Schöpfungsbeauftragter startet Petition für mehr Klimaschutz

"Mir fehlt Mut in der Politik"

Wir brauchen eine "Vollbremsung auf dem Highway zur Klimahölle". Mit deutlichen Worten fordern die Bischöfe und viele weitere Kirchenvertreter zum Umsteuern beim Klimaschutz auf. Christian Weingarten hat den Appell initiiert.

Protest beim Globalen Klimastreik (Archiv) / © Julia Steinbrecht (KNA)
Protest beim Globalen Klimastreik (Archiv) / © Julia Steinbrecht ( KNA )

DOMRADIO.DE: Was steht in dem Appell drin, der heute veröffentlicht wurde? Was fordern die Unterzeichnerinnen und Unterzeichner?

Dr. Christian Weingarten (Leiter des Fachbereichs Schöpfungsverantwortung im Erzbistum Köln): Über 80 Unterzeichnende fordern zum einen, dass Klimaschutz in der politischen Debatte wieder ernst genommen wird und vor allem, dass wissenschaftliche Erkenntnisse im Vordergrund stehen und nicht eine Debattenkultur, die wir im Moment erleben, die Emotionen befördert, vom Thema ablenkt und vor allen Dingen ablenkt davon, wie ernst es um das Klima steht.

Christian Weingarten (Erzbistum Köln)

Auf der anderen Seite sagen die Unterzeichnenden damit auch: Wir wollen unsere Hausaufgaben machen. Wir wollen, dass die Einrichtungen, für die wir stehen, möglichst schnell aus fossilen Energien aussteigen. Wir wollen dort Umweltschutz vorantreiben und gucken, wie wir als Christen und Christinnen die Bewahrung der Schöpfung als leitende Persönlichkeiten voranbringen können.

DOMRADIO.DE: Über das Thema wird viel gesprochen. Es gibt auch wahnsinnig viele gute Ideen, die zum Teil einfach umzusetzen wären, zum Beispiel das Tempolimit oder die Fassadenbegrünung. Was ist das Problem?

Weingarten: Wir stehen in der Gesellschaft im Moment an der Schwelle, dass wir wirklich verstanden haben und in diesen Hitze-Tagen auch spüren, dass der Klimawandel bei uns angekommen ist. Aber jetzt müssen wir uns verändern.

Veränderungen in der Gesellschaft sind immer schwierig. Das ist, glaube ich, die ganz große Herausforderung. Das lenkt dann in politischen Diskussionen ab, wo wir Lösungen forcieren, die vielleicht weit in der Zukunft liegen wie Wasserstoff, obwohl wir eigentlich Lösungen wie das Tempolimit jetzt schon haben, die schnell umsetzbar und wirksam wären.

Aber da schaffen wir nicht zu agieren, weil wir in anderen Mustern denken, realpolitisch vielleicht in Richtung Wahlkampf denken, im Herbst in Bayern und Hessen. Da wird nicht lösungsorientiert gedacht, obwohl viele Lösungen schon auf dem Tisch liegen.

Christian Weingarten

"Jetzt müssen wir uns verändern."

DOMRADIO.DE: Liegt da auch eine Bremse in politischen Entscheidungen?

Weingarten: Ich glaube ja. Das finde ich so faszinierend an Papst Franziskus, der in der katholischen Kirche wirklich den Klima- und Umweltschutz mit seiner Enzyklika "Laudato Si" zur Chefsache gemacht hat. Darin schreibt er, dass wir Ehrlichkeit, Mut und Verantwortlichkeit für diese Entscheidung brauchen. Mir fehlt oft dieser Mut in der Politik, Dinge voranzutreiben, gerade in dieser großen gesellschaftlichen Frage wie der Klimakrise.

Enzyklika "Laudato si"

Klimawandel, Artenvielfalt, Trinkwasser: Diese Themen bestimmen die Umweltenzyklika von Papst Franziskus. Er wendet sich damit an "alle Menschen guten Willens" - und erklärt, warum eine ökologische Umkehr auch soziale Gerechtigkeit bedeutet. Papst Franziskus hat die reichen Industrienationen zu einer grundlegenden "ökologischen Umkehr" aufgefordert, um globale Umweltzerstörung und Klimawandel zu stoppen.

Deutsche Ausgabe der Enzyklika "Laudato si" / © Cristian Gennari/Romano Siciliani (KNA)
Deutsche Ausgabe der Enzyklika "Laudato si" / © Cristian Gennari/Romano Siciliani ( KNA )

DOMRADIO.DE: Gibt es ein konkretes Beispiel, wo die Kirche sagt: Wir würden das sofort umsetzen, wenn da nicht etwas Politisches im Wege stehen würde?

Weingarten: Ein ganz konkretes Beispiel ist immer Photovoltaik und Denkmalschutz. Wo steht der Denkmalschutz im Vordergrund, wo die Photovoltaik?

Ich finde, man kann beides gut kombinieren, sodass beides erhalten bleibt. Ein Beispiel dafür ist das Priesterseminar in Köln, wo wir riesengroße innenliegende Dachflächen haben, auf denen wir sehr gut Photovoltaik aufbringen könnten, aber in Teilen nicht dürfen, obwohl man es von außen eigentlich gar nicht sieht. Da sagen wir: Es braucht politische Rahmenbedingungen, die erneuerbare Energien einfacher machen.

Auf der anderen Seite ein Beispiel aus unserem Bistum: Wir haben im letzten Jahr erlassen, dass in Kirchen keine fossilen Heizungen mehr eingebaut werden dürfen. Wir haben also selbst Leitplanken gesetzt. Das hat dazu geführt, dass Kirchengemeinden auf einmal angefangen haben, Lösungen in Richtung erneuerbarer Energien zu entwickeln. Genau diese Leitplanken brauchen wir in den Kirchen und in den kirchlichen Einrichtungen auch auf politischer Ebene.

Christian Weingarten

"Es braucht politische Rahmenbedingungen, die erneuerbare Energien einfacher machen."

DOMRADIO.DE: Ihr Appell richtet sich an die deutsche Bundesregierung und die Landesregierungen. Die Kritik lautet, dass sachliche Auseinandersetzungen oftmals mit Populismus und Ablenkung gelöst werden, also dass die politischen Verantwortungsträger die Debatte emotional befeuern statt vernünftig zu diskutieren. Jetzt rufen die kirchlichen Institutionen, Verbände und Führungskräfte laut "Stopp!".

Weingarten: Richtig, das ist etwas, das ich schon lange fordere, genau wie Jörg Alt und Astrid Schaffer, die den Appell mit initiiert haben. Einer der Auslöser war auch die Demonstration in Erding, bei der aus meiner Sicht nicht wirklich über das Thema diskutiert wurde, sondern viele populistische Fragestellungen im Vordergrund standen. Da muss Kirche die Stimme erheben. Wir haben letztendlich den Auftrag, die Schöpfung zu bewahren. Und um die Schöpfung zu bewahren, brauchen wir die Politik in Deutschland. Das können wir nicht allein in unseren kleinen Kirchorten.

Wir können die Debatten, wie sie im Moment geführt werden können, nicht alleine lassen als Kirche, sondern ich finde, wir müssen uns da einbringen und gerade auch im Bereich der Caritas, und die in dem Appell sehr stark vertreten ist. Viele Caritas-Direktoren und -Direktorinnen sehen, dass vor allem die Ärmsten am meisten unter dem Klimawandel leiden. Auch für diese Menschen sollten wir weltkirchlich gesehen die Stimme erheben und sagen: Ja, wir brauchen eine lösungsorientierte Politik und keine Politik, die nur um Wählerstimmen kämpft.

Christian Weingarten

"Da muss Kirche die Stimme erheben. Wir haben letztendlich den Auftrag, die Schöpfung zu bewahren."

DOMRADIO.DE: Der Jesuitenpater Jörg Alt, den Sie erwähnen, setzt sich unter anderem dafür ein, dass das Containern keine Straftat mehr sein soll. Ist das Thema Lebensmittel auch in den Forderungen enthalten?

Weingarten: Ja, das ist auch eine Forderung, genauso wie der Umweltschutz, denn letztendlich kann man das Thema Klima- und Umweltschutz nur zusammen, in einer ganzheitlichen ökologischen Fragestellung lösen. Das sagt auch Papst Franziskus in seiner Enzyklika, in der er ein ganzes Kapitel der Frage nach der ganzheitlichen Ökologie gewidmet hat.

Wir können hier nicht Solarzellen aufs Dach setzen und Windräder bauen und gleichzeitig Futtermittel aus Südamerika einkaufen, wo Regenwald gerodet wird und letztendlich eine Grundlage für unseren Klimaschutz geraubt wird. Das müssen wir in einer globalen Perspektive denken.

Christian Weingarten

"Wir können hier nicht Solarzellen aufs Dach setzen und Windräder bauen und gleichzeitig Futtermittel aus Südamerika einkaufen."

DOMRADIO.DE: Als erster Bischof hat Kardinal Woelki den Appell unterschrieben. Mussten Sie ihn lange bitten oder wie lief das?

Weingarten: Bitten mussten wir nicht. Da muss man ehrlicherweise sagen, dass Klimaschutz und Umweltschutz ihm ein großes Anliegen ist. Das hat 2019 gezeigt, als die Vision Schöpfungsverantwortung für das Erzbistum Köln rausgekommen ist und wir im Erzbistum mit einem großen Fachbereich Fortschritte im Klima- und Umweltschutz machen.

Im Moment sind nur drei leitende Bischöfe von Diözesen in Deutschland dabei. Ich hoffe, dass in den nächsten Tagen noch einige dazukommen. Das zeigt, dass in Deutschland noch nicht alle Bistümer verstanden haben, wie wichtig Klima- und Umweltschutz ist.

DOMRADIO.DE: Man kann noch unterschreiben?

Weingarten: Genau, jede Person die sagt: Ja, aus meinem katholischen und christlichen Auftrag heraus möchte ich die Schöpfungsbewahrung ernst nehmen und da, wo ich agiere, möchte ich das auch umsetzen, und gleichzeitig aber an die Politik appellieren: "Bitte nehmt Klimaschutz endlich ernst!".

Das Interview führte Uta Vorbrodt.

Bischöfe und kirchliche Verbände dringen auf mehr Klimaschutz

Prominente Kirchen-, Ordens- und Verbändevertreter fordern die Politik zu mehr Anstrengungen für den Klimaschutz auf. Zugleich betonen die Unterzeichner des Appells "Wir sind bereit", sie seien selbst bereit zu mehr Engagement gegen den Klimawandel. Sie beklagen aber auch "zu viele Unklarheiten und bürokratische Hemmnisse".

Symbolbild Klimaschutz, Umweltschutz / © rangizzz (shutterstock)
Symbolbild Klimaschutz, Umweltschutz / © rangizzz ( shutterstock )
Quelle:
DR