Schavan über ihre Zukunft in Rom und die Päpste

"Ich möchte Brücken bauen"

Seit Juli 2014 ist Annette Schavan deutsche Botschafterin beim Vatikan. Wie sie Papst Franziskus erlebt, warum der Malteserorden politisch wichtig ist und was sie nach ihrer Zeit in Rom macht, erläutert sie im Interview. 

Papst Franziskus und Annette Schavan / © Romano Siciliani (KNA)
Papst Franziskus und Annette Schavan / © Romano Siciliani ( KNA )

KNA: Sie vertreten seit gut drei Jahren Deutschland an der Spitze der katholischen Weltkirche. Was ist für Sie das Wichtigste dabei?

Annette Schavan (Deutsche Botschafterin beim Vatikan): Mein wichtigstes Anliegen ist es, zu erklären, in welcher Weise Deutschland ein religions-offenes und religions-freundliches Land ist. Und ich möchte Brücken bauen zwischen Menschen und Milieus, die eher wenig voneinander wissen.

KNA: Ihre Amtszeit begann ein gutes Jahr nach der Wahl von Papst Franziskus. Wie erleben Sie sein Pontifikat?

Schavan: Ich erlebe es als immer wiederkehrenden Aufruf zur Erneuerung. Der Kirche ruft er das Zweite Vatikanische Konzil und den Ursprung des Christentums in Erinnerung. Seine Worte an die Politik sind stets Worte der Ermutigung. Was und wie er etwas sagt, aber auch wie er agiert, ist weniger mahnend, sondern in erster Linie ermutigend. Er führt der Welt vor: Ihr habt mehr Potenzial, als ihr denkt.

KNA: Ein großes Thema von Franziskus ist der Einsatz für Migranten und Flüchtlinge. Überfordert er damit nicht?

Schavan: Nein. Ich empfinde auch seinen Einsatz für Migranten und Flüchtlinge zunächst ermutigend. Es gibt Reden, in denen er sehr wohl sagt: Ich weiß um die Schwierigkeiten bei der Aufnahme. Ich weiß, wie sehr wir uns damit überfordert fühlen können. Der Papst ist kein Fantast, er macht sich keine Illusionen.

Er weiß, wie anspruchsvoll Integration in jeder Gesellschaft ist. Gleichzeitig erinnert er uns aber daran, dass die Schwierigkeiten bei der Integration keine Möglichkeit sind, sich aus der Verantwortung zu ziehen. Denn mit dem Schicksal der Flüchtlinge und unserem Umgang mit ihnen wird der Kern der christlichen Botschaft angesprochen.

KNA: Am 15. November hat Deutschland auch mit dem Souveränen Malteserorden diplomatische Beziehungen aufgenommen hat. Was hat das Land davon?

Schavan: Wenn es um Humanität in der Welt geht, ist der Malteserorden schon jetzt ein wichtiger Akteur - und wird das künftig noch stärker sein. Wenn man etwa den Migrationsbericht des Ordens liest, wird klar: Das ist eine Gemeinschaft, die ganz konkret den Menschen in Not hilft. Gleichzeitig hat der Orden durch seine Arbeit viel Erfahrung gesammelt, die für die politische Arbeit wichtig ist.

Für Deutschland sind dieser Erfahrungsschatz des Ordens und seine konkrete Arbeit im Bereich der Humanitären Hilfe und bei der Betreuung von Flüchtlingen bedeutsam. Bemerkenswert ist, dass von den 80.000 ehrenamtlichen Mitarbeitern des Malteserordens rund 50.000 allein in Deutschland tätig sind. Ich bin daher froh, dass Deutschland und der Orden nunmehr auch diplomatische Beziehungen aufgenommen haben.

KNA: Deutschlands Vertretung bei den Maltesern übernimmt die Botschaft beim Heiligen Stuhl?

Schavan: Bei den meisten anderen Staaten, die diplomatische Beziehungen zum Malteserorden haben, wird dies so gehandhabt.

KNA: Heißt das: Sie bleiben länger in Rom?

Schavan: Ich werde bis zum Sommer nächsten Jahres hier sein, dann sind vier Jahre rum.

KNA: Was machen Sie dann?

Schavan: Wie sagt der Italiener: Vediamo - schauen wir mal ...

KNA: Es gab in den vergangenen Wochen die Debatte um Ihren möglichen Vorsitz bei der Konrad-Adenauer-Stiftung. Ist dieses Kapitel für Sie abgeschlossen?

Schavan: Das ist für mich definitiv abgeschlossen. Ja.

KNA: Bis zum Sommer überlegen Sie, was Sie stattdessen machen?

Schavan: Ich habe schon jetzt viele ehrenamtliche Aufgaben, etwa in verschiedenen Stiftungen wie der Ökumenischen Stiftung «Bibel und Kultur, die ich wieder wahrnehmen kann, wenn ich nach Deutschland zurückkehre. Daneben bin ich Gastprofessorin an einer Universität in Shanghai. Ich freue mich darauf, wieder mehr Zeit für diese Aufgaben in Deutschland und China zu haben.

KNA: Wie nehmen Sie die Debatte beziehungsweise den Vorwurf wahr, Franziskus weiche die kirchliche Lehre auf?

Schavan: Ich nehme wahr, dass manche sagen: Dieser Papst macht alles anders als seine Vorgänger. Aber ich kann das nicht bestätigen. Der Vorwurf klingt eher nach der Frage: Passt der eigentlich zu uns?

KNA: Also eine Stilfrage?

Schavan: Papst Franziskus erinnert mich in vielem an Papst Johannes XXIII., der die Unheilspropheten und all jene kritisiert hat, die meinten, es sei schon alles gesagt. Franziskus mahnt: Wir sind in der Gefahr, dass unsere Ideen sich so von der Wirklichkeit lösen, dass sie die Menschen nicht mehr erreichen und nicht mehr verändern können. Das ist nicht neu. Das war schon immer Aufgabe der Kirche. Man könnte es auch so zuspitzen: Papst Franziskus möchte, dass seine Kirche in der Gegenwart ankommt und Verantwortung übernimmt.

Das Interview führte Roland Juchem.


Quelle:
KNA
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