KNA: Monsignore Kleine, wie bewerten Sie die Debatte um den muslimischen Schützenkönig in Werl-Sönnern?
Monsignore Robert Kleine: Ich bin überrascht über das Ausmaß der Kritik, angefangen vom Zentralrat der Muslime bis zu Nordrhein-Westfalens Integrationsminister Guntram Schneider, der von einem "Stück aus dem Tollhaus" redet. Da wird das Kind mit dem Bade ausgeschüttet. Die Frage ist doch, wie man mit dem Glauben von Menschen umgeht. Die meisten Historischen Schützenbruderschaften sind nun einmal konfessionell gebunden und haben ein religiöses Fundament, das - für manche vielleicht überraschend - hin und wieder auch zum Ausdruck kommt.
KNA: Warum passt ein gut integrierter Muslim, der offenbar kein Problem hat mit der religiösen Ausrichtung, nicht in einen katholischen Schützenverein?
Kleine: Die Bruderschaften haben eine jahrhundertelange Tradition: Ihr Zeichen ist das Kreuz, Schutzpatron ist der Heilige Sebastianus oder ein anderer Heiliger, der vorbildlich als Christ gelebt hat.
Wenn ich den Glauben von Muslimen ernst nehme, kann ich doch nicht erwarten, dass ein muslimischer Schützenbruder etwa das christliche Kreuz ansteckt oder an Fronleichnam hinter dem Allerheiligsten hergeht. Manche tragen heutzutage zwar das Kreuz als Modeschmuck, in einer Bruderschaft sollte es jedoch Glaubensbekenntnis und Ausdruck einer inneren Haltung sein.
KNA: Aber Herr Gedik ist doch freiwillig eingetreten...
Kleine: Es ist wirklich ein Dilemma: Da ist jemand eingebunden in eine Bruderschaft, ist anerkannt, fühlt sich wohl. Das ist in den Augen der Gesellschaft eine gelungene Integration, und jetzt kommt die Kirche und haut da wieder drauf. Aber es ist diffiziler. Ich denke, es ist gut und richtig, dass es Vereine mit einem bestimmten Profil und entsprechenden Mitgliedern gibt. Aber wir erleben solchen Widerspruch bezüglich der katholischen Kirche auch beim Thema Homosexuelle oder wiederverheiratete Geschiedene. Da wir jedoch ein katholischer Verband sind, treten wir für bestimmte Traditionen und Werte ein.
KNA: Der Verband hat die Schlagworte "Glaube - Sitte - Heimat". Das klingt für manchen fast befremdlich.
Kleine: Im Gegenteil, sie sind aktuell: Glaube steht für das christliche Fundament, Sitte für das gute Miteinander in der Gemeinschaft, getragen von Gottes- und Nächstenliebe, und Heimat steht nicht etwa für Heimattümelei oder irgendeinen Nationalismus, sondern für den Ort, wo ich zu Hause und geborgen bin, wo die Menschen sind, die ich liebe und für die ich da bin, aber auch für den verantwortlichen Umgang mit der Schöpfung.
KNA: Was können die Historischen Schützenbruderschaften aus der aktuellen Debatte lernen?
Kleine: Sie ist vielleicht ein Ausgangspunkt für eine neue Diskussion über unser Selbstverständnis: Ist unseren Schützen bewusst, dass sie in einer katholischen Bruderschaft sind? Wollen sie das? Das sollte nicht nur im Dachverband, sondern auch in den einzelnen Bruderschaften diskutiert werden. Wenn man sich aber weiterhin für ein kirchliches Profil entscheidet, verwahre ich mich gegen den Vorwurf, man sei damit gegen Integration. Nur wenn ich meinen eigenen Standort kenne, kann ich in einen fruchtbaren Dialog mit anderen treten. Das ist übrigens besser, als wenn jemand gar keine Haltung hat.
KNA: Warum ist das Ihrer Meinung nach in der Öffentlichkeit so schwer zu vermitteln?
Kleine: Wir haben in unserer Gesellschaft die Tendenz, dass alles für alle möglich sein muss, alles gleich gültig ist. Dadurch wird aber vieles gleichgültig. Das hat nichts mit Ausgrenzung zu tun, sondern mit einer drohenden Profillosigkeit. Es kann doch auch nicht im Sinne der Integration sein, dass man religiös gebundene Vereine - ob für Christen, Juden, Muslime oder andere - als provinziell und von gestern diffamiert.
KNA: Was soll jetzt mit Schützenkönig Gedik geschehen?
Kleine: Ich wünsche ihm ein schönes Königsjahr, aber er soll bitte dafür Verständnis haben, dass er beim Bezirksschießen und nächsten Wettbewerben nicht antreten kann, weil es der Satzung unseres Verbandes widerspricht. Weitere Konsequenzen müssen auf anderer Ebene entschieden werden. Ich bin auch gerne bereit, nach Sönnern zu fahren und mit allen Beteiligten zu sprechen.
Das Interview führte Sabine Kleyboldt