Wirbel um Ablehnung eines Muslims als katholischer Schützenkönig

"Toll, dass Sie das Urdeutsche wahren"

Erst lehnen sie ein schwules Königspaar ab und nun einen muslimischen Schützenkönig – die Schützenbrüder stehen wieder in der Kritik. Doch der Verband verteidigt seine Haltung und verweist auf seine katholische Tradition.

Autor/in:
Sabine Kleyboldt
Schützenkönig Mithat Gedik (dpa)
Schützenkönig Mithat Gedik / ( dpa )

Schon wieder hat Rolf Nieborg unliebsame Nachrichten im Postfach. "Ich bekam heute schon E-Mails, die mich als Nazi und Ewiggestrigen beschimpfen", so der Sprecher des Bundes Historischer Deutscher Schützenbruderschaften (BHDS). Parallel melde sich aber auch die rechte Szene mit: " 'Toll, dass Sie das Urdeutsche wahren.' - Damit muss man wohl leben", meint er leicht resigniert.

Denn als Vorstandssprecher eines auf Tradition ausgerichteten katholischen Verbandes sieht sich Nieborg von Zeit zu Zeit solchen Anwürfen ausgesetzt. Der Auslöser an diesem Montag im August: Sein Verband will einen muslimischen Schützenbruder, der Mitte Juli im westfälischen Werl-Sönnern den Vogel abgeschossen hat, nicht als Schützenkönig anerkennen.

"Wir sind ein katholischer Verband, der laut Statut im Sinne der Ökumene auch andere Christen aufnimmt, aber eben keine Muslime, ansonsten verlieren wir unseren Status als katholischer Verband nach dem kanonischen Recht", wirbt Nieborg um Verständnis. Der Schützenbruderschaft St. Georg Sönnern sei ein "ganz menschlicher Fehler" unterlaufen, indem sie ihre eigene Satzung nicht richtig gelesen und den 33-jährigen türkischstämmigen Muslim Gedik aufgenommen habe. Tatsächlich drohe ihr damit der Ausschluss aus dem Verband. Aber "es wird alles nicht so heiß gegessen, wie es gekocht wird", will Nieborg den Ball flach halten. In den nächsten Tagen wollen sich sowohl Dachverband als auch Verein auf die Suche nach einem Kompromiss begeben. Dieser legt laut Satzung eigentlich nur Gediks Amtsverzicht oder seine Konversion zum Christentum nahe.

Präzedenzfälle gibt es schon. Vor etwa fünf Jahren, berichtet Nieborg, habe der Paderborner Schützenverein einen Muslim zum König gemacht und wollte ihn auch ins Bezirksschießen schicken. "Dem haben wir widersprochen. Das wollten die Herren nicht einsehen." Das folgende Ausschlussverfahren habe den Verlust der rund 1.500 Paderborner Schützen für den etwa 400.000 Mitglieder starken Dachverband gebracht. "Anders als dem Deutschen Schützenbund (DSB) geht es uns weniger um die sportliche Ausrichtung als um den Erhalt historischen Brauchtums", erläutert der Sprecher.

Wohl auch aus dieser Prämisse ergab sich eine andere Debatte, die 2011 und 2012 ein nachhaltiges Rauschen im Blätterwald zur Folge hatte: Der Münsteraner Schützenkönig Dirk Winter hatte seinen langjährigen Lebenspartner mit auf den Königsthron genommen, was vom Verband nicht goutiert wurde. "Damals hieß es, wir hätten etwas gegen Homosexuelle", empört sich Nieborg. "Das ist gar nicht der Fall, sondern es ging nur darum, dass auch ein homosexueller Schützenkönig sich der Tradition beugen sollte, indem er eine Frau zur Königin macht." Das habe Winter als früherer Schützenkönig auch getan, indem er eine Freundin mit auf den Thron nahm. Da aber 2011 das Gesetz zur Eintragung homosexueller Lebenspartnerschaften Zehnjähriges hatte, habe Winter wohl ein Zeichen setzen wollen. "Und dann standen wir natürlich am Pranger." Sogar Morddrohungen gegen den Verband habe es gegeben. In die Ecke drängen ließ sich der BHDS freilich nicht. Den Vorwurf der Diskriminierung will Nieborg weder gegen Homosexuelle noch Muslime gelten lassen. "Die Debatte ist einfach überzogen und geht in die falsche Richtung. Außerdem haben wir Sommerloch."

In dieses tönen kritische Stimmen unter anderen von den nordrhein-westfälischen Landtagsfraktionen. "Mit dieser Intervention hat der Dachverband der Schützen den Vogel abgeschossen - im negativsten Sinn", sagte die rechtspolitische Sprecherin der Grünen-Landtagsfraktion, Dagmar Hanses. "Tradition darf nicht als Totschlag-Argument missbraucht werden, um Mitmenschen auszugrenzen." Und FDP-Fraktionsgeschäftsführer Christof Rasche fordert als Zeichen der Integration, dass sich rein christliche Schützenvereine für Nicht-Christen öffnen sollten. "Denn christliche Nächstenliebe ist wichtiger als eine christliche Satzung."


Quelle:
KNA