DOMRADIO.DE: Früher wurde ordentlich in den Klöstern gezittert. Wie war denn die Heizsituation?
Dr. Christiane Wabinski (Museumspädagogin im Landesmuseum für Klosterkultur, Kloster Dalheim): Man muss sich vorstellen, dass es in den Räumen im Winter Temperaturen um den Gefrierpunkt herrschten. Es war also nicht besonders gemütlich.
Aber die Ordensleute waren auch sehr auf Askese eingestellt. Das heißt, sie waren sehr genügsam und verzichteten auch auf den Luxus einer Heizung und eines Wärmespeichers. Sie hatten andere Tricks, sich zu behelfen.
DOMRADIO.DE: Welche?
Wabinski: Es gab die sogenannte Wärmestube. In dem durften sie sich allerdings nur eine Stunde am Tag aufwärmen. Die funktionierte nach einem ganz ausgeklügelten System. Im Keller des Klosters befand sich eine Heizanlage. Dort wurde ordentlich Feuer gemacht. Dann wurde das gelöscht und die warme, aber rauchfreie Luft über gemauerte Kanäle in den darüberliegenden Raum geleitet. Die Luft konnte auch über Klappen, die geschlossen und geöffnet werden konnten, reguliert werden. Das war dann das sogenannte Kalefaktorium, also die Stube, die man warm machen konnte.
Lediglich die benachbarten Schreiber-Mönche im Scriptorium durften sich öfter am Tag aufwärmen. Für die gab es eine Sonderregelung, denn sie brauchten für ihre Tätigkeit des Bücherabschreibens und -ausmalens natürlich besonders geschmeidige Hände und Finger.
DOMRADIO.DE: Es blieben also 23 kalte Stunden übrig. Aber da hatte Hildegard von Bingen einige Empfehlungen, was man bei Kälte machen kann. Erstaunlicherweise ist da auch Wein und Bier dabei.
Wabinski: Hildegard von Bingen, die berühmte Äbtissin aus dem zwölften Jahrhundert, empfiehlt im Winter wärmende, Energie spendende Speisen und natürlich auch Wein und Bier.
Aber sie empfiehlt die Einnahme nicht einfach pur, sondern hat besondere Tricks. Zum Beispiel rät sie zu einer Art von Würzwein. Dabei fügt man dem Wein wärmende Gewürze hinzu, wie zum Beispiel Galgant, ein scharfes, pfefferartiges Gewürz, das sie als sehr wärmend empfindet.
DOMRADIO.DE: Was gibt es noch an wärmenden Kräutern und Gemüsen. Was hat Hildegard von Bingen noch rausgefunden?
Wabinski: Zu den Kräutern zählt sie Wermut, Thymian, krause Minze und zu den Gewürzen Muskat, Zimt, Nelke und den besagten Galgant. Über den Muskat sagt sie: "Muskatnuss hat große Wärme und eine gute Mischung in ihren Kräften. Und wenn ein Mensch die Muskatnuss isst, öffnet sie sein Herz und reinigt seinen Sinn und bringt ihm guten Verstand".
Dinkel das beste Getreide
Unter den Gemüsesorten hebt sie besonders den Fenchel hervor, den sie als wärmenden Tee mit einer Prise Zimt versieht. Dann hat sie noch ein Lieblingsgetreide. Von den 200 Pflanzen, die sie beschreibt, hat sie den Dinkel am liebsten. Sie sagt: "Dinkel ist das beste Getreide. Er ist warm und fett und kräftig, und er macht frohen Sinn und Freude".
DOMRADIO.DE: Merkt man denn heute in Ihrem Kloster Dahlheim noch etwas von der eisigen Atmosphäre damals?
Wabinski: Ja, wenn Sie die Klosterkirche betreten, bekommen Sie schon ein Gespür dafür, wie es sich anfühlt, wenn sich die Raumtemperaturen einer mittelalterlichen Klausur um den Gefrierpunkt herum befinden. Unsere Klosterkirche ist nicht geheizt, ist nicht temperiert. Die ist also original. Da haben wir gerade null Grad. Das fühlt sich nicht gut an. Da möchte man eigentlich nicht dauerhaft in diesem Raum sein.
DOMRADIO.DE: Gibt es denn in Ihrem Klostercafé auch die ganzen Rezepte von Hildegard von Bingen? Kann man da ausprobieren, was wirklich wärmt?
Wabinski: Wir haben Gewürze, die in den Hildegard-Rezepten vorkommen, wie Galgant oder Bertram, auch Suppenwürfel mit diesen Gewürzen versehen oder Tees, die auf dieser Basis zusammengestellt sind. Nicht zu vergessen haben wir auch den wärmenden Blütenhonig von Dahlheimer Bienen.
Das Interview führte Heike Sicconi.