DOMRADIO.DE: Ganze 24 Quadratmeter ist dieser "Früchteteppich" groß. Was bedeutet das?
Brigitte Lindner (Schriftführerin im Förderverein "Alte Kirche" Sargenzell): Zusammenrollen und Mitnehmen ist da nicht drin. Dieser Teppich ist ein Kunstwerk aus Samenkörnern, ausgetrockneten Blüten, Blättern und Getreideprodukten. Alles liegt lose auf Spanplatten.
Wir haben eine künstlerische Leiterin, die uns zunächst ein Bild, ungefähr DIN A3 groß, malt. Daran haben wir uns orientiert, um die Spanplatten zu gestalten. Anhand dieser Vorlage wissen wir Frauen, die am Teppich arbeiten, welche Farben und Körner, Blüten und Blätter benötigt werden.
DOMRADIO.DE: Wie haben Sie diese klitzekleinen Körnchen und Blätter denn auf den Spanplatten befestigt?
Lindner: Die wurden nicht befestigt, das liegt alles lose auf den Spanplatten. Wir haben mit Pinseln gearbeitet, mit kleinen Mokka-Löffelchen oder Pinzetten. Wenn zum Beispiel Augen oder Augenbrauen gelegt werden müssen, dann werden die erstmal mit der Pinzette gelegt. Außenrum werden die Flächen etwas größer und dann arbeiten wir auch mit größeren Körnern.
DOMRADIO.DE: Und wenn ein Windstoß kommt?
Lindner: Wir haben in der "Alten Kirche" einen Windfang. Zunächst kommt die Tür, dann der Windfang und dann erst das Kirchenschiff. Dann liegt dort dieser 24 Quadratmeter große Teppich. Sogar mit Rollatoren ist es möglich, außenrum zu gehen.
DOMRADIO.DE: Woher kamen die Körner und Samen?
Lindner: Wir haben ein Portfolio von circa 120 verschiedenen Körnerarten, die größtenteils aus Spenden bestehen, die uns Besucher mitgebracht haben. Wir hatten mal Kontakt zu einer Firma aus Meiningen. Die haben für Reformhäuser und Apotheken, Tees, Kräuter und Gewürze in einem speziellen Verfahren getrocknet. Von denen haben wir Einiges bekommen. Das haben wir eingelagert und das benutzen wir alljährlich wieder.
Wenn die Aktion am 5. November beendet ist, saugen wir die Körner mit kleinen Staubsaugern wieder auf und im nächsten Jahr sitzen dann, während wir am Teppich arbeiten, fünf Frauen an einem Tisch und säubern diese Körner.
DOMRADIO.DE: Und dafür waren seit Monaten zwölf Frauen beschäftigt?
Lindner: Es sind cica 1.000 Arbeitsstunden.
DOMRADIO.DE: Der "Früchteteppich" ist auch sehr farbenprächtig. Wie kommen Sie denn an ein dunkles Rot oder an Blau?
Lindner: Wenn wir Rot brauchen, benutzen wir meistens rote Rosen, Pfingstrosen oder Lupinen. Wenn wir Farbabmischungen brauchen, hell oder dunkel, dann wird das mit gemahlenem Reis abgemischt, sodass wir bis zum Rosa hin, alle Farben mischen können.
So ist es auch bei den anderen Körnern. Wir haben Reis, Grieß, Linsen, Bohnen, Sesam, Fichtensaat, Kürbiskerne, Sonnenblumenkerne und so weiter. So bekommen wir dann alle Farben zusammen.
DOMRADIO.DE: Wenn sie so viel Zeit miteinander verbringen und Szenen aus der Bibel darstellen, was passiert da emotional oder spirituell gesehen?
Lindner: Wir unterhalten uns über die Geschichte und die Hintergründe dessen, was wir da legen. Es sind in diesem Jahr acht Evangelien, die wir darstellen. Das sind die Geburt Jesu, die Taufe im Jordan, die Heilung des Blinden, die Frau am Jakobsbrunnen, fünf Brote und zwei Fische, die Hochzeit zu Kana, die Auferstehung und die Versuchung in der Wüste.
Das ist auf der Seite jeweils rechts und links dargestellt. Es gibt unheimlich viel zu sehen.
DOMRADIO.DE: Dieser "Früchteteppich" ist auch noch eine karitative Geschichte. Wieso?
Lindner: Wir haben das initiiert, weil das Gebäude 1988 abgerissen werden sollte. Das Gebäude war sehr renovierungsbedürftig. Damals sagte Karl Brandl, der den Altar und den Kreuzweg in der neuen Kirche geschaffen hat: "Wenn ihr eure alte Kirche abreißt, dann wird euch die Neue auch nichts bedeuten." Da haben wir uns auf die Suche gemacht: Was können wir machen, um an Geld zu kommen und um dieses Gebäude zu erhalten?
DOMRADIO.DE: Woher kommt denn das Geld jetzt?
Lindner: Durch Spenden. Wir nehmen keinen Eintritt. Alle Besucher können Karten und Bilder kaufen oder einfach Geld da lassen. Damit haben wir diese "Alte Kirche" renoviert und erhalten. Dann ist etwas Gutes daraus entstanden.
Heute geben wir das Geld, das reinkommt, anderen, denen es nicht so gut geht wie uns. Wir unterstützen damit Projekte und Einzelschicksale.
Das Interview führte Uta Vorbrodt.
Information der Redaktion: Die Ausstellung ist ab Samstag, 9. September, bis Sonntag, 5. November, täglich von 10.30 bis 16.30 Uhr geöffnet. Ehrenamtliche Helfer erklären das Bild und die Bedeutung der einzelnen Geschehnisse und beantworten Fragen.