Schavan und Huber auf einer Linie - werben um die Verschiebung des Stichtags

Kein Dammbruch

Zwei Tage vor der Debatte zum Stammzellgesetz im Bundestag hat Bundesforschungsministerin Annette Schavan (CDU) nochmals für eine einmalige Stichtags-Verschiebung geworben. Dies sei weder ein "Dammbruch" noch eine Freigabe grenzenloser Forschung, sondern bleibe "in der Logik des Gesetzes", sagte sie am Dienstag in Berlin. Zugleich könne nur mit Hilfe der Vergleichsforschung an menschlichen embryonalen Stammzellen erreicht werden, dass ethisch unbedenkliche Alternativen wie die adulte Stammzellforschung erfolgreich seien.

 (DR)

Zurzeit dürfen deutsche Forscher nur an Stammzelllinien aus menschlichen embryonalen Stammzellen forschen, die vor dem 1. Januar 2002 gewonnen und importiert wurden. Schavan plädiert in einem fraktionsübergreifenden Antrag mit anderen Abgeordneten für eine Verlegung des Stichtags auf den 1. Mai 2007. Damit werde weiterhin garantiert, dass aus Deutschland kein Anreiz für den Verbrach von Embryonen für die Forschung ausgehe, sagte die Ministerin.

Schavan zufolge sei die Konzentration auf die adulte Stammzellforschung in Deutschland erfolgreich. Es sei nun die Aufgabe, auch international für alternative Forschungswege zu werben. Die Bundesregierung habe im vergangenen September einen entsprechenden Förderschwerpunkt für die adulte Stammzellforschung eingerichtet. Wenn hierfür mehr Geld als bisher zugesagt benötigt werde, dann komme auch "mehr Geld rein", so die CDU-Politikerin. Ziel sei "ganz klar", in Zukunft nicht immer mehr embryonale Stammzellen für die Forschung verbrauchen zu müssen.

Forschung nicht aussichtslos
Schavan kritisierte die Gegner einer Änderung des Stammzellgesetze im Bundestag für die Behauptung, dass die embryonale Stammzellforschung aussichtslos sei. Man müsse sich überlegen, "welche Gewissheiten man als Laie formuliert", sagte sie. Es liege in der Natur der Forschung, dass kommende Erfolge nicht vorhergesehen werden könnten.

Zur scharfen Kritik von katholischen Kirchenführern an ihrer Position sagte Schavan, sie sei überzeugt, dass sich niemand so viele Gedanken über den Lebensschutz mache wie die Christdemokraten in Deutschland.

Dies sollte und werde auch zur Kenntnis genommen. Ihrer Entscheidung für eine Stichtags-Verschiebung sei "ein langer Prozess mit vielen Fragen" vorausgegangen. Für sie sei es aber angesichts nicht zu ignorierender Tatsachen eine Frage von "intellektueller Redlichkeit", dass sie sich schließlich dafür entschieden habe.

Anleihe bei Huber
Es ist ungewöhnlich, dass eine überzeugte Katholikin sich einen evangelischen Kirchenführer als Argumentationshilfe nimmt.
"Verantwortungsethik ist eben hin und wieder auch heikel", sagt Bundesforschungsministerin Annette Schavan mit einem feinen Lächeln auf die Frage, wie sie mit der Kritik der katholischen Kirche an ihrer Position zum Stammzellgesetz umgehe. Sie zitiert damit den EKD-Ratsvorsitzenden Bischof Wolfgang Huber, der - genau wie die Ministerin - für eine einmalige Verschiebung des Stichtags zum Import embryonaler Stammzellen plädiert und dafür mitunter angefeindet wird.

Bei der dreistündigen Debatte im Bundestag am Donnerstag ist wieder mit einer gehörigen Portion Kritik an der CDU-Politikerin zu rechnen
- vor allem aus den eigenen Reihen und denen der Grünen, in denen sich die meisten Gegner einer Änderung der bestehenden Gesetzeslage finden.

Der Theologin Schavan, die passend über das Thema "Person und Gewissen" promovierte, ist anzusehen, dass sie ihre Position nicht leichtfertig vertritt. Diese Entscheidung sei die bisher schwierigste in ihrer politischen Karriere, sagte sie wiederholt. Ihr erklärtes Ziel ist es, embryonale Stammzellforschung auf lange Sicht überflüssig zu machen - daran glaubt sie angesichts der Erfolge der ethisch unbedenklichen adulten Stammzellforschung. So paradox es scheinen mag, ist dafür aus ihrer Sicht aber zunächst weiterhin die embryonale Stammzellforschung nötig, um Vergleiche zu ermöglichen.

Zwischen den Stühlen
Der Spagat zwischen Forschungsfreundlichkeit und der Haltung ihrer Kirche ist der gebürtigen Rheinländerin dabei nicht gelungen. Der Kölner Kardinal Joachim Meisner warf ihr Unwahrhaftigkeit und einen "Missbrauch des Wortes 'katholisch'" vor.

Als überzeugte Katholikin und Politikerin befindet sich Schavan allerdings schon lange zwischen den Stühlen. Nicht überall gern gesehen ist ihre Unterstützung der Laienorganisation Donum Vitae, die Schwangere in Konfliktsituationen berät. Umgekehrt wurde sie als frühere Kultusministerin Baden-Württembergs für ihre harte Haltung im sogenannten Kopftuchstreit kritisiert, auf der sie auch als Bundesministerin beharrt. Grünen-Fraktionsgeschäftsführer Volker Beck nannte ihr Schulgesetz einen "christlichen Kreuzzug" gegen muslimische Frauen mit Kopftuch.

Was die Stammzell-Frage betrifft, spricht die frühere Vizepräsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken von einer "Frage von intellektueller Redlichkeit". Die "gesamte" Forschungsgemeinschaft sei überzeugt, dass die jetzt verfügbaren Stammzelllinien nicht mehr ausreichten. Ganz praktisch fürchtet sie zudem verfassungsrechtliche Konsequenzen, wenn irgendwann angesichts zunehmender Unbrauchbarkeit der Stammzelllinien ein "faktisches Forschungsverbot" entstünde.

Einen Widerspruch zwischen der Forschungsministerin einerseits und der Christin und Lebensschützerin andererseits sieht Schavan hier nicht. Es gehe nicht um die Alternative "Lebensschutz" oder "grenzenlose Forschung", betont sie. Denn weder bei dem von ihr unterstützten Antrag noch bei den anderen werde das Embryonenschutzgesetz in Frage gestellt.