DOMRADIO.DE: Was muss jemand tun, der in Ihrem Pflegeheim seine Oma, seine Mutter oder seinen Vater besuchen möchte?
Ulrich Zerreßen (Leiter des Evangelischen Pflegeheims Bethanien in Braunschweig): Er meldet sich vorne beim Empfang, dann wird eine Gesundheitsabfrage vorgenommen, wobei der Besucher erklärt, dass er kein Fieber hat und nach eigenem Ermessen keine Gefährdung darstellt im Bezug auf Corona.
Er bekommt von uns einen Mund- und Nasen-Schutz und desinfiziert sich die Hände. Die Dame am Empfang begleitet ihn zu einem Testraum, den wir ganz in der Nähe extra neu eingerichtet haben. Aus Sicherheitsgründen bekommt man dann noch einen Einmalkittel und es wird ein Abstrich der Schleimhaut vorgenommen.
Der Abstrich wird in eine Lösung gegeben, und dort nach rund zwei Minuten die Teststreifen eingeführt. Diese Teststreifen wiederum antworten nach rund 15 Minuten mit einem klaren Ergebnis. Nur ein Strich auf dem Teststreifen bedeutet "okay", zwei Teststriche bedeuten "Corona positiv".
DOMRADIO.DE: Viele fragen sich jetzt, warum das nicht flächendeckend so gemacht wird. Andere sagen: Wenn wir unsere Einrichtungen so ausrüsten, fehlt das Pflegepersonal an anderer Stelle. Wie haben Sie das gelöst?
Zerreßen: Also, wir haben das erst mal dadurch gelöst, dass wir das Kontingent festgelegt haben. Und da, das darf ich einfach mal so sagen, scheitern vielleicht viele dran. Wir haben uns von Anfang an Gedanken gemacht, wie hoch die Belastung sein wird und die Anzahl der Besuche geregelt.
Jeder Besucher braucht einen Termin. Wir haben eine Nummer geschaltet, die allen Angehörigen, die uns hier besuchen, bekannt ist. Und dieser Termin heißt: Wir geben alle zehn Minuten einen festen Plan zum Beispiel an Angehörige raus, wenn sie als Besucher zu uns ins Haus kommen möchten.
Von daher haben wir erst mal die Dimension von vornherein begrenzt. Der zweite Punkt ist: Wem kann man wie viel zumuten? Entsprechend haben wir die Arbeit auf eine Vielzahl von Plätzen verlegt. Alleine hier in unserem 240-Betten-Haus haben wir glaube ich zwölf oder 13 Mitarbeiter in einem klaren Dienstplan mit Tests.
Da kommt sogar schon mal die Pflegedienstleitung zum Einsatz. Selbst die Heimleiterin, die natürlich eine ausgebildete Pflegefachkraft ist, engagiert sich zweimal die Woche und testet mit.
DOMRADIO.DE: Haben Sie eine Vorstellung davon, warum andere zögern?
Zerreßen: Das hat etwas damit zu tun, dass man ein Grundgerüst, eine Grundstruktur entwickeln muss. Das Problem in Deutschland ist ja, dass wir zu wenig Fachkräfte haben, sowohl in Brauschweig als auch in Nordrhein-Westfalen. Von daher findet man draußen am Markt keine Kräfte, die diese Arbeit zusätzlich verrichten können.
Und man kann nur sagen: Hilf dir selbst oder dir hilft keiner. Wir haben dann das, was wir an Fachkräften eventuell noch aus der Pflege rausgezogen haben, von unten mit Zeitarbeit ersetzt.
Die Zusatzkosten, die damit verbunden sind, auch was das Personalpolitische anbelangt, die kann man ja nach Paragraph 150 SGB 11 bei der Pflegekasse abrechnen. Das ist der Rettungsschirm für die Pflegeheime. Insofern treten da keine zusätzlichen Kosten auf.
DOMRADIO.DE: Bräuchten Alten- und Pflegeeinrichtungen mehr finanzielle Unterstützung aus der Politik?
Zerreßen: Ja, mehr aber noch die Unterstützung in der Umsetzung solcher Rechtsverordnungen. Nicht jeder von uns versteht solche Rechtstexte und wie man sie für sich nutzt. Daran hapert es oft.
Und dann sollte man vielleicht auch mal versuchen zu überlegen: Wie kann ich mir selber helfen, statt mich nur auf die öffentliche Hand zu verlassen, damit ich meinen Bewohnern an der Stelle ein bisschen mehr Sicherheit bieten kann? Selber anpacken und auch mal eben machen.
DOMRADIO.DE: Merken Sie jetzt die Auswirkungen? Sie mussten ja im Frühjahr auch die Bewohner isolieren. Das können Sie jetzt umgehen. Was bedeutet das jetzt für die älteren Menschen, für die Besucher? Kriegen Sie da ein Feedback?
Zerreßen: Ja, natürlich. Wir haben einen ganz normalen Besuchsverkehr im Hause. Man muss wie gesagt Tests an sich durchführen lassen. Die positive Auswirkung ist, dass dieses Testen einfach auch die Gesamtlage entspannt. Wir haben nur zwei positive Fälle bislang.
Einmal bei einer Angehörigen und einmal bei einem Mitarbeiter, der normalerweise im ganzen Haus unterwegs ist. Das hätte kräftig ins Auge gehen können.
DOMRADIO.DE: Was halten Sie denn davon, dass die Coronaregeln Weihnachten gelockert werden? Bei Ihnen wird es dann vermutlich auch mehr Besuch geben. Ist das eine gute Idee?
Zerreßen: Also, es ist insofern eine gute Idee, wenn man sich darauf einstellt und das haben wir ja bereits getan. Wer vom Weihnachtsurlaub zurück ins Pflegeheim kommt und länger als 24 Stunden weg war, muss sich einem Antigentest bei uns unterziehen.
Wir werden auch an Weihnachten die Besuchsabstände, also die Zehn-Minuten-Regelung, nicht aufweichen. Wir fordern unsere Angehörigen jetzt schon auf, sich für Weihnachten entsprechend rechtzeitig Termine geben zu lassen. Wir werden die Frequenz von zehn Minuten nicht verkleinern, denn sonst gibt es Staus vor den Antigen-Tests.
Solche Staus sind das Beste, was Corona passieren kann. Lasst uns nicht darauf eingehen.
Das Interview führte Dagmar Peters.