelle Andachten gehalten, Gedichte vorgetragen, Lieder gesungen und - massvoll selbstverständlich - Gläser guten Weines genossen...»

Um 2004 kam die Initiative nach Mitteldeutschland, ein, zwei Jahre später folgten Westfalen und andere Regionen Westdeutschlands. «Es scheint den Bedürfnissen der Menschen entgegenzukommen», sagt Steffen Rödiger aus Bad Frankenhausen. Er kennt Ableger im Kölner Raum, in Bayern, auch jenseits der Grenze in Polen. Rödiger organisiert mit einigen Mitstreitern das «Samstagspilgern» in Thüringen und Sachsen/Sachsen-Anhalt seit gut fünf Jahren ehrenamtlich. Aus einer Route wurden bald zwei. Die Organisatoren legen - meist an alten Pilgerwegen orientiert - Anfangs- und Endpunkte fest, die mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen sind, sie bereiten kleine Andachten am Wege vor, «meist gezielt in den Kirchengemeinden vor Ort», so Rödiger. «Wir werden da mit offenen Armen empfangen. Das Angebot hat sich bei den Pfarrern und Priestern rumgesprochen.»

Im Laufe des Jahres werden die Einzeletappen zum Weg zwischen zwei historisch bedeutenden kirchlichen Stätten. «Jedes Mal haben wir bis zu 50 Teilnehmer und immer mal ein neues Gesicht», erläutert Rödiger. Er nennt unterschiedliche Motive für das eintägige Pilgern: Außer der finanziellen Seite, nicht gleich die Ausgaben einer einwöchigen Tour zu haben, auch die bewusste Verbindung von Spiritualität mit dem Alltag. Das Projekt ist ökumenisch, nicht alle besinnlichen Wanderer gehören auch einer der beiden Kirchen an. «Ich bin offiziell gar nichts», sagt der 49-Jährige selbst, «jetzt habe ich aber Kontakt zur evangelischen Kirche gefunden.» Dazu passt, dass die Pilgerinitiativen in Ostdeutschland nicht selten auch von säkularen Wandervereinen unterstützt werden.

Die katholische Pastoralreferentin Lemmen findet die bewusste Offenheit gar nicht schlimm. «Ich hoffe, auch Leute zu erreichen, die ein Stück weiter weg sind von der Kirche», sagt sie. Vielleicht greift der Trend ja auch auf andere Wochentage über. In der Schweiz pflegt man bereits das «Montagspilgern».