Am Donnerstag wird Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) in Äthiopien landen. Aber die Aufmerksamkeit des Gastgebers absorbieren gerade Andere – Geflüchteten aus dem Sudan. Und die Institution, die sich eigentlich um sie kümmern sollte, die in Äthiopiens Hauptstadt Addis Abeba ansässige Afrikanische Union (AU), schaut zu.
Flüchtende aus dem Sudan
Mehr als 3.500 Geflüchtete aus dem Sudan waren vor dem vergangenen Wochenende in Äthiopien gelandet. Hunderttausende weitere könnten laut den Vereinten Nationen noch folgen.
Äthiopiens Nachbar befindet sich in Aufruhr, seit vor zweieinhalb Wochen erbitterte Gefechte zwischen der regierenden Armee und den paramilitärischen Rapid Support Forces (RSF) ausbrachen. Mehr als 500 Menschen starben, weitere 5.000 wurden bei den Boden- und Luftschlägen verletzt.
Sorge um den Kontinent
Unterdessen befürchten Politologen Auswirkungen auf ganz Nordostafrika. "Gott bewahre, dass es im Sudan zu einem ausgewachsenen Bürgerkrieg kommt. Das wäre ein Albtraum für die Welt", warnte vor wenigen Tagen Sudans Ex-Ministerpräsident Abdalla Hamdok. Auch der Ökonom Natale Labia in Südafrika fürchtet, der Sudan könnte "halb Afrika" mit sich ins "Chaos" ziehen. Um "Stabilität zurückzubringen", will nun Äthiopiens Premier Abiy Ahmed zwischen den rivalisierenden Militärführern vermitteln. Letzte Woche habe er mit beiden telefoniert.
Äthiopien steht vorm Flächenbrand
Für Abiy wäre die Vermittlerrolle eine dringend notwendige Politur für sein angekratztes Image. Denn bloß ein Jahr, nachdem er 2019 für die Versöhnung mit dem Erzrivalen Eritrea mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet worden war, erklärte der Regierungschef dem eigenen Volk den Krieg: Im Konflikt mit den Tigray-Rebellen starben an die 600.000 Menschen. Vergangenen November unterzeichneten die Bürgerkriegsgegner in der südafrikanischen Hauptstadt Pretoria einen Friedensvertrag. Seitdem findet die Provinz wieder langsam zum Alltag zurück.
Allerdings: Tigray ist nur einer von vielen Glutherden, die Afrikas zweitbevölkerungsreichstes Land in einen Flächenbrand zu verwandeln drohen. Experten warnen vor einem sich ausweitenden "ethnischen Nationalismus". Die Gräben zwischen Äthiopiens mehr als 90 Volksgruppen sind tief. "Nach dem Friedensdeal, der den Krieg in Tigray beendete, stieg die Gewalt in Oromia an", berichtet das Magazin "The New Humanitarian". Auch in diesem seit fünf Jahren schwelenden Konflikt sei es zu "Massakern" an Zivilisten gekommen.
Konflikte Thema des Besuchs
Die vielen Konflikte bestimmen auch den Besuch von Bundeskanzler Scholz von Donnerstag bis Samstag. Neben Treffen mit Ministerpräsident Abiy Ahmed und Staatspräsidentin Sahle-Work Zewde steht auch eine Visite beim Interimschef der Tigray-Provinz, Gatchew Reda, an. Im Mittelpunkt stehen laut Bundesregierung "die Fortsetzung des Friedensprozesses sowie regionale und internationale Sicherheitsthemen, insbesondere die Situation im Sudan".
Mit dem Präsidenten der Afrikanischen Union, Moussa Faki, will sich Scholz über die Friedenssicherung auf dem Kontinent und die Zusammenarbeit in den Bereichen Handel, Ernährungssicherheit und Klimawandel austauschen. Die AU hat ihren Sitz in der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba. Oft wurde ihr in der Vergangenheit fehlende Distanz zu den Konflikten in der Region vorgeworfen sowie eine schwache Rolle als Friedensstifterin. Letzte Woche forderte Südafrikas Regierungspartei ANC die AU zum "dringenden Handeln" im Sudan auf: Der Staatenbund müsse eine Übergangsregierung einfordern, die "glaubhaft" den Weg zurück in die Demokratie ebne.
Energieerzeugung in Kenia
Scholz' zweites Etappenziel ist Kenia – ein Berlin zufolge "wichtiger Partner in globalen Fragen und Sicherheitsthemen". Daneben arbeiten Deutschland und Kenia bei der grünen Energieerzeugung eng zusammen. Am Naivashasee, 70 Kilometer nordwestlich der Hauptstadt Nairobi, will der SPD-Politiker die größte Geothermie-Anlage in Afrika besuchen. Kenia gilt als Vorreiter in Sachen nachhaltige Energie: Etwa 80 Prozent davon kommen derzeit aus Erdwärme, Sonnen-, Wasser- oder Windkraft. Bis 2030 sollen es 100 Prozent sein. Bei seiner Antrittsrede im vergangenen September appellierte Präsident William Ruto an die Welt, ihre "Abhängigkeit von Fossilenergie zu beenden".